Zilte, Antwerpen
Am 6. Dezember 2021 in Belgien | 2189 Aufrufe | 3 Kommentare
Irgend etwas ist heute anders als bei unseren letzten Besuchen. Die liegen zugegebenermaßen schon einige Jahre zurück – und dass man seitdem renoviert hat, verwundert mich deshalb auch nicht. Aber trotzdem komme ich zunächst nicht drauf. Es gibt hier im neunten Stock des MAS, des Museum Aan de Stroom, auch weiterhin eine Bar, einen Lounge-Bereich und dann natürlich den Restaurantbereich mit beeindruckender Aussicht. Anfang 2021 hat das „Zilte“ mit Viki Geunes den dritten Michelinstern verliehen bekommen. Grund genug also, unsere Erinnerungen aufzufrischen und da man auch montags geöffnet hat, haben wir damit auch gleich eine angemessene Location für unseren Jahres- und Hochzeitstag.
Da die Inzidenzzahlen auch in Belgien deutlich steigen, müssen Restaurants bereits um 23 Uhr schließen. Unsere Reservierung wird also um eine Stunde vorgezogen. Es gibt ein gesetztes Menü in sieben Gängen (295 Euro). Die Homepage verspricht auch ein vegetarisches Menü, aber danach müsste man wohl fragen oder es bei der Reservierung angeben.
Der Abend beginnt mit fünf relativ flott servierten Apéros, deren Details ich mir nicht alle merken kann. Aber bereits die Präsentationen lassen erkennen, dass diese ersten Grüße sehr aufwändig gearbeitet sind. So begeistert ein Taco-ähnlicher Snack mit kräftigem Pilzgeschmack und eine Art Waffel-Sandwich mit säuerlichen Cremetupfen und geräuchertem Aal.
Sehr hübsch auch die knusprige, runde Waffel mit einem Stück Fisch, eventuell Makrele und erneut kleinen Tupfen.
Frischer präsentiert sich die Tartelette mit Fleisch von der Königskrabbe und einem fruchtig-säuerlichen Element. Beeindruckend auch die filigran dünnen, aber doch stabilen Dinkel-Teigblätter, die mit Lebercreme und einem Gel von Umeboshi gefüllt sind.
Das abschließende Amuse Bouche kombiniert Krabben, geräucherte Sardine mit Kapern, Paprika, Staudensellerie und einem Tomatenespuma. Das verströmt zwar durchaus sommerliches Flair, bleibt aber für mich ein wenig hinter der Finesse der Fingersnacks zurück, was vielleicht auch daran liegt, dass mir das alles zu cremig und schaumig ist.
Optisch beeindruckend und offenbar in immer neuen Varianten wird das Flatbread präsentiert, in das dieses Mal Oliven, Blätter und Kräuter gearbeitet sind.
Ebenso überzeugend ein üppiges Brioche sowie ein knuspriges, mit Kresse bestreutes Brot, bei dem ebenfalls nicht mit Fett gespart wurde. Wozu es da die ausgezeichnete Butter und das Olivenöl braucht, ist nicht wirklich erkennbar. Beide Brote sind köstlich, aber definitiv nicht aus der „Du darfst“- sondern der „Du kannst mich mal“-Abteilung.
Das Menü beginnt mit Muscheln auf einem Bett von jungem Fenchel und drei Wochen trocken gereiftem Hamachi in einem Sud mit Dillöl. Die Reifung hat dem Fisch eine festere Struktur verliehen. Das ist kühl, frisch und zusammen mit den getrockneten und frittierten Elementen ergibt sich ein komplexes Geschmackbild, in dem die Meeresnoten sehr klar und präsent dominieren.
Es folgt Langustine als Tatar auf einer Creme von weißer Zwiebel. Der am Tisch auf das Gericht gegebene Imperial Kaviar steuert eine milde Salzigkeit bei, die das eher süßliche Tatar elegant komplementiert.
Separat gibt es Langustine in Stücken und erneut Kaviar auf einem Chawanmushi, ergänzt von hellen und dunklen Walnüssen. Meines Erachtens sind es vor allem die dunklen Exemplare, die einen eigenartigen, muffigen Ton in das Gericht bringen. Das ist aber auch der einzige kleine Störfaktor in einer ansonsten schönen, lauwarmen Ergänzung dieser Variation zum Thema Langustine und Kaviar.
Im nächsten Gang setzt Viki Geunes auf eine ungewöhnliche Kombination, bei der ein in Nussbutter gebratenes Stück Steinbutt von einem Mangoldpäckchen begleitet ist, das mit fein gewürfeltem Fleisch vom Schweinsfuß gefüllt ist. Maitake in feinem Tempurateig ausgebacken liefert einen netten Crunch. Vin Jaune Sauce und Haselnussöl unterstreichen den fülligen Charakter in dieser kräftigen Zusammensetzung, die der Fisch überraschend gut verträgt. Ein durchgehend toller Gang!
