CODA Dessert Bar, Berlin

Ein Restaurant ist dies nicht. Und will es auch gar nicht sein. Es ist eine Bar, eine Dessert Bar um genau zu sein. Und doch fühlt es sich auch ein wenig an wie im Restaurant, einem sehr legeren zugegebenermaßen. Aber das kann auch am Umfeld liegen. Neukölln ist jetzt (noch) nicht der allerhippste Stadtteil Berlins, zwei Häuser weiter ist der Sex-Shop deutlich offensiver beleuchtet als das Entrée zur CODA Bar, an der man mangels Beschilderung auch glatt vorbei laufen könnte. Das Publikum ist jung, eher alternativ als stylish. Das Ambiente reduziert, einfache blanke Tische, Punktstrahler leuchten diese aber gut aus. Eine lange Bar, die direkten Blick in die Küche und auf das Werkeln des Barkeepers erlaubt. Laute Musik. Also doch irgendwie mehr Bar als Restaurant, oder?

Diese Ambilvalenz passt zu einem Laden, in dem es nur Desserts gibt. Sogar ganze Dessert-Menüs und dazu speziell kreierte Cocktails, die sich ebenfalls jenseits des Mainstreams bewegen. Für all das steht René Frank, ehemals Chef-Patissier im „la Vie“ in Osnabrück, also Dreisterne-prämiert. Und schon seinerzeit eher der Avantgarde zuzurechnen als dem klassischen Genre.

So sind wir hochgespannt, was uns heute erwartet, nehmen erwartungsvoll an der Bar Platz und fühlen uns von Anfang an sehr wohl und gut betreut. Der Service macht seine Sache kompetent, locker und ausgesprochen freundlich.

Wir starten zum Apéritif mit einigen Piemonteser Haselnüssen, die mit Algenpulver aromatisiert sind (4 Euro) und karamellisierter Schweinehaut (3 Euro), die etwas an süßes Popcorn erinnert.

Piemonteser Haselnüsse / Karamellisierte Schweinehaut
Piemonteser Haselnüsse / Karamellisierte Schweinehaut

Das 6 Gang Menü (49 Euro) startet relativ frisch mit Gelber Tomate, Mascarpone und kleinen Würfeln von Pain d’Épice, als Gewürzbrot. Das ist sehr harmonisch und nur leicht süß. Im Glas dazu ein Cocktail aus Haselnuss, Zwetschge, Sherry und einem sehr deutlichen Schuss Bourbon, abgerundet mit etwas frisch gestoßenem Koriander. Das schmeckt sehr spannend und gibt einen ersten Eindruck, wie sich Dessert und Getränk gerade auch durch ihren sehr unterschiedlichen Charakter ergänzen.

Gelbe Tomate : Mascarpone : Pain d'Épice : Zitrone
Gelbe Tomate : Mascarpone : Pain d'Épice : Zitrone

Im nächsten Gang treffen aufgeschäumte Milch auf lauwarme wilde Feigen, die zunächst separat gereicht werden. Für Textur und Geschmack sorgt aufgepoppter Reis. Angegossen eine leicht nussig schmeckende Sauce mit Anchovis. Klingt schräg, ist es aber nicht. Die Anchovis sollen nur eine leichte salzige Note beisteuern und sind als solche nicht herauszuschmecken. Das Getränk dazu ist ein Portwein mit Sake, Kirschessig und Soda. Passt ebenfalls gut, ist aber mit der deutlich spitzen Säure des Essigs ein markanter Kontrast zum eher milden Gericht, wobei aber die fruchtigen Noten des Cocktails gut passen.

Milch : Feige : Anchovis : Reis
Milch : Feige : Anchovis : Reis

Deutlich herber wird es mit dem Rote Bete-Dessert. Ein recht neutraler Tofu-Schaum wird flankiert von kleinen Rote Bete-Stücken, Cranberries und einem Eis von Roter Bete. Für Knusper sorgen Haselnuss-Crumble. Was ein wenig aussieht wie von Jackson Pollock inspiriert, ist im Mund sehr stimmig und nur gemäßigt wild. Klar hat es hier einen deutlich erdigen Ton von der Roten Bete, aber trotzdem ist die Dessert-Stilistik noch vorherrschend. Im Glas begleitet uns ein Cocktail von Granatapfel, Orange, schwarzer Olive und weißem Wermuth. Auch hier paaren sich wieder vielschichtige Aromen, die in Kombination mit dem Essen quasi wie eine Erweiterung des Spektrums wirken. Sehr gelungen.

