Jante, Hannover

Dass Hannover in der bundesweiten kulinarischen Welt seit einiger Zeit wieder wahrgenommen wird, hat sehr maßgeblich mit dem „Jante“ von Tony Hohlfeld und Mona Schrader zu tun. Sie haben nach vielen Jahren der Entbehrung wieder einen Stern in die Landeshauptstadt geholt und mit dem Nordic Chic des Restaurants auch ein Interieur geschaffen, das durchaus Food-Magazin tauglich daher kommt.

Interieur
Interieur

Wann hatte es das zuletzt gegeben, dass über meine Heimatstadt nicht nur berichtet wurde, wenn es mal wieder um eine neue Ehefrau eines Ex-Kanzlers oder die Ex-, dann Wieder- und letztlich doch wieder Ex-Frau eines Ex-Bundespräsidenten ging, sondern um Gastronomisches? Ja, in der näheren Umgebung hätte es durchaus Berichtenswertes gegeben, aber heute geht es ausnahmsweise mal nur um Hannover.

Da strahlt also seit einiger Zeit endlich wieder ein Stern in der Stadt und doch hat es gute drei Jahre seit unserem letzten Besuch gedauert, bis wir wieder den Weg hierher gefunden haben. Warum das so ist, lässt sich eigentlich nicht wirklich befriedigend erklären, denn unser Essen seinerzeit war ja nicht schlecht. Nur wirkte vieles auf mich bemüht kreativ und traf auch nicht immer meinen Geschmack. Der Anspruch und Aufwand war deutlich erkennbar, aber irgendwie blieb an jenem Abend für mich das Etikett „anstrengend“ hängen. Auch Gespräche mit Freunden in der Zwischenzeit schienen diesen Eindruck weiterhin zu bestätigen. Wann immer wir in Hannover essen gehen wollten, war das „Jante“ dann eben nicht im Fokus. Trotz Stern. Trotz großer medialer Beachtung.

Und dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich denkt, dass man dieses Etikett doch endlich mal überprüfen muss. Weil es doch nicht sein kann, dass man immer noch an einem Eindruck festhält, der so lange her ist, während sich zwischenzeitlich die Welt, auch die kulinarische, heftig weiter gedreht hat.

Jetzt sind wir also wieder hier. Am Interieur hat sich nichts geändert. Das verströmt mit seiner nordisch edlen Anmutung auch weiterhin Gemütlichkeit. Allerdings gibt es nur noch ein Menü in sieben Gängen (99,– Euro).
Und das startet mit einigen Grüßen. Ein super knuspriges Kartoffelnest mit Kerbelcreme und Elementen von eingelegter Zwiebel und Radieschen wirkt so fragil, als würde es beim ersten Bissen in seine Bestandteile zerbröseln. Zu meiner größten Verwunderung passiert aber genau das nicht. Das ist nicht nur hübsch präsentiert, sondern ein schöner, leicht fettiger Snack mit einer angenehmen Cremigkeit.

Amuse Bouche: Kartoffelnest, Zwiebel, Radieschen
Amuse Bouche: Kartoffelnest, Zwiebel, Radieschen

Als nächstes folgt ein Langos, ein ursprünglich vor allem in Ungarn beliebtes Gebäck, hier in der Edelversion mit einer Spinat-/Trüffelfüllung. Darauf ein Steinpilzpulver. Das ist füllig, erdig, elegant und köstlich.

Langos, Spinat-/Trüffelfüllung, Steinpilz
Langos, Spinat-/Trüffelfüllung, Steinpilz

Nicht ganz so überzeugend finde ich den abschließenden Gruß in Form von Erbsensalat mit eingelegten Spargelspitzen und einem Spargelschaum, der mir aber zu sehr von Limonenkresse dominiert ist. Auch die Erbsen, mein erklärtes Lieblingsgemüse, gehen in dem Allerlei etwas unter.

