AIRrepublic, Cadzand-Bad
Am 10. Juni 2019 in Niederlande | 3480 Aufrufe | 1 Kommentar
Wie sehr Sergio Herman an der Entwicklung des Badeortes Cadzand-Bad Anteil hat, ist nicht nur am Neubau und der Renovierung des Strandhotels zu beobachten, das bereits Heimat des über die Grenzen bekannten „Pure C“ war und seit neuestem auch des japanisch inspirierten Bar-Restaurants „Blueness“. Am markantesten ist die Veränderung des Ortes vielleicht an der Entstehung der Marina mit Yachthafen zu sehen, die sich direkt von der Strandpromenade ins Meer zieht. Dort ist ein länglicher Flachbau mit Glaspavillon entstanden, das rechter Hand ein Café mit Selbstbedienung und im linken Teil das „AIRrepublic“ beherbergt, das sich als Brasserie vor allem der Fischküche widmet.
Bereits 7 Monate nach Eröffnung wurde das Restaurant unter Leitung von Nicolas Misera mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Die Preise sind nicht anders als gehoben zu bezeichnen, aber das scheint dem Zuspruch keinen Abbruch zu tun. Die Buchungslage ist ausgezeichnet.
Wie oft in von Sergio Herman konzipierten Restaurants gibt es auch hier einige Snacks, die als Apéritif zum Teilen gedacht sind (11-20 Euro), sechs Vorspeisen (22-49 Euro), fünf Hauptgerichte (40-77 Euro), fünf Desserts (10-18 Euro) und Käse (21 Euro).
Dass bei diesem Angebot von den drei Fischgerichtenam frühen Abend bereits eines nicht mehr erhältlich war, ist bei dem sportlichen Preisniveau schon etwas ärgerlich.
Als Amuse Bouche gibt es einige hauchdünne, mit Kräuterpulver gewürzte Cracker mit einem hocharomatischen Harissa-Espuma, unter dem sich in Ratatouille-Art marinierte Gemüsewürfelchen befinden. Das ist absolut köstlich.
Von der Sharing-Karte wählen wir zwei Gerichte und starten mit Garnelenkroketten. Diese frittierten Röllchen gehören ja zu den Lieblingen der Holländer, auch wenn sie häufig eine etwas undefinierbare Masse enthalten. Auch hier ist das nicht viel anders, aber zumindest kann man deutlich einige Nordseekrabben ausmachen und der Geschmack ist auch feiner als bei den üblichen Fast Food-Läden. Die dazu servierte Mayonnaise ist mit frittierter Petersilie dekoriert, weist aber vor allem einen deutlichen Estragongeschmack auf, was zur Krokette sehr gut passt.
Auch der dann folgende Flammkuchen kann überzeugen. Er ist mit Kartoffeln, verschiedenen Cremes und Kräutern üppig belegt, muss jedoch mit Salz und Pfeffer etwas nachgewürzt werden. Die Hauptzutat sind jedoch Herzmuscheln, die den Teigfladen zu einem tatsächlichen Genuss machen. Auch der im Nachgang spürbare geröstete Knoblauch macht sich sehr gut in dieser Kombination.
Eine veritable Enttäuschung ist dann aus den regulären Vorspeisen der „AIRrepublic“-Salat. Mit einigen Nordseekrabben versehen, schlägt er mit stolzen 35 Euro zu Buche, besteht aber überwiegend aus einem üppigen Berg zu großer Salatblätter, fast ausschließlich Lollo Rosso und Bianco. Irgendwann taucht auch noch ein Löffel angemachten Taschenkrebsfleisches auf und ein halbes mit Mayonnaise bestrichenes Ei. Die Vinaigrette aus Haselnüssen, Senfsaat und Cabernet Sauvignon klingt aufregender, als sie schmeckt. Mutmaßlich ist sie bei der Salatmenge auch einfach zu knapp bemessen, als dass sie sich hätte positiv bemerkbar machen können. Auch hier muss mit Salz und Pfeffer nachgewürzt werden.
Weder als origineller Salat noch angesichts des heftigen Preises kann uns das überzeugen.
Mit meiner Wahl fahre ich da deutlich sicherer. Die als Meeräsche crudo und Leche di Tigre angekündigte Ceviche ist klassisch mariniert und mit Kumquats und Kohlrabi differenziert abgeschmeckt.
Da der auf der Karte vermerkte Kabeljau nicht mehr verfügbar war, was man zumindest auch vorher hätte ankündigen können, weicht mein Mann auf den Steinbutt aus. Der kommt als mächtiges Filet an der Gräte und wird separat von Spargel, Kartoffelpüree sowie einem Schälchen mit Hummer-Béarnaise begleitet. Zugegeben: sowohl Menge als auch Präsentation dieses ja ohnehin nicht günstigen Fisches mögen den Preis von 65 Euro rechtfertigen. Aber schon beim Anblick wird uns klar, dass diese Portion auch locker für zwei Personen gereicht hätte.
Der Steinbutt selbst ist formidabel gebraten, ebenso der Spargel, der noch einen Klecks Hollandaise , Senfsaat, Frühlingszwiebeln und Kräuter mitbekommen hat. Das Kartoffelpüree ist noch leicht stückig und hat einen säuerlichen Touch, ebenso die Hummer-Béarnaise mit prägnanter Säure, in der sich auch tatsächlich noch einige Hummerstückchen versteckt haben.