Rote Bete : Tofu : Cranberry : Haselnuss
Rote Bete : Tofu : Cranberry : Haselnuss

Der nächste Gang ist das einzige explizit herzhafte Gericht. Eine zunächst unscheinbare weiße Halbkugel aus hauchdünnem, kräftigen Schafskäse gibt, wenn sie zerschlagen wurde, geröstete Brioche-Brösel, Trauben und Rucola frei. Das ist in Summe schlichtweg so lecker, dass ich es glatt sofort noch mal bestellen könnte. (Ich halte mich zurück, weil sich ein deutlicher Sättigungsgrad bemerkbar macht.) Das ist kein hochkompliziertes Gericht, aber clever komponiert und optisch gut umgesetzt. Der Crémant aus dem Jura wird mit Salzkaramell-Sirup aufgepeppt und passt ebenfalls wieder hervorragend.

Mit dem nächsten Gang wird es noch mal gemüsig, aber wieder auf der dezenten Seite. Petersilienwurzel und Kokos finden sich als geschmeidiges Eis neben einer Creme aus schwarzem Knoblauch, der eine angenehme Süße aufweist und nichts von dem klassischen Knoblaucharoma aufweist. Dazu geröstete Pinienkerne und kleine Chips von der Petersilienwurzel. Angegossen ein Sud von Limettenöl. Auch hier bleibt das herbe Element eher zurückhaltend, so dass auch der klassische Süßspeisenliebhaber nicht völlig verstört zurück gelassen wird. Das Getränkepairing ist erneut überraschend, aber passend. Ein tiefdunkles Stout mit schweren karamelligen Noten wird mit ebenso schwerem, süßen Moscatel aromatisiert. Spätestens an dieser Stelle merkt man, dass nicht nur das Essen sättigt, sondern auch die Getränke. Den eher breiten, cremigen Charakter des Desserts unterstützt das Bier aber ausgezeichnet.

Petersilienwurzel : Kokos : Pistazie : Schwarzer Knoblauch
Petersilienwurzel : Kokos : Pistazie : Schwarzer Knoblauch

Zum Abschluss wird es sowohl klassisch als auch experimentell. Unter einer schwarzen Haube verbirgt sich ein Würfel, der mit flaumigem Schokoladen-Espuma gefüllt ist, dazu Pflaume als Kompott und Sorbet, ein Haselnussschaum, und angegossen eine Zichorien-Sauce. Das ist optisch wunderschön und geschmacklich noch am nächsten an dem, was man von einem Dessert erwartet – wenn das ganze nicht geräuchert worden wäre. Der Rauch verzieht sich schnell und hinterlässt nur einen leichten Hauch Holzkohle-Aroma, der das Gericht angenehm aufpeppt. Im Glas dazu ein Lambrusco amabile, dem mit einem Zerstäuber Single Malt Whiskey zugegeben wird, der sich deutlich länger in der Nase hält und damit eine fabelhafte Ergänzung zum leichten Rauchton des Desserts gibt.

Schokolade 70% : Pflaume : Zichorie : Haselnuss, Holzkohle
Schokolade 70% : Pflaume : Zichorie : Haselnuss, Holzkohle

Nach zweieinhalb Stunden geht dieser Parforce-Ritt zuende, der gar nicht so wild war, wie man hätte befürchten können, aber doch aufregend genug, um eine spannende Erweiterung bekannter Essgewohnheiten zu bieten.

Lesen sich viele Gerichte zunächst etwas abenteuerlich, bleiben sie in der Gesamtaromatik aber immer stimmig und näher am erwartbaren süßen Geschmacksbild als an komplett kontrastierender Charakteristik. Da haben wir in manchen Restaurants schon Desserts erlebt, die durch übermäßigen Einsatz von Kräutern zu einer deutlichen Schieflage führten. Den manchmal fast experimentelleren Teil übernehmen hier öfter die Getränke, die ich fast gleich wichtig finde, weil sie die Gerichte auf überzeugende Weise ergänzen und ihnen zum Teil eine zusätzliche Tiefe verleihen. Die Getränkebegleitung schlägt übrigens mit 33 Euro sehr moderat zu Buche.

René Frank hat mit der CODA Dessert Bar ein Konzept umgesetzt, das ganz nah am Puls einer kulinarisch aufgeschlossenen Großstadt ist. Es ist schwer vorstellbar, dass das im Moment woanders so funktionieren könnte wie in Berlin. Aber es ist gut zu verstehen, warum die CODA Bar derzeit eine der heißesten Adressen in der Berliner Gastronomielandschaft ist.

Details

Restaurant: CODA Dessert Bar
Adresse: Friedelstraße 47, 12047 Berlin
Öffnungszeiten: Di - Sa ab 19.00 Uhr
Ruhetage: So + Mo
Website: www.coda-berlin.com

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