Erbsensalat, Spargel
Erbsensalat, Spargel

Frisch gebackenes Sauerteigbrot und aufgeschlagene Butter folgen. Beides ist gut.

Sauerteigbrot, Butter
Sauerteigbrot, Butter

Das Menü startet mit blütenförmig arrangiertem, eingelegtem Rettich und einer Peperonicreme, die eine leichte Schärfe beisteuert sowie Saiblingskaviar. Angegossen wird ein warmer Rauchfischfond, der zwar deutlich schmeckbar ist, aber nicht dominiert. Vielmehr puffert er die Schärfe etwas ab und hat damit eine eher unterstützende Wirkung. Mir gefällt das sehr gut. Nur die hauchdünnen Gebäckstangen, die zwar optisch wirkungsvoll eingesetzt werden, finde ich geschmacklich entbehrlich. Aber man muss sie ja auch nicht mitessen.

Rettich, Rauchfisch, Saiblingskaviar, Peperoni
Rettich, Rauchfisch, Saiblingskaviar, Peperoni

Mit hauchdünn aufgeschnittenem Kohlrabi auf einer Eigelbcreme geht es weiter. Diverse Kräuter , darunter auch frittierter Liebstöckel, bringen grüne, frische Noten in das Gericht, das seine Süffigkeit aber vor allem der angegossenen Specksauce verdankt. Separat dazu gibt es zum Dippen ein dänisches Gebäck, das ebenfalls mit Speck abgeschmeckt ist. Das Gericht weist schöne Texturen auf und ist überhaupt sehr elegant angelegt. Originell finde ich es dazu.

Der folgende Kabeljau ist confiert, abgeflämmt und genau auf den Punkt gegart. Als Beilage gibt es ein Salatbündel mit einer Krustentiermayonnaise und gebackenen Tapiokaperlen, die für Textur sorgen und die eine angenehme Würze beisteuern.
Gewöhnungsbedürftig finde ich die aus Salatsaft gezogene und mit Paprika abgeschmeckte Sauce. Mir ist das zu herb säuerlich und irgendwie nicht zu der ansonsten guten Kombination passend. Aber am Tisch gehen zur Sauce die Meinungen auseinander.

Kabeljau, Krustentier, Salat
Kabeljau, Krustentier, Salat

Mit einem Rindertatar geht es weiter, das aber als solches gar nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Das Fleisch ist von einer Sauerkirschmatte bedeckt, braune Butter wurde geeist und in dünnen Platten darüber gebrochen, die bei Raumtemperatur schnell aufweichen. Gepuffter Buchweizen liefert Crunch und Fichtenspitzen, die normalerweise nicht mein Ding sind, sind hier nur als mildes Würzmittel eingesetzt. Das alles führt zu einem sehr eigenen und eigenwilligen Geschmacksakkord, der aber sehr spannend ist. Ich muss zugeben, dass dies eines der eigenständigsten Tatargerichte ist, an die ich mich erinnern kann.

Rind, Tatar, Fichte, Sauerkirsche
Rind, Tatar, Fichte, Sauerkirsche

Im Hauptgang gibt es eine sous-vide gegarte Lammhuft, die an einer Seite schön nachgekrustet wurde. Von Roter Oxalis bedeckt ist eine in Kamille gegarte Karotte, in die mit einem Spezialbohrer eine Öffnung eingebracht wurde, die nun mit einer Mayonnaise auf Basis von Lammfett gefüllt ist. Ebenfalls aus Lammfett wurde auch der knusprige Mantel der Karotte zubereitet. So verspielt das klingt, so gut geht das auf, auch im Zusammenspiel mit der Karottenjus sowie der sehr klassisch gearbeiteten Fleischjus.

Lamm, Karotte, Haselnuss, Kamille
Lamm, Karotte, Haselnuss, Kamille

Mit einer gelungenen Kombination zwischen vegetabil und süß leitet die Küche über zum Dessert. Auf einer sehr schaumigen, mit Flieder aromatisierten Milchcreme sind ebenfalls in Flieder marinierter Kopfsalat sowie in Butter gebackene Topinamburchips verteilt, ebenso Eis vom Kopfsalat, das in Flecken auf dem Schaum verteilt ist. Nach meinem Eindruck ergibt sich dadurch eine bessere Verteilung der Temperaturkontraste. Auch dieser Gang ist originell und eigenständig.

