Inter Scaldes, Kruiningen
Am 31. März 2018 in Niederlande | 2870 Aufrufe
Wenn man 17 Jahre lang zwei Michelin-Sterne hielt, rechnet man dann damit, doch irgendwann noch vom Guide aller Guides mit den höchsten Weihen ausgezeichnet zu werden? Vermutlich nicht. Aber genau das ist hier, in Zeeland, einem der südlichsten Zipfel der Niederlande, Jannis Brevet und seiner Frau Claudia in der aktuellen Ausgabe des Michelin passiert. Ihr Restaurant „Inter Scaldes“, das Teil eines sehr komfortablen Relais & Châteaux Hotels ist, gehört nun ebenfalls zum exklusiven Kreis der aktuell 130 Restaurants mit der höchsten Bewertung.
Grund genug für einen Besuch, der sich zu Ostern noch relativ kurzfristig ergeben hatte.
Nach einem ausgiebigen Spaziergang auf dem Deich und einer kleinen Erkundung des mit moderner Kunst geschmackvoll ausgestatteten Hauses freuen wir uns auf das Abendessen im Hauptgebäude, wobei das Restaurant in einem Wintergarten ähnlichen Raum untergebracht ist, von dem aus man Blick auf den kleinen, aber gut gepflegten Garten hat.
Empfang und Service sind ausgesprochen freundlich. Ich bin überrascht, wie viele Mitarbeiter hier deutsch sprechen, was uns eine deutliche Erleichterung ist. Französischen Gästen am Nebentisch wird ebenfalls Betreuung in ihrer Muttersprache zuteil. Diese Zuwendung zum Gast und eine gesunde Mischung aus Förmlichkeit und locker, entspanntem Auftritt lassen uns von Anfang an sehr wohl fühlen.
Die ersten Snacks zum Apéritif kommen. Eine Gänseleberpraline mit Pistazien kommt erstaunlich leicht daher. Das mag an dem Hauch Litschi liegen, der durchschimmert oder an der Tatsache, dass es sich wohl um eine ungestopfte Leber handelt. Zumindest lässt der Zusatz „bio“ in der Karte das annehmen.
Ein hauchdünnes Parmesanröllchen mit Avocadofüllung ist fein gearbeitet und köstlich, wie auch eine Rote Bete Mousse mit Ananas, die mit etwas Rosenöl jegliche erdige Rustikalität verliert.
Nicht ganz so überzeugend finde ich das eigentliche Amuse Bouche, eine Ziegenkäsepraline, die mit Aprikose überzogen ist, dazu einen Chip, der auch nach Aprikose schmeckt und eine Art Brotcreme. Das wirkt insgesamt etwas kompakt und nicht so elegant wie die ersten Grüße.
Das Menü startet mit einem optischen Hingucker. Holländischer Gold Ana Kaviar ist mit einer Kokos- und Avocadomasse kombiniert. Das ist alles recht mild abgeschmeckt und fast langweilig, wenn nicht ein dünner Hühnerchip Textur und vor allem einen ordentlichen Schwung Geschmack in das Gericht bringen würde. Gerade noch mal die Kurve gekriegt.
Mit einem ebenfalls recht milden, aber durchaus spannenderen Gang geht es weiter. Rohe Jakobsmuscheln ausgezeichneter Qualität sind als eine Art Carpaccio auf einem Bett von etwas Panna Cotta-ähnlichem angerichtet. Ich frage mehrmals nach, weil ich es doch nicht recht verstehe, aber offensichtlich handelt es sich hierbei um so etwas wie die erste Milch. Von welchem Tier und was das Besondere daran ist, wird nicht klar. Geschmacklich macht sich das für mich jedenfalls nicht bemerkbar. Dafür ist die Currycreme sehr fein und bei den roten Tupfen könnte es sich um Brombeere handeln. Insgesamt sehr gut.
Auf drei Tellern wird die Entenstopfleber, ebenfalls als bio deklariert, präsentiert. Unter einem Parmesanschaum findet sich die Leber als Royale gestockt und mit warmer Portweinsauce. Alleine diese Version ist wunderbar old school und gleichzeitig doch modern. Die separat dazu servierte Terrine mit einer dünn eingearbeiteten Schokoladenschicht, Apfelkompott und Topinamburcreme ist sehr klassisch gearbeitet. Das à part dazu gereichte warme Rhabarberkompott ist mir ein wenig zu süß, aber in Summe ist hier in allen Komponenten tadelloses Handwerk zu erkennen.
