Amador’s Restaurant, Wien

Auf die Frage, wer denn koche, wenn er selbst nicht da sei, antwortete Paul Bocuse einmal: „Derselbe, der kocht, wenn ich da bin.“ Das macht die Position der Sous-Chefs besonders deutlich, die schon lange die heimlichen Stars hinter den großen Namen sind, die nur selten jemand kennt.
Wer aber kocht, wenn der Chef nicht da ist und der Sous-Chef auch nicht mehr im Haus ist? Wir wissen es nicht, aber offensichtlich ist die Küchencrew in Amador’s Wirtshaus gut genug eingespielt, den Weggang von Sören Herzig, Sous-Chef von Juan Amador schon in Mannheimer Zeiten, einige Tage vor unserem Besuch gut zu kompensieren.

Viel Turbulenzen in einem Haus, das gerade erst vor kurzem den zweiten Michelin-Stern errungen hat. So sind wir gespannt, wie sich unser Erstbesuch in diesem Wirtshaus, das kein Wirtshaus ist, gestalten wird. In dem lang gezogenen Kellergewölbe sieht vieles so aus, wie es auch in Mannheim aussah: Große, kreisrunde, rote Teppiche mit bodenlangen Tischdecken. Sehr streng und stilisiert.
Gemeinsam mit einem weiteren Paar sind wir die ersten Gäste im Gourmet-Bereich. Die Greißlerei im vorderen Teil des Gebäudes hat zwar den klassischen Wirtshaus-Charme, ist aber ebenfalls leer (und bleibt es den Abend über wohl auch weitestgehend). So fühlt sich der erste Kontakt irgendwie seltsam unterkühlt an, woran auch der ausschließlich männliche Service nichts ändert, der seine Sache routiniert versieht, es aber auch nicht versteht, einen herzlichen Kontakt zum Gast aufzubauen.

In zügiger Abfolge werden die „Tapas & Snacks“ serviert, ein Schweinskopfsalat und Senfgurkenschaum, Entenleber mit Sardelle, ein Teigkissen mit Blunzenscheibe und Artischocke mit Garnele. Allesamt sind sehr präzise gearbeitet, geschmacksintensiv und demonstrieren Kreativität und handwerkliches Können. Gleiches gilt für die abschließende Erdbeergazpacho, die fruchtig und würzig zugleich schmeckt.

Die Karte listet zwei Menüs, wobei unter dem Motto „Retrospektive“ vor allem Amadors Klassiker angeboten werden und im Menü „Momentaufnahme“ neuere Kreationen. Wir entscheiden uns für Letzteres, wobei ich den Hauptgang tausche und die Mieral Taube wähle. Bekanntlich habe ich ein Faible für Taube…

Wir starten das Menü mit „Virtuellem Spargel“, was in diesem Fall bedeutet, dass der Spargel auf dem Teller tatsächlich eine Spargelmousse ist. Dies ist eine nette Spielerei, aber da die Mousse den Geschmack des Gemüses sehr klar transportiert, auch durchaus sinnvoll. Spannung erhält das Gericht aber vor allem durch die Kombination mit süßlichem Carabinero und dünnen Scheiben vom Iberico Kinn. Der Lakritzschaum bleibt erfreulich dezent. Alles in allem aber ein sehr komplexes und schön anzuschauendes Gericht.

Virtueller Spargel / Carabinero / Kinn vom iberico Schwein / Süßholz
Virtueller Spargel / Carabinero / Kinn vom iberico Schwein / Süßholz

Weiter geht es mit Gelbschwanzmakrele, der durch die Kombination aus fruchtig süßlichen Passionsfruchttupfen und sehr zurückhaltendem Kaffeearoma im Schaum spannende Kontraste beigegeben werden. Das geht durchaus auf, klingt aber wilder, als es auf dem Teller kommt. Insgesamt ist dies ein elegantes Gericht, das in der Menüdramaturgie noch Steigerungen zulässt.

Hiramasa Kingfish / Kaffee / Passionsfrucht / Spinat
Hiramasa Kingfish / Kaffee / Passionsfrucht / Spinat

Die Steigerung folgt im nächste Gang mit dem Saint Pierre und dem üppigen Stück Kalbsbries. Das Ganze ist zunächst unter einer Geleehaube versteckt, die erneut wie eine Reminiszenz an Molekularzeiten wirkt. Entscheidender ist vielmehr, dass Fisch und Bries in Kombination mit der würzigen Paprikasauce einen schönen deftigen, aber keinesfalls rustikalen Grundakkord liefern.