Die aromatische Steigerung setzt sich auch beim folgenden Kalbsbries fort, das perfekt gebraten ist. Außen knusprig, innen weich, aber nicht labbrig, kann es mit weißem Trüffel und einem Topinamburtörtchen starke Akzente setzen. Der Taschenkrebs auf dem Bries geht dabei fast etwas unter. Dafür punktet die sehr intensive Sauce auf Basis der beiden Protagonisten, Bries und Taschenkrebs, mit kräftigem Geschmack.
Auf den Hauptgang freue ich mich besonders, denn jenseits des gängigen Angebots aus Reh, Rind oder Taube gibt es im „Zilte“ Wildhase, eine Zutat, die man leider nur sehr selten auf den Speisekarten findet. Hier ist es wunderbares, dunkles Wildfleisch, das mit Roter Bete, Chicoree und einer würzigen Hasenjus eine erdige, winterliche und sehr stimmige Einfassung erhält. Dazu trägt auch das kalte Törtchen aus Foie Gras und Blutwurst bei, das eine ebenso originelle wie kreative Begleitung darstellt.
Im ersten Dessert wird das Thema Apfel wunderschön variiert und präsentiert. Apfelröllchen, in Cidre gegart, Eis von Calvados, karamellisierte Pekannüsse und Biskuit mit Ingwer und Four Spices ergeben ein rundes, frisches und harmonisches Gesamtbild. Einfach exzellent.
Auch, wenn im abschließenden Dessert Schokolade die Hauptrolle spielt, kommt es alles andere als schwer daher. In einem Schokoladenteig-Zylinder findet sich am Boden eine Schokoladencreme und ansonsten kühl, frisches Joghurtsorbet.
À part gibt es eine gefüllte belgische Waffel, dazu zum Dippen ein sehr säuerliches Cranberry-Kompott. Als Kontrast mag das gut gedacht sein, mir ist das zu erdig und ich finde es nicht so überzeugend. Ohne dieses Kompott wäre es für mich durchgehend fabelhaft.
Die abschließenden Petit Fours, darunter ein Sandwich mit geräucherter Kamille, zweierlei Schokolade, darunter mit Timut-Pfeffer halten das hohe Niveau, ebenso ein exotisch inspiriertes Nachdessert mit Spicy Mango-Creme und Kokosespuma.
Viki Geunes setzt in seinem Menü auf eine Mischung aus eleganten, sehr feinen Gerichten wie der Langustine mit Kaviar und solchen mit starken Aromen und kräftigen Kontrasten. Exemplarisch dafür steht der Steinbutt mit Schweinsfuß oder das Kalbsbries mit Taschenkrebs. Alles, auch wenn es im ersten Moment erst mal gewagt klingen mag, ist sehr sorgfältig komponiert und geht harmonisch auf. Handwerklich bewegt sich das ohnehin auf dem Niveau, das man bei drei Sternen erwarten darf. Alleine die Grüße sind beeindruckend filigran gearbeitet und das Menü durchgehend von großer Klasse.
Da die Sperrstunde naht, merkt man, dass der Service an den übrigen Tischen ein wenig das Tempo anzieht. Bei uns ist das nicht nötig, da wir als Erste gekommen sind und daher gut im Timing liegen. Viviane Plaquet, die Ehefrau von Viki Geunes, bestätigt uns, dass man froh ist, überhaupt öffnen zu können und dass es mittags noch etwas entspannter zugeht. Während der Service seine Sache formvollendet und effizient, aber eben auch etwas reserviert versieht, ist Viviane Plaquet als Gastgeberin angenehm locker und kommunikativ.
Das gilt auch für Viki Geunes, der zum Schluss das Rätsel auflöst, was heute anders ist. Seit unserem letzten Besuch ist man im selben Stockwerk auf die andere Seite des Gebäudes umgezogen und hat dabei gleich auch etwas umgestaltet.
Die Aussicht ist von hier genauso eindrucksvoll. Aber wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, ist das, was sich auf dem Teller abspielt, seit unserem letzten Besuch noch beeindruckender.
Details
Restaurant: | Zilte |
Adresse: | Hanzestedenplaats 5, 2000 Antwerp |
Öffnungszeiten: | Montag - Freitag: 12.00 - 13.00 Uhr und 19.00 - 20.30 Uhr (Bestellannahme) Samstag + Sonntag: Ruhetag |
Website: | www.zilte.be |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Antwerpen, Fine Dining, kreativ, Viki Geunes, Zilte
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Hallo Thomas, wieder einmal ein schöner Bericht, vielen Dank. Überlege jetzt ernsthaft, die belgischen Restaurants zu besuchen.
Was gab es eigentlich im Jane und hier dazu – Wasser, Tee, …? Gerade bei solch geschmacklich „tiefen“ Menus interessiert mich persönlich die (ausgewogene) Getränkebegleitung,
bess demnähx & viele Grüße an deine bessere Hälfte
Hallo Thomas,
zwei kulinarische Kracher in 24 Stunden! Ein bisschen Overkill, aber von der verlockenden Sorte. Was hat dir besser gefallen? Jane oder Zilte?
„Zilte“ war schon klasse – aber nichts geht in Antwerpen für mich über „The Jane“…