An dem Gericht gibt es rundweg nichts auszusetzen. Die Zusammenstellung und Zubereitung ist eher traditionell und setzt den Fisch gekonnt in Szene.
Auch mein Seeteufel, der Catch of the day, und mit 40 Euro das günstigste Hauptgericht, kann mit den vorgenannten Attributen aufwarten. Das großzügige Filet ist ebenfalls perfekt zubereitet. In einer großen Schale findet sich ein Ragout aus Kartoffelpüree, Kartoffelstücken, weißem und grünem Spargel und jeder Menge topfrischer, köstlicher Erbsen. Die in der Karte angekündigten Artischocken kann ich nicht ausmachen. Auch die Thymianbutter macht sich nicht wirklich bemerkbar. Vielleicht ist sie in der Sauce des Ragouts verarbeitet, das aber auch so perfekt den Frühling bzw. Frühsommer präsentiert. Für Vegetarier hätte dies alleine bereits ein vollständiges und höchst befriedigendes Gericht sein können – auch mengenmäßig.
Unnötig zu erwähnen, dass auch der Seeteufel als Portion für zwei durchgegangen wäre.
Die separat noch servierte Beurre Blanc ist ebenfalls klassisch gut.
Nach diesen mehr als üppigen Portionen sind wir dermaßen gut gesättigt, dass wir auf ein Dessert eigentlich verzichten wollen. Wir entscheiden uns dann allerdings doch noch für ein Millefeuille, das ohnehin zum Teilen angekündigt ist. Auf einem länglichen Brett sind zwei knusprige Blätterteigplatten mit einer recht sahnigen Creme gefüllt, die auch nicht nach sehr viel mehr schmeckt. Obenauf einige Erdbeeren und Pekannüsse. Das Ganze lässt sich erstaunlich gut schneiden, ohne in in ein mittelschweres Desaster auszuarten und schmeckt auch gut. Wir vermissen allerdings die in der Karte angekündigten Himbeeren und auch der Rhabarber ist nur in homöopathischen Ministreifen als Deko auszumachen.
Separat wird noch ein recht sahniges Eis serviert, das mit Basilikum aromatisiert ist, aber auch hier bleibt der sahnige Charakter deutlich im Vordergrund.
In Summe ist das gut, aber nicht überragend.
Wir verzichten heute auf einen Kaffee, was bedeutet, dass wir aber auch nicht in den Genuss von Petits Fours kommen. So ist das in den Niederlanden eben. Zugegeben, sehen diese am Nebentisch sehr gut und originell aus, aber da unser Sättigungsgrad ohnehin mehr als überschritten ist, ist der Verzicht jetzt nicht besonders tragisch.
Einig sind wir uns, dass das „AIRrepublic“ überwiegend überzeugende Bistroküche mit den hervorragenden Produkten der vor der Haustür liegenden Nordsee bietet. Das wird alles ohne große Extravaganzen zubereitet und setzt vor allem bei den Fischgängen die Hauptdarsteller schön in Szene.
Nicht stimmig finden wir das Preisniveau, das vor allem bei den Vorspeisen mit Preisen um und über 30 Euro deutlich überzogen ist. Die Hauptgerichte sind zwar angemessen bepreist angesichts des Gebotenen, aber die Mengen sind für eine Person schlichtweg zu groß. Und wenn wir als geübte und gute Esser das sagen, will das schon etwas heißen.
Dass dann auch noch einzelne Komponenten in den Gerichten zwar angekündigt, dann aber nicht auf dem Teller zu finden sind, ist angesichts des versprochenen Niveaus, vielleicht eine Petitesse, aber eben auch eine zu vermeidende Nachlässigkeit.
Am Service gibt es nichts zu mäkeln, der ist einwandfrei. Die Weinauswahl lässt Originelles vermissen, setzt mehr auf massentauglichen Mainstream. Auch da könnte man durchaus zulegen.
Insgesamt wird das „AIRrepublic“ im Kosmos der Sergio Herman-Restaurants bei einem erneuten Besuch für uns mutmaßlich eher zweite Wahl bleiben.
Details
Restaurant: | AIRrepublic |
Adresse: | Maritiem Plaza 1, 4506 KZ Cadzand-Bad |
Öffnungszeiten: | Freitag - Dienstag: 12.00 - 15.30 Uhr und 18.00 - 23.00 Uhr (Bestellannahme bis 20.00 Uhr) Mittwoch + Donnerstag: Ruhetag |
Website: | www. |
Schlagworte
AIRrepublic, Fisch, Michelin, Nicolas Misera, Nordsee, Sergio Herman, Strandhotel
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Hallo ihr Zwei,
das ist ja ein sehr schöner Bericht über die AIRrepublic in Cadsand. Ich liebe die Holländer, habe eine Zeitlang dort gelebt und kenne natürlich ihre Vorliebe für viel Mayo und „kräftige“ Speisen.
Der Bericht über die Fischgerichte hat mich veranlasst, dort in der letzten Februarwoche essen zu gehen. Wir werden eine Woche im Strandhotel verbringen und u.a. auch die Gegend erkunden. Habt ihr evtl. noch ein oder zwei Vorschläge für gutes Essen – gerne auch in Belgien (Brügge, Gent)?
Herzlichen Dank und beste Grüße aus Essen!
S. & U. H.