Mit dem nächsten Gericht führt Amador die Gäste zunächst auf eine falsche Fährte, denn was als Kalbsleber „Tiroler Art“ angekündigt wird, kommt letztlich ganz anders als erwartet. In einem relativ tiefen Teller finden sich ein Kartoffelschaum mit Röstzwiebeln und Speck. Die Kalbsleber hingegen wird getrocknet darüber gehobelt und dient eher als Würzmittel. Insgesamt ist dies ein sehr geschmackiges und süffiges Löffelvergnügen, das alle Bestandteile eines rustikalen Klassikers enthält, diesen aber auf originelle Art neu interpretiert. Sehr gut gemacht.

Kalbsleber "Tiroler Art" / La Ratte Kartoffel / Röstzwiebel / LandArt-Speck
Kalbsleber "Tiroler Art" / La Ratte Kartoffel / Röstzwiebel / LandArt-Speck

Im Hauptgang bin ich bei der berühmten Mieral Taube in Purple Curry. Und ja, tatsächlich ist diese Komposition vor allem aufgrund der exzellenten Produktqualität und der Purple Curry Auflage und Sauce ausgezeichnet. Mango als Tupfen und naturell sowie Kokos als Tupfen liefern nur sehr zurückhaltende fruchtige Kontraste, die aber nötig sind, um die Spannung in diesem sehr produktfokussierten Gericht aufrecht zu halten.

Mieral Taube / Mango / Cocos / Purple Curry
Mieral Taube / Mango / Cocos / Purple Curry

Auf der anderen Seite des Tisches gibt es Maibockrücken. Der ist relativ klassisch eingefasst von Morcheln und Navetten und diversen Pürrees, unter anderem von schwarzem Senf. Das ist alles sehr stimmig, aber auch ein wenig überraschungsarm.

Maibock Rücken / Morchel / Navetten / Schwarzer Senf
Maibock Rücken / Morchel / Navetten / Schwarzer Senf

Als Pré-Dessert schickt die Küche ein Purple Miso Eis, das bedeckt ist von einem Espuma von der japanischen Kirschblüte und einem säuerlichen Gurkensud. Das ist an dieser Stelle erfrischend und erneut eine handwerklich hochklassige Vorstellung.

Pré-Dessert: Purple Miso Eis, Espuma von der japanischen Kirschblüte, Gurkensud
Pré-Dessert: Purple Miso Eis, Espuma von der japanischen Kirschblüte, Gurkensud

Was die Küche technisch drauf hat, darf sie noch einmal beim Dessert zeigen und das ist nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich beeindruckend. Pure White betitelt, gibt es Milch und Popcorn in diversen Konsistenzen sowie weiße Erdbeeren, die nicht unreif, sondern erstaunlich geschmackvoll sind. Das ist bei aller Verspieltheit eines der schönsten und harmonischsten Desserts, das ich seit langem hatte.

Pure White / Popcorn / Milch / weiße Erdbeeren
Pure White / Popcorn / Milch / weiße Erdbeeren

Zum Abschluss schickt die Patisserie noch einige gut gemachte und leckere Petits Fours.

Wir erlebten an diesem Abend ein Menü, das kreativ und hochtechnisch ausgeführt war. Es gab keinen Gang, der uns nicht gut geschmeckt hätte. Vor allem die Spargelvorspeise, aber auch das Dessert waren großartig. Und doch lässt mich der Abend ein wenig ratlos zurück. Verglichen mit den vorherigen Menüs, die wir in Wien erlebten, war dies ohne Frage eine der technisch beeindruckendsten Leistungen. Dass es weder Chef noch Sous-Chef braucht, um eine derart überzeugende Performance auf solidem Zweisterne-Niveau abzuliefern, hat die Küche eindeutig bewiesen.

Logo

Lag es an der Atmosphäre in dem sehr stylishen, aber eben recht kühlen Ambiente oder am professionell und doch reserviert agierenden Service, dass die Stimmung nicht wirklich überspringen wollte? Vielleicht liegt es auch an der sehr technisch wirkenden Küche, der das ein oder andere Augenzwinkern nicht schaden würde. Bei der Kalbsleber „Tiroler Art“ war dies durchaus erkennbar. Wenn der Service sich dazu jetzt auch noch etwas häufiger ein Lächeln abgewinnen könnte, würde sich das auch auf den Gast übertragen.

Wie zu lesen war, will sich Juan Amador verstärkt auf sein Restaurant in Wien konzentrieren. Das Wirtshaus soll aus dem Namen verschwinden, die Greißlerei soll einem Umbau der Küche weichen. Es sieht also alles danach aus, dass man tatsächlich den dritten Stern angreifen will. Wien würde der sicher gut zu Gesicht stehen. Aber Juan Amador befindet sich dort eben auch in einem starken Wettbewerb mit anderen Häusern, die ihr Profil in Küche und Service in den vergangenen Jahren bereits haben schärfen können. Das steht ihm dort noch bevor. 

Details

Restaurant: Amador's Restaurant
Adresse: Grinzingerstrasse 86, 1190 Wien
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag ab 18 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetage
Website: www.restaurant-amador.com

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