
Bootshaus, Bingen
Am 13. Februar 2025 in Deutschland | 454 Aufrufe | 1 Kommentar
Ein dringender Tipp vorab für alle, die einen Besuch im „Bootshaus“ in Bingen planen: Wer die Küche von Nils Henkel in etwas größerer Auswahl kennenlernen will, sollte lieber mittags als zum Abendessen kommen. Abends gibt es lediglich zwei Dreigang-Menüs zur Auswahl, davon eines vegetarisch. Dies ist ganz offenbar der Tatsache geschuldet, dass hier die Hausgäste des „Papa Rhein“-Hotels ihre Halbpension serviert bekommen und das die Küche ausreichend beansprucht. Anders wären sonst auch nicht die zwei Sitzungen zu erklären, in denen dies passiert. Dabei ist das maritim eingerichtete Restaurant gar nicht mal klein, was dafür spricht, dass das Hotel gut gebucht ist.
Auch das gerade im Bau befindliche großzügige Nebengebäude zeugt von einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Und die Lage direkt am Rhein ist ja auch reizvoll. Womit wir wieder beim Mittagessen sind, denn da kann man die Aussicht ohnehin deutlich besser genießen. Und hat, wie erwähnt, eine erheblich größere Auswahl in der Speisekarte. Je sechs Vor- und Hauptspeisen, dazu je vier vegetarische Gerichte und Desserts. Sechsgang-Menüs, in denen Nils Henkel dann doch ganz in Fine Dining-Traditionen durch sein Programm führen kann, gibt es auch noch, allerdings nur an ausgewählten Samstagen, einen pro Monat, und in streng limitierter Anzahl am Chef’s Table.
So bleibt der Mittag die beste Gelegenheit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Nils Henkel hier an diesem deutlich legerer angelegten Ort als an seinen früheren Stationen kocht.
Zweierlei ordentliches Brot bildet den Auftakt. Soweit, so passabel, aber wenn es schon keinen sonstigen Küchengruß gibt, wäre es schön, wenn die auch hier aufgeschlagene Butter wenigstens in irgendeiner Art aromatisiert wäre. So ist sie leider nur ein weiteres Beispiel dafür, dass sie in dieser Form halt ziemlich langweilig ist. Und dass im Zweifelsfall normale gesalzene Butter eben doch die bessere Wahl wäre.

Ich starte mit Lachs und Thunfisch auf einem Sockel von Avocadopüree. Neben den beiden großzügig bemessenen, relativ natur belassenen Fischstücken finden sich darauf des weiteren Papayarelish, Curry-Cashewnuss, Ingwergel und ein Gurken-Wasabisorbet. All das erlaubt zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten und liefert damit ein abwechslungsreiches, sehr klug austariertes Gericht, in dem alle Komponenten sehr klar ihren Charakter ausspielen.

Mein Mann beginnt mit der Fischsuppe à la Bourride. Die ist zwar relativ wenig gebunden, aber ungemein aromatisch, kräftig und würzig. Die Einlage mit Garnele und verschiedenen Fischen, allesamt sehr akkurat gegart, ist üppig und voller Geschmack. Zur klassischen provenzalischen Fischsuppe gehört traditionell Röstbrot und Sauce Rouille. Nils Henkel liefert hier eine mehr als feinsinnige Interpretation in Form einer Scheibe gerösteten Brotes mit diversen Cremes, Kräutern, Forellenkaviar und frittierten Krabben. Die Suppe für sich ist bereits klasse, zusammen mit dieser wunderschön arrangierten Luxusstulle ist es großartig.
Im Hauptgang wähle ich die Saiblingsroulade, die zwar nicht gefüllt ist, aber sehr schön in Form gebracht ist und mit Saiblingskaviar akzentuiert ist. Auf einem Erbsenpüree findet sich eine Tartelette mit cremig angemachten Nordseekrabben. Bleibt dies soweit noch recht mild, stellt die kräftige Senfkornvinaigrette einen passenden Kontrast dar. Auch der Kopfsalat, leider weithin unterschätzt, ist als frisches Element eine sehr willkommene Ergänzung. Insgesamt ein stimmiges und charaktervolles Gericht.