Kopfsalat, Topinambur, Milch
Kopfsalat, Topinambur, Milch

Das finale Dessert erscheint sehr reduziert, entpuppt sich allerdings als erstaunlich vielschichtig. Pfirsicheis ist mit weißer Schokolade ummantelt, mit Mohncreme versehen und auf einer aus Kondensmilch gezogenen Toffeecreme platziert. Der angegossene Sud von Radicchio ist relativ dezent und eher süß eingekocht, so dass der Dessertcharakter eindeutig beibehalten bleibt. Das ist sehr gut.

Pfirsich, Radicchio, Mohn
Pfirsich, Radicchio, Mohn

Anstelle von klassischen Petits Fours gibt es im „Jante“ ein Nach-Dessert, hier in Form von frisch gebackenen, ganz ausgezeichneten, Mini-Buchteln auf Beerensauce. Als bekennender Buchtelfan konnte ich mich nicht zügeln und war zu voreilig, um die Cocotte noch in voller Pracht abzulichten. Das sagt vermutlich schon alles darüber aus, wie es mir geschmeckt hat.

Post-Dessert: Minibuchteln, Beerensauce
Post-Dessert: Minibuchteln, Beerensauce

Drei Jahre sind seit unserem letzten Besuch vergangen. Drei Jahre, in denen sich die Küche im „Jante“ nach meinem Eindruck in der Tat weiter entwickelt hat. Ja, es wird immer noch ausführlich erklärt, was man alles wie zubereitet hat und dahinter ist wie bei unserem ersten Besuch ein hoher Aufwand erkennbar. Aber es wirkte diesmal alles deutlich konzentrierter und fokussierter, wenn man so will, auch aufgeräumter. Die Teller wirken nicht mehr überladen, sondern auf angenehme Art ästhetischer.

Doch nicht nur das hat uns überzeugt, sondern auch die Tatsache, dass die Gänge durchgehend ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Originalität aufweisen. Bis auf die Sauce beim Kabeljau, die mich etwas irritierte, war überwiegend ein süffiges Geschmacksbild vorherrschend. Und das macht vielleicht den Unterschied zu unserem Menü beim letzten Besuch aus. Dieses Mal wirkte es für mich deutlich leichter zugänglich und befreit von ideologischer Schwere.

Tony Hohlfeld und Mona Schrader waren an diesem Abend nicht im Haus. Das Team von Köchen, die jeden Gang servierten und erläuterten, und der Service haben das aber mit Professionalität locker wettgemacht und nichts vermissen lassen.

So machen wir uns bei sommerlichem Wetter auf den Weg nach Hause, werfen noch einen Blick auf den stilvoll eingerichteten Garten, in dem es sich auch bei schönem Wetter sicher gut aushalten lässt und sinnieren über den Abend, der uns gut gefallen hat. Und es ist klar, dass es nicht noch mal drei Jahre dauern wird, bis wir wieder kommen. Das Etikett mit der Aufschrift „anstrengend“ habe ich gleich beim Verlassen des Restaurants weggeworfen.

Details

Restaurant: Jante
Adresse: Marienstraße 116, 30171 Hannover
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: 18.00 - 22.00 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.jante-restaurant.de

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Kommentare

  1. Gast im Haus am 15. November, 2019 um 12:41 Uhr.

    Hallo Thomas, ein gekonnter Bericht über ein Menu das allein schon einen Stern wegen seines ungesternten Preises verdient. Zugegeben kam mir bis zum Tartar die Frage auf, ob hier eine überlange Anreihung von Bouches serviert wurde – doch dann … also chapeau für Deinen Bericht und Jantes vor der Haustüre!

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