Haus Stemberg, Velbert

Das Telefon geht an diesem Sonntag Mittag nahezu pausenlos. Von unserem Platz, gleich hinter dem Eingang im Schober, einem kuschelig-gemütlichen Separée, werden wir Zeuge, wie den meisten Anrufern freundlich abgesagt werden muss, weil man auf lange Sicht, vor allem abends und an den Wochenenden ausgebucht ist. Dass wir unter diesen Umständen überhaupt noch den letzten Tisch ergattern konnten, obwohl wir erst tags zuvor angerufen haben, kommt daher einem kleinen Wunder gleich.

Dass das „Haus Stemberg“ hingegen so beliebt ist, wundert uns nicht im geringsten. In diesem Familienbetrieb gehen herzliche Gastfreundschaft Hand in Hand mit einer fabelhaften Küche, die Fine Dining-Liebhaber genau so glücklich macht wie diejenigen, die es zwar etwas einfacher, aber deswegen nicht weniger fein, bevorzugen.   

Neben einigen à la Carte-Gerichten gibt es ein Degustationsmenü in vier oder sechs Gängen (82 / 109 Euro). Selbstverständlich sind auch einzelne Gänge hieraus à la Carte zu bestellen, denn hier darf jeder so wählen, wie es ihm oder ihr gefällt.

Für mich klingt heute das Menü so verlockend, dass es das für uns sein soll. Und wie immer beginnt es mit zwei Löffelhappen, einem Tatar vom Lachs und einem cremigen Hummersalat – beides gut abgeschmeckt.

Das kräftige Brot von Gaues kommt stilecht in einer Papiertüte zusammen mit klassischem Gänseschmalz.

Brot vom Gaues / Gänseschmalz
Brot vom Gaues / Gänseschmalz

Für einen Stammgast, der vor einigen Tagen im Restaurant  seinen Geburtstag feierte, so erzählt uns Sascha Stemberg, hatte man auf dessen Wunsch eine richtige Ochsenschwanz-Consommé hergestellt. Um sie so konzentriert und klar hinzubekommen, bedarf es viel Zeit und ausgezeichneten Handwerks. Zeit, die sich heutzutage kaum noch jemand nimmt und Handwerk, das kaum noch jemand beherrscht. Wir kommen in den Genuss eines Glases dieser wunderbaren Essenz, die geschmacksintensiv lange am Gaumen hängenbleibt.

Dazu gibt es noch ein aufgeschäumtes Blumenkohlsüppchen, das mit Madras-Curry eine feine asiatische Note bekommt.

Und als letzten Gruß gibt es noch einen Miniflammkuchen mit zwei Jahre gereiftem Schinken.

Im ersten Gang des Menüs trifft ein cremig angemachter Salat vom Taschenkrebs auf ein Espuma mit pikanter Jalapeno-Schärfe, Salat, Apfel, Cremes und vor allem einen aromatisch- intensiven, schaumigen Sud mit Thaiaromen, durch den ein Hauch Koriander schimmert. Ein Knusperblatt mit prägnantem Eigengeschmack ergänzt das abwechslungsreiche Ensemble. Ein toller Start!

Salat vom Taschenkrebs mit Avocado, Grüner Apfel, Staudensellerie, Jalapeno & Taschenkrebssud Thai Style
Salat vom Taschenkrebs mit Avocado, Grüner Apfel, Staudensellerie, Jalapeno & Taschenkrebssud Thai Style

Das nächste Gericht erinnert mich an eines, das wir bereits vor fünf Jahren hier hatten und das es seinerzeit in meine Jahres Top 10 schaffte. Damals war es Kabeljau mit Bärlauchgraupen und geschmelztem Kalbskopf. Heute ist es ein exzellent gebratenes Filet vom Heilbutt, erneut auf cremigen Graupen und einem Ragout von der Kalbszunge. Als wäre das alleine nicht schon köstlich genug, fügt aufgeschäumter Rauchaalsud eine zusätzliche Ebene und Tiefe ein. Klingt rustikal und deftig, ist aber ausgesprochen fein abgestimmt und höchst elegant. Von mir aus müsste es nicht noch mal fünf Jahre dauern, bis ich eine vergleichbare Kombination hier auf den Teller bekomme. Das hat einfach Klasse.

Tranche vom weißen Heilbutt in brauner Butter gebraten, cremige Schnittlauchgraupen, feine Kalbszunge & Rauchaalsud
Tranche vom weißen Heilbutt in brauner Butter gebraten, cremige Schnittlauchgraupen, feine Kalbszunge & Rauchaalsud

Als großer Fan von Zwiebeln freue ich mich auch auf den nächsten Gang. Die italienischen Tropea Zwiebeln gehören neben ihren französischen Roscoff-Schwestern zu den feinsten ihrer Gattung. Sascha Stemberg bereitet sie relativ knackig und bissfest zu und kombiniert sie mit frittiertem Grünkohl, Café de Paris-Sauce und reichlich Trüffel. Das gibt einen schönen erdigen Grundton und ist von einer einnehmenden Süffigkeit.