Auf der Fleischseite weiß der lange gegarte, superzarte Schweinebauch sehr zu überzeugen. Nils Henkel setzt ihn in einen asiatisch inspirierten Kontext mit Chinakohl und sehr würzigem Kimchi. Auch der Dim Sum, gefüllt mit gezupftem Fleisch, Champignons und eine ausgesprochen kräftige Teriyakijus fügen sich ausgezeichnet in das detailreiche Ensemble ein. Auch wenn wir an diesem Tag keines der vegetarischen Gerichte probieren, ist auch hier Henkels feines Händchen für Gemüse erkennbar.

In ihrem Variantenreichtum stehen auch die Desserts den vorherigen Gängen nichts nach. Der fein glasierte Karamell-Donut kommt mit Blutorange als Sorbet und pur sowie mit Kardamomganache. Das pendelt wunderbar zwischen Teig, Frucht und fülliger Creme und könnte so auch in jedem besternten Restaurant eine gute Figur machen.

Das gilt in gleicher Weise auch für die Panna Cotta von Kokosmilch, die zwar für sich genommen recht massig ist, aber mit Ananas, cremiger Tapioka und einem gekonnt abgeschmeckten Gewürzsud sowie dem Litschi-Ingwersorbet mit feiner Schärfe die leichteren Komponenten erhält, die alles zu einem schönen exotischen Ensemble verbinden.

Nach drei Gängen sind wir mehr als gut gesättigt, so dass der Service Recht hatte mit seiner sehr deutlichen Skepsis, als wir zu Beginn nach der Portionsgröße fragten und ob vier Gänge schaffbar wären. Angesichts dessen, was aus Nils Henkels Küche kommt, ist es eigentlich bedauerlich, dass mehrgängige Menüs nur so limitiert angeboten werden. Denn auch, wenn alles hier bewusst darauf angelegt ist, sehr locker rüberzukommen und auch die Karte mehr Bistrostyle verspricht, ist das Ergebnis auf dem Teller erheblich komplexer, als man erwarten könnte. Andererseits überrascht es auch nicht wirklich, denn Nils Henkel hat das Kochen seit seiner Zeit auf Schloss Lerbach und auf Burg Schwarzenstein ja nicht verlernt. Nach wie vor gilt er auch als Vorreiter, was zeitgemäße und ausgeklügelte Gemüseküche angeht. Seine Gerichte sind sehr detailreich, fein ausbalanciert und auch optisch bestechend. Das erfüllt alle Kriterien, die man auch in einem Fine Dining Restaurant erwarten würde.
Aber gerade das will man ja hier nicht sein. Duzen ist im „Bootshaus“ wie im ganzen Hotel Prinzip. Macht mir nix, wenngleich es beim Service eher geschäftsmäßig, denn authentisch wirkt. Auch sonst läuft das zwar routiniert, aber halt auch etwas unpersönlich ab. Wäre dies ein längeres Menü, würde mich das vielleicht etwas stören, aber mit drei Gängen ist man ja auch nach gut zwei Stunden durch und so passt das dann auch.
Wenn ich mir aber etwas wünschen dürfte, wäre es ein zusätzliches Angebot mit einem Menü in etwas kleineren, dafür mehr Gängen. Und das nicht nur einmal im Monat für eine Handvoll Gäste. Denn das, was wir heute hatten, war gut. Richtig gut.
Details
Restaurant: | Bootshaus |
Adresse: | |
Öffnungszeiten: | Lunch: 12.30 - 13.30 Uhr Dinner: ab 17.30 Uhr (2 Sitzungen) Kein Ruhetag |
Website: | www.paparheinhotel.de/gastro/bootshaus/das-bootshaus |
Schlagworte
Bingen, Bistronomy, Bootshaus, kreativ, Nils Henkel, Papa Rhein, vegetarisch
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Das hätte ich gar nicht erwartet. Sieht wirklich verlockend aus und ist von dir entsprechend beschrieben. Muss man also doch mal mittags in Bingen sein.