otto, Köln
Am 30. März 2024 in Deutschland | 2156 Aufrufe | 1 Kommentar
Otto – sehr viel deutscher kann ein Name kaum sein, der Name für ein Restaurant schon mal gar nicht. Aber wer hier Sauerbraten oder Königsberger Klopse erwartet, dürfte enttäuscht werden, denn das neueste Projekt von Jan Maier und Tobias Becker, Betreiber des seit vielen Jahren mit einem Michelinstern ausgezeichneten „MaiBeck“, widmet sich hier der italienischen Lebensart und Küche.
In den Räumen des ehemaligen „Prunier“ und damit in Sichtweite des Doms und nur einen Steinwurf vom Stammhaus entfernt, haben die beiden Ende März mit einem Soft-Opening begonnen, bei dem die Gäste zu einem Pauschalpreis ein Menü samt Getränken genießen durften. Da man keine laute Werbetrommel schlug, haben wir nur durch Zufall von der Neueröffnung erfahren und sind also am dritten Abend in den Räumen, die sich nicht gravierend verändert haben. Das Mobiliar ist geblieben, aber alles an Deko wurde erfreulich entschlackt.
Jan Maier übernimmt heute im Restaurant die Rolle des Gastgebers und kümmert sich auch um die Vorspeisen und Desserts. Da wir die ersten Gäste sind, haben wir die freie Platzwahl und entscheiden uns für einen der Hochtische im Eingangsbereich. Im hinteren Teil gibt es normale Tische für zwei oder mehr Personen.
Zum Apéritif werden sehr gute Grissini mit Sesam, Mohn und Meersalz gereicht. Die sind weit weg von Industrieware und weit besser als viele andere, die uns anderswo schon serviert wurden.
Als erste Snacks erreichen uns eine Art Crostini mit Gorgonzola Dolce, grüner Olive und einem Mandarinenkompott sowie eine warme Makrelenkrokette mit Linsen auf Tomatenragout.
Ostern ist gerade erst vorbei und so klärt uns Jan Maier auf, dass der Crostini tatsächlich ein Osterbrot ist. Einen tollen Effekt liefert hier das Mandarinenkompott mit seinen süßlich-bitteren Noten, die ganz vorzüglich zum Käse passen. Auch die Krokette macht mit deutlichem Eigengeschmack viel Spaß.
Die Vorspeisen, pardon Antipasti, starten mit rohen Scheiben vom Hamachi, die mit Zitronenvinaigrette mariniert sind. Kandierte Zitrone, eingelegte Chili, etwas Pesto und Rucola runden das Gericht ab, das ein gutes Beispiel dafür ist, dass es oft nur wenige, aber gute Zutaten braucht, eine feine Säure und einen Kniff mit der kandierten Zitrone, um eine elegante Vorspeise zu kreieren.
Diese sehr klare Konzentration auf das Wesentliche setzt sich auch beim Büffelmozzarella fort, der nur von eingelegter roter Paprika, Paprikaöl und einer eingelegten Sardine begleitet ist. Das Kraut dazu liefert eine dezente Schärfe. Ansonsten dominiert ein sehr purer Geschmack. Sehr gut.
In der italienischen Menüfolge geht es mit den Primi, also den Pastagängen weiter. Und dass man die hier beherrscht, haben Jan Maier und Tobias Becker bereits im „MaiBeck“ bewiesen, wo Pastagerichte schon immer zum festen Programm gehören. Und auch im „otto“ werden wir nicht enttäuscht. Die Raviolo mit Erbsen-Minz-Ricotta-Füllung, Roggen-Crunch und einer zurückhaltenden Pecorinosauce sind sehr süffig. Vor allem das ausgewogene Verhältnis von Erbse und Minze, bei dem beides deutlich, aber keines dominierend ist, gefällt mir sehr gut.
Aromatisch eine ganze Schippe drauf legt die Küche mit einer Art Eintopf von Fregola Sarda und Moscardiniragout. Hierbei handelt es sich um kleine Tintenfische und Kraken. Zusammen mit Wurzelgemüsen und tomatisierter Sauce ergibt sich ein kräftiges, ungemein leckeres Löffelvergnügen.
Im Hauptgang, dem Secondi, folgt nun ein stattliches Filet von der Meeräsche mit knuspriger Haut und auf den Punkt gebraten. Dazu gibt es in einem leicht gebundenen Sud mit etwas Kräuteröl Lauch, Frühlingslauch und Bärlauch. Das ist bereits so pur und unverfälscht, erneut ganz aufs Hauptprodukt konzentriert, dass mir das schon völlig genügen würde und mich glücklich macht. Aber auch die Beilagen, Pimientos und Kartoffeln, sind ebenso sorgfältig zubereitet und gefallen mir gut.
Den süßen Abschluss markiert der italienische Dessertklassiker schlechthin, den die Küche aber sehr aufgefrischt interpretiert. Das Tiramisu kommt nicht nur mit Mascarpone, sondern auch mit weißer Schokolade und statt Löffelbiskuits mit Profiterols. Eingelegter Rhabarber und Himbeersorbet sorgen dafür, dass das Ganze nicht nur füllig und üppig ausfällt, sondern noch einen frischen Kontrast bekommt. Eine besondere Note dazu liefern auch die Streifen vom Staudensellerie. Ungewöhnlich, aber stimmig und lecker.
Mit einem guten Espresso der Kölner Rösterei Van Dyck und einigen Dolci geht ein Abend zu Ende, der vom ersten bis zum letzten Moment italienisches Flair atmete. Die ausschließlich italienische Weinbegleitung, selbst der sorgfältig ausgewählte Soundtrack, aber natürlich vor allem das ausgezeichnete Essen – alles passt perfekt zusammen. Dass schon nach so kurzer Zeit die Abläufe reibungslos funktionieren, überrascht und auch wieder nicht. Denn mit der Erfahrung, die die Betreiber mitbringen und dem Personal, das zum Teil ebenfalls aus dem „MaiBeck“ stammt, war eigentlich nichts anderes zu erwarten.
Besonders bemerkenswert allerdings ist, wie sicher sich die Küche auch auf italienischem Terrain bewegt und wie hoch sie die Latte schon mit diesem ersten Auftritt legt. Die Gerichte sind durchweg sehr fokussiert und konzentriert auf die guten Hauptzutaten, vermeiden alles Überflüssige, setzen aber an den entscheidenden Stellen kleine Überraschungseffekte.
Damit hat das „otto“ das Zeug, sich auf Anhieb in der Spitze der gehobenen italienischen Restaurants in Köln zu positionieren.
Im April stand noch nicht fest, ob man bei dem Konzept eines festen Menüs bleiben würde oder auch à la Carte anbieten würde. Nach Ablauf des Eröffnungsmonats ist nun klar, dass es unter dem bisherigen Titel „La Sera“ auch weiterhin ein gesetztes Menü in sechs Gängen geben wird (89€), das auch als Komplettpaket inklusive aller Getränke (129€) geordert werden kann. Angesichts des Gebotenen ein mehr als attraktives Angebot.
Details
Restaurant: | otto |
Adresse: | Am Hof 48, 50667 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 19.00 - 24.00 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.otto-fuerdich.de/ |
Schlagworte
italienisch, Jan Maier, Köln, maiBeck, otto Für Dich, Tobias Becker
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Sehr schön, besonders Eintopf und Hamachi!