Ganz hervorragend dann das stattliche Stück perfekt gegarter Rotzunge mit Karotten und dem in letzter Zeit vermehrt auf Speisekarten zu findenden Mönchsbart. Dieses Wegerichgewächs zeichnet sich durch einen typischen Meeres- und Salzgeschmack aus. Er ergänzt ausgezeichnet den mit einer Daidai Ponzu gewürzten Fisch. Eine Sauce Crémière fügt das alles auf angenehm füllige Art zusammen.
Mit der erneut makellos zubereiteten Rotbarbe schaltet die Küche einen Gang zurück. Morcheln, Erbsen und eine cremige Zitrussauce fügen sich zwar gut zusammen, bleiben aber in Summe doch zu zurückhaltend. Zudem wirkt alles etwas salzarm und wenig pointiert. Ich fürchte, das nennt man Jammern auf hohem Niveau.
Jannis Brevet weiß aber, wie er durch eine entsprechende Präsentation die Aufmerksamkeit der Gäste schnell wieder einfängt. Das Lammfilet, das für mich eher ein Stück aus dem Rücken zu sein scheint, hat eine schöne Kräuterauflage, die üppigen Geschmack ans Fleisch bringt. Die vier Pürees aus Fenchel, Strandflieder, Thymian und spanischer Paprika haben mehr optischen als geschmacklichen Charakter für mich. Dafür gefällt mir die zwar milde, aber geschmacksintensive Jus sehr gut und noch mehr die fabelhaften Pommes Soufflées, die als Hommage an den titelgebenden Künstler Alexander Calder gestapelt sind.
In der Art einer Panna Cotta gearbeitet ist die Mascarponecreme, die eine deutliche Zitrusnote erhält durch die Verwendung von Zitronatzitrone. Deutlich vordergründiger ist jedoch die dunkle Schicht, in der wohl Kaffee eingearbeitet ist. Zusammen mit dem knusprigen Röllchen ergibt sich so ein leicht herber Grundakkord.
Beim abschließenden Dessert nimmt die Küche noch einmal die Optik des Hauptgangs auf und erneut finden sich vier farblich kontrastierende Sauce neben dem eigentlichen Hauptdarsteller, einem Riegel aus Ocoa Schokolade, in die meiner Meinung nach etwas Banane eingearbeitet ist. Den in der Karte angekündigten Champagner erwarte ich im Eis. Aber dafür ist es mir zu süß und nicht eindeutig genug. Aus einer anderen Kritik entnehme ich, dass es sich auch um Curry gehandelt haben könnte. Mangels Ansage will ich auch das nicht ausschließen, aber es macht deutlich, dass die einzelnen Komponenten für meinen Geschmack pointierter hätten herausgearbeitet werden. Das gilt nicht für den handwerklich einwandfreien Schokoladenriegel, wohl aber für die erneut mehr optisch beeindruckenden Saucen und das Eis. Trotzdem aber ein schönes Dessert.
Mit einer exzellenten Auswahl an Petits Fours geht das Menü zuende. Macarons (Basilikum-Joghurt, Himbeer-Veilchen, Mango), Schokoladentrüffel, Lavendel-Marshmallow, Salzkaramell und Nougat, Tiramisu, Pistazienkuchen, ein Passionsfruchttartelette sowie ein Haselnuss-Praliné sind durch die Bank hervorragend gearbeitet, bringen uns aber auch an die Grenzen. Zumindest den Karamell und Nougat lassen wir uns einpacken, wobei Claudia Brevet noch großzügig dazulegt.
Im „Inter Scaldes“ werden die Werte von „Relais & Châteaux“ aufs Vorbildlichste gelebt. Die Hotelzimmer haben Charakter und Stil, der Service ist makellos und ganz auf herzliche Gastfreundschaft ausgerichtet. Gekrönt wird das Ganze von einer Küche, die viel Souveränität ausstrahlt und auf angenehme Weise traditionell, aber nicht angestaubt wirkt.
Auch wenn mir manche Gerichte fast ein wenig zu mild und nicht pointiert erschienen, war die Gesamtleistung über den ganzen Abend hinweg doch auf so einem hohen Niveau, dass die drei Sterne durchaus vertretbar sind. Aber ob es nun zwei oder drei Sterne sind, ist eigentlich zweitrangig, wenn man sich in diesem Haus von der Ankunft bis zur Abreise so wohl fühlt wie hier.
Details
Restaurant: | Inter Scaldes |
Adresse: | Zandweg 2, 4416 NA Kruiningen |
Öffnungszeiten: | Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Sonntag mittags und abends Samstag abends Montag und Dienstag Ruhetag |
Website: | www.http://interscaldes.nl |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Fine Dining, französisch, Gourmet, Inter Scaldes, Jannis Brevet, moderne Klassik, Zeeland
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