JAN, München
Am 26. Januar 2023 in Deutschland | 2628 Aufrufe | 1 Kommentar
Wie viele andere, habe ich auf diese Neueröffnung mit großer Spannung gewartet. Was Jan Hartwig in kürzester Zeit im „Atelier“ abgeliefert hatte und ihm im Rekordtempo drei Michelinsterne einbrachte, war durchweg und konstant begeisternd.
Das Pop Up-Intermezzo in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg haben wir nicht besuchen können. Umso neugieriger waren wir, wie sich seine Küche nun im eigenen Restaurant präsentiert.
Das zeigt sich von außen unauffällig und im Inneren schlicht elegant, teilweise mit Blick in die offene Küche und den Pass.
Mittags wie abends wird ein Menü (295€) serviert, das um einige à la Carte-Gänge erweitert werden kann, die eher der klassischen Kategorie zuzuordnen sind.
Die von Sommelier Jochen Benz kuratierte Weinkarte soll monatlich wechseln und konzentriert sich vor allem auf trinkreife Weine. Daneben gibt es noch eine Raritätenkarte, die dann auch preislich anspruchsvoller gestaltet ist.
Statt der Weinbegleitung entscheiden wir uns für Flaschen aus der Karte und finden dank Jochen Benz‘ Fachkenntnis und Begeisterungsfähigkeit mit einer ganz fabelhaften Chardonnay Reserve vom Weingut Aldinger aus Württemberg und einem Syrah von Fritz Waßmer aus Baden Weine, die genau unsere Präferenz treffen.
Währenddessen erreicht uns auch mit der Foie Gras-Tartelette der erste Snack. Die Creme ist von luftig-leichter Konsistenz, zu dem Krokant-Kapern und Pekannuss ein komplexes Texturspiel beisteuern. Ein starker, eleganter und geschmacksintensiver Auftakt, den ich mir auch in größerer Version vorstellen könnte.
Mediterraner wird es mit dem Buchweizen-Körbchen und einer Creme von Feta, Anchovis und Zucchini. Etwas sehr fein dosiertes Pfefferminzöl setzt den entscheidenden Kick.
Der abschließende Snack ist so filigran und detailreich gearbeitet, dass man eine ruhige Hand mitbringen sollte, um den Baiser unfallfrei in den Mund zu befördern. Geschmacklich bleiben neben der Karottenmousse vor allem etwas Pecorinocreme und der Hühnerhautchip präsent. Im Vergleich zu den beiden ersten Fingerfood-Happen ist das zwar etwas zurückhaltender, aber ebenfalls sehr gut ausbalanciert.
Bildhübsch präsentiert sich das Amuse Bouche mit blütenformig ausgestochenem Kohlrabi und Rettich auf einem Kalbstatar mit Parmesancreme. Das ist sehr fein austariert und auch die kleine Zwiebel ist pointiert eingesetzt und dürfte nicht fehlen. Die Proportionen der einzelnen Komponenten sind perfekt getroffen. Für mich spielt das auf der leisen Klaviatur, was definitiv kein Nachteil ist.
Das Menü startet dann mit einem Gang, den Jan Hartwig auch bereits im Pop Up auf der Karte hatte und der durchaus das Zeug zu einem Klassiker haben könnte. Der Chawanmushi funktioniert naturgemäß prächtig mit dem milden N25 Kaviar. Die rehydrierten Rum-Rosinen sorgen für dezente Süße, aber bevor alles zu weich und gefällig wird, bringen die gerösteten Haselnüsse die nötige Abwechslung. Ein ganz wunderbarer Aromenakkord.
Die folgende Forelle ist relativ pur belassen und nur leicht unter dem Salamander, aber punktgenau mit glasigem Kern gegart. Der Molkesud mit Linsen und Forellenkaviar, die beide angenehmen Biss geben, weist eine schöne Cremigkeit, aber auch eine feine Säure auf. Mit der dünnen Champignonscheibe erneut ein eher leises, elegantes Gericht.
An dieser Stelle wird das hausgebackene Roggensauerteigbrot mit guter Salzbutter aus der Normandie serviert, die man sich über einen Mittelsmann besorgt, weil sie nur auf einem örtlichen Wochenmarkt verkauft wird. Dazu gibt es noch einen Steckrübenfrischkäse mit Liebstöckelöl, Schnittlauch und allerfeinsten Speckwürfelchen.
Mit der Felsenrotbarbe im Joghurtmantel hat Jan Hartwig einen veritablen Hinguckergang geschaffen. Der knapp glasig gegarte Fisch ist mit Joghurt und Streifen von schwarzem Knoblauch und Plankton überzogen. Beides ist für mich nicht dezidiert schmeckbar, was aber nicht ins Gewicht fällt, denn das dominierende Element ist hier die Piment d’Espelette-Sauce. Sie ist aromenstark, aber nicht von plumper Schärfe, sondern mit Tiefe, die als Kontrast zum ansonsten recht pur belassenen Fisch wunderbar funktioniert. Der Couscous, auf dem die Rotbarbe gebettet ist, ist eine feine texturelle Ergänzung. Aber ansonsten ist die strikte Fokussierung auf die beiden Hauptelemente klug gewählt und überzeugend.