Tropea Zwiebel & Topinambur, Sauce Café de Paris, Périgord Trüffel & knuspriger Grünkohl
Tropea Zwiebel & Topinambur, Sauce Café de Paris, Périgord Trüffel & knuspriger Grünkohl

Nach einigen Jahren, in denen wir zwar nicht häufig, aber doch regelmäßig bei den Stembergs einkehren, habe ich diesmal endlich das Glück, im Hauptgang Taube genießen zu dürfen, bekanntlich mein liebstes Fleisch. Und auch dieser Teller enttäuscht nicht. Die Taubenbrust perfekt gebraten mit einer Kürbiscreme und einer Gänseleberjus auf sehr klassischer Grundlage und mit schönem Glanz. Ein Quittengel setzt feine Säure- und Fruchtakzente und ist genau zurückhaltend bemessen.

Ein knusprig gebratenes Sandwich mit Blutwurstfüllung liefert noch eine rustikal-edle Ergänzung zu diesem sehr gelungenen Hauptgang.

Taubenbrüstchen aus der Vendée, Quitte, Kürbiscreme, Blutwurstsandwich & Gänseleberjus mit Quatre Épices
Taubenbrüstchen aus der Vendée, Quitte, Kürbiscreme, Blutwurstsandwich & Gänseleberjus mit Quatre Épices

Mit einer Käseauswahl vom Erlanger Vorzeige-Affineur Waltmann, die man in dieser Vielfalt nicht allzu häufig in deutschen Restaurants findet, leistet man sich einen leider ziemlich aus der Mode gekommenen Luxus. Zu kostspielig und aufwändig ist die Pflege eines gut sortierten Käsewagens. Umso mehr genießen wir, dass es hier noch möglich ist und es auch viele Sorten gibt, die man nicht jeden Tag auf den Teller bekommt.

Käse von Maître Affineur Waltmann aus Erlangen
Käse von Maître Affineur Waltmann aus Erlangen

Das Dessert kommt in zwei Teilen, wobei auf dem ersten Teller karamellisierte weiße Schokolade als etwas feste Mousse mit Rote Bete in Texturen kombiniert wird. Dabei ist die Bete fern von jeglicher Erdigkeit und passt zusammen mit dem Kürbiskernknusper als Ergänzung sehr gut.

Der zweite Teller ist insgesamt etwas frisch-säuerlicher angelegt mit Mandarine als Schaum und Cassissorbet. Alles zusammen ist äußerst abwechslungsreich und einfach lecker.

Dass es damit aber auch noch nicht getan ist, dürfte klar sein. Als Petit Four gibt es noch ein in Schokolade getauchtes Törtchen mit Kalamansi auf einem Sablé sowie im Glas eine Schokoladenganache mit Streusel und Sellerieespuma.

Beides ist kreativ, klasse gemacht – und köstlich.

Zum Kaffee dann noch einen Minikuchen und dann ist endgültig kein Platz mehr.

Petit Fours
Petit Fours

Was für ein Mittagessen! Gut gegessen haben wir bei Sascha Stemberg schon immer, aber heute war es auf einem durchgehend beeindruckenden Niveau, bei dem ich wirklich alle Gänge ausgezeichnet fand. Die Teller sind klug komponiert, zwar komplex, aber nicht überladen und mit klaren Geschmacksbildern. In dieser Form war das ganz, ganz stark.

Dass wir uns hier immer so wohl fühlen, hat auch mit dem familiären Charakter zu tun, der durch das ganze Haus weht. Und das wiederum hat damit zu tun, dass man hier viel Wert auf Kontinuität gelegt wird. Viele Mitarbeiter sind schon jahrelang dabei und Herzlichkeit gehört sowieso zur DNA im „Haus Stemberg“. Walter Stemberg ist überall präsent, sorgt sich mit gewohntem Charme nicht nur um unseren Tisch und bereitet uns mit dem gesamten Team einen kurzweiligen Mittag.

So gestärkt und unterhalten machen wir uns auf den Heimweg nach Hannover. Und auf einmal kam uns die Fahrt gar nicht mehr so lang vor.

Details

Restaurant: Haus Stemberg
Adresse: Kuhlendahler Straße 295, 42553 Velbert-Neviges
Öffnungszeiten: Montag - Mittwoch: 17.30 - 23.00 Uhr
Samstag + Sonntag: 12.00 - 15.00 Uhr und 18.00 - 23.00 Uhr
Donnerstag + Freitag: Ruhetag
Website: www.haus-stemberg.de

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Kommentare

  1. Peter Kühne am 10. April, 2022 um 16:54 Uhr.

    Ein wunderbarer Bericht und wieder weiß ich, warum ich hier schon seit 10 Jahren hin will. Alleine die Consommé spricht Bände, bestes nachvollziehbare Handwerk und entsprechende Produkte, so geht gehobenes Wirtshaus.

  2. Carsten am 11. April, 2022 um 9:07 Uhr.

    Kann mich Peter nur anschließen! Bleibt ein Ziel, liegt leider immer etwas zu weit abseits meiner Wege!

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