Dorfstuben, Baiersbronn

Baiersbronn ist der Ort in Deutschland mit der höchsten pro Kopf-Dichte an Michelin-Sternen. Aber auch neben den beiden 3 Sterne-Ikonen „Schwarzwaldstube“ im Hotel Traube-Tonbach  und „Bareiss“ im gleichnamigen Luxushotel gibt es zahlreiche ausgezeichnete Restaurants, die meisten davon in eben diesen Hotels.

Das Schöne ist, dass man in beiden Häusern weiß, dass Gäste nicht immer nur Haute Cuisine suchen, sondern zwischen all den Schlemmereien auch mal Lust auf etwas Rustikales und Regionales haben. Das aber dann in ausgezeichneter Qualität.

Eine besondere Stellung nehmen hier die „Dorfstuben“ im Hotel „Bareiss“ ein. Schon das Ambiente mit den historischen Stuben aus dem 19. Jahrhundert, die Förster-Jakob-Stube und die Uhrenstube, verströmen so viel urige, geschmackvolle Gemütlichkeit, dass es eine Freude ist.

Der Service im gesamten Haus ist sowieso von ausgesuchter Herzlichkeit. Ausbildung ist hier eine Herzensangelegenheit und wie auch immer man es schafft, nie wird man hier etwas Aufgesetztes erleben. Natürlichkeit ist das Attribut, das man an allen Stellen erleben wird. Ein wenig hat es bei unserem Besuch allerdings an der Aufmerksamkeit gemangelt, was etwas überrascht.

Zum Start gibt es in den „Dorfstuben“ traditionell frisches, köstliches Brot, Radieschen, wunderbares Griebenschmalz und Kräuterquark.

Brot, Griebenschmalz, Kräuterquark, Radieschen
Brot, Griebenschmalz, Kräuterquark, Radieschen

Ich starte mit Scheiben von der marinierten Schweinebacke (18,–€), die wie ein Carpaccio angerichtet ist. Als Topping dienen Apfelchutney, das eine süßliche Note beisteuert und ein Spitzkohlsalat, der zunächst ein wenig an Sauerkraut erinnert, aber auf jeden Fall eine würzig-säuerliche Note liefert. Das lauwarme Dressing von grobem Senf rundet diesen fein abgeschmeckten und schön kombinierten Teller ausgezeichnet ab.

Mariniertes Schweinebäckle mit Spitzkohlsalat, Apfelchutney und grobem Senf
Mariniertes Schweinebäckle mit Spitzkohlsalat, Apfelchutney und grobem Senf

Auf der anderen Seite des Tisches freut sich mein Mann über die geräucherte Rehkeule aus der eigenen Jagd (18,–€), die als exzellenter Schinken kommt. Dazu gut angemachter Feldsalat, kleine Croutons und Preiselbeeren. Der Gemahl ist zufrieden.

Mild geräucherte Rehkeule aus der Bareiss Jagd mit eingelegten Preiselbeeren und Kracherle
Mild geräucherte Rehkeule aus der Bareiss Jagd mit eingelegten Preiselbeeren und Kracherle

Als Hauptgang entscheide ich mich für die geschmorte Schulter vom Älbler Lamm (22,50€), die butterzart aus dem Ofen und mit einer tiefdunklen intensiven Sauce auf den Teller kommt. Wunderbar dazu die noch knackigen Streifen von der Steckrübe und auch die Perlzwiebeln erfahren hier eine Rehabilitierung als vollwertige Gemüsebeilage und nicht nur als Dekozweck. Separat werden noch vorzügliche Kartoffelnocken serviert, die genau den richtigen Bräunungsgrad beim Anbraten bekommen haben. Ein Gericht zum Glücklich-und Sattwerden.

Auch der Zwiebelrostbraten (26,–€) steht dem kaum nach. Das Fleisch ist wunschgemäß und perfekt medium gebraten. Die Zwiebeln obenauf genau richtig zwischen weich und knusprig getroffen. Eine üppige Maultasche garantiert, dass man auch nach diesem Teller nicht hungrig vom Tisch aufsteht. Erst recht nicht, wenn auch noch handgeschabte Spätzle und Rieslingkraut in separaten Schalen angekarrt werden. Feinste bürgerliche Küche, bei der ich trotzdem meine Lammschulter leicht vorne sehe.

Bis hier hin läuft alles reibungslos. Die gewünschte Pause vor dem Hauptgang wurde gut eingehalten. Aber jetzt stockt es leider. Wird an anderen Tischen kurz nach Abräumen der Wunsch nach einem Dessert abgefragt, passiert an unserem Tisch lange nichts. Erst auf Nachfrage bekommen wir die Karte und auch das Bestellen lässt dann noch mal auf sich warten und muss selbst initiiert werden. Das ist zwar kein Beinbruch, überrascht hier jedoch ein wenig. Allerdings muss man auch zugestehen, dass der Service mit dem Tee-Wunsch eines Gastes lange in Beschlag genommen wird. Wir sehen, wie Kännchen dreimal hin- und her getragen werden, bis die Dame zufrieden ist.

Die Desserts (je 12,–€) allerdings entschädigen. Meine Variation, oder besser gesagt Interpretation, der Schwarzwälder Kirsch kann vollends überzeugen. Eine beachtliche Halbkugel enthält einen dunklen Teigboden und eine Mousse, an der Kirschwasser nicht nur vorbeigetragen wurde, sondern die auch deutlich davon abbekommen hat. Ein Sauerkirschsorbet, Schokoladenmousse, eingelegte Kirschen und Teigbrösel komplettieren diese leckere und originelle Umsetzung des Themas.

Variation von Schwarzwälder Kirsch mit dunkler Schokolade und Sauerkirschsorbet
Variation von Schwarzwälder Kirsch mit dunkler Schokolade und Sauerkirschsorbet

Meines Erachtens kommt da das Halbgefrorene vom Haselnusskrokant nicht ganz mit. Der Geschmack ist zwar da, aber die Kugel noch relativ hart. Dafür gefällt mir das Kompott von der Williams-Birne sehr gut, auch die Mousse und Quittensauce passen sehr harmonisch. Ein gutes Dessert.

Halbgefrorenes von Haselnuss-Krokant mit Williamsbirnen und Quittensauce
Halbgefrorenes von Haselnuss-Krokant mit Williamsbirnen und Quittensauce

Den Abschluss bilden einige selbstgemachte Plätzchen, ein Espresso und ein leicht gekühlter Obstler.

Petits Fours, Kaffee, Obst
Petits Fours, Kaffee, Obst

Wohl gesättigt und sehr zufrieden verlassen wir die „Dorfstuben“. Sie verkörpern auf exemplarische Weise, wie der Schwarzwald sein kann. Neben den warmen Gerichten, die auch solche Klassiker enthält wie Kutteln oder Linsen mit Saitenwürstle, gefüllter Kalbsbrust und natürlich auch Maultaschen kann man hier auch eine anständige Vesper bekommen.

Es ist ewig lange her, aber damals gab es noch eine legendäre „Murgtäler Brotzeit“, die gefühlt (oder tatsächlich) für zwei Personen mindestens anderthalb Kilo Lebensmittel in Form von Wurst, Schinken, Fleisch- Wurst- und sonstigen Salaten, Räucherfisch, Käse und mindestens einem Laib Brot enthielt. Ich habe mich vermutlich nie mehr in meinem Leben so überfressen wie seinerzeit. 

Heute ist das alles – Gott sei Dank – etwas überschaubarer, aber immer noch mehr als sättigend.

Vom gezapften Pils im Seidel bis zur großen Weinkarte aus dem Gourmetrestaurant wird hier auch getränketechnisch kein Wunsch offen gelassen.

Man muss nicht im „Bareiss“ übernachten (obwohl auch das mehr als lohnend ist angesichts des kulinarischen Schlaraffenlandes, das dem Gast hier vom Frühstück am Pool über das vermutlich beste Hotelfrühstück überhaupt und die großzügige Halbpension am Abend bis zum Mitternachtssnack in der Bar geboten wird)

Wir ziehen die etwas günstigere Übernachtung in einem der anderen Hotels am Ort vor, aber der Besuch in den „Dorfstuben“ musste einfach sein.  

Details

Restaurant: Dorfstuben
Adresse: Hermine-Bareiss-Weg 1, 72270 Baiersbronn
Öffnungszeiten: Täglich durchgehend von 11.00–22.30 Uhr,
von 11.30–14.30 sowie von 19.00–21.30 Uhr mit großer Karte
kein Ruhetag
Website: www.bareiss.com/kulinarik/a-la-carte-restaurants/dorfstuben.html

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