Das ausgebackene Kalbsbries ist genau so, wie es sein muss: außen knusprig, was durch den Knuspermantel noch unterstützt wird und innen weich. Zusammen mit dem Petersilienwurzelpüree ist das für sich genommen schon fabelhaft, aber zusammen mit der aus Forelle und Aal gezogenen Rauchfischbrühe schlicht hinreißend. Hier greifen starke Aromen perfekt ineinander und machen dies für mich zum stärksten Gang des Menüs. Schon jetzt ein Kandidat für die Jahres-Best-Of-Liste.
Im Hauptgang setzt Jan Hartwig ein Produkt in den Mittelpunkt, das man eher selten an dieser Stelle im Fine Dining-Bereich findet. Allerdings hebt er den Schwäbisch-Hällischen Spanferkelrücken mit gebratener Entenleber, einem Rote Bete-Nudelblatt, das auch sehr deutlich danach schmeckt und Trüffel in so elegante Sphären, dass man es auch für eine sehr moderne „Rossini“-Version halten könnte. Unterstrichen wird das durch das exzellente La Ratte-Kartoffelpüree und die Trüffeljus. Ein Gang, der opulent und dennoch nicht zu überbordend ist. Kräftig, aber gut ausgewogen von den Proportionen.
Für den Käse vertraut Hartwig auf die Affineure von Jamei Laibspeis in Kempten, die bevorzugt Käse von Bergbauern aus der Region veredeln. Hier kommt mit der „Ureiche“ ein 24 Monate gereifter Bergkäse zum Einsatz, der fein gehobelt auf Chicoree-/Staudenselleriesalat mit einer Rote Bete-/Himbeervinaigrette wird. Brotstücke und eine Creme von gerösteten Zwiebeln runden den Gang ab, der gekonnt die feinen Bitternoten integriert und unter der zunächst unscheinbar wirkenden Oberfläche eine größere Komplexität preisgibt, als man vermuten mag.
Den süßen Abschluss des Menüs setzt eine federleichte ummantelte Schokoladenmousse auf Passionsfruchtsud. Ich bin kein großer Freund von Banane im Dessert, weil mir der Geschmack oft etwas plump erscheint. Hier ist dies überhaupt nicht der Fall. Das Sorbet ist sehr leicht und erscheint wie nur dezent parfümiert. Der Aromenakkord von Schokolade und exotischer Frucht ist klassisch und ebenso ist auch die Ausführung. Sicher keine hyperkreative Neuerfindung, aber sehr gut gemacht.
Nicht nur hübsch, sondern auch geschmackvoll gearbeitet sind die Petits Fours in Form von Profiterole mit Karamell-Kekscreme und Haselnuss, einer Tartelette als Tarte Tatin-Interpretation, einem Zitronensandwich und Mohn-Madeleines. Auch sehr gut sind die Pralinen, von denen wir Mango-Lassi, Pistazie und Salzkaramell probieren.
Das „JAN“ läuft nach wenigen Monaten bereits ungemein eingespielt und hoch professionell. Mit Kilian Skalet als Restaurantleiter, der bereits über langjährige Erfahrungen in diversen Althoff-Häusern, darunter der „Überfahrt“ in Rottach-Egern verfügt und dem bereits aus „Atelier“-Zeiten vertrauten Jochen Benz, ist hier ein Duo im Einsatz, dem ein Service-Team zur Seite steht, das dem hohen Anspruch souverän und charmant gerecht wird. Vor allem das Wiedersehen mit Jochen Benz und die Interaktion mit ihm macht viel Freude.
Jan Hartwigs Küche ist wie gewohnt souverän, aber im Vergleich zu den letzten Menüs, die wir aus dem „Atelier“ in Erinnerung haben, hat er ein wenig den Dampf rausgenommen. Ging er früher von Anfang an ziemlich auf Vollgas und waren nahezu alle Gänge aromatisch voll auf die Zwölf, ist vieles jetzt doch, wenn man so will, leiser. Ich mochte auch den Haudrauf-Stil, weil er mutiger war, als das Meiste, das ich von seinen Kollegen kannte. Ob es dem Alter oder einer größeren Gelassenheit zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu sagen. Aber der Menüaufbau lässt dem Gast jetzt mehr Zeit und Luft, sich auf die Gänge einzulassen.
Dass das „JAN“ in einer Stadt wie München, in der sich derzeit gastronomisch vermutlich mehr Spannendes tut als in jeder anderen Stadt des Landes, den Anspruch hat, von vorneherein in der Spitze mitzuspielen, war zu erwarten. Diese Erwartung haben Jan Hartwig und sein Team aus dem Stand sehr souverän erfüllt.
Details
Restaurant: | JAN |
Adresse: | Luisenstraße 27, 80333 München |
Öffnungszeiten: | Dienstag: Abend Mittwoch - Freitag: Mittag/Abend Samstag - Montag: Ruhetag Reservierungszeiten 12.00 – 12.30 Uhr 19.00 – 19.30 Uhr |
Website: | www.jan-hartwig.com/ |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Fine Dining, JAN, Jan Hartwig, Jochen Benz, kreativ, München
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Kompliment,sehr schön Fachlich und Sinnlich geschrieben.Ja er ist der Leuchturm in München!