JIN, München

Wir lieben asiatische und hier vor allem chinesische Küche, zumal wenn letztere authentisch und nicht europäisch verwässert auf den Tisch kommt. Gerade in Köln haben wir hier einige Optionen, die uns viel Spaß machen. Vielleicht auch deswegen wäre das „JIN“ deswegen bei einem Besuch in München nicht unbedingt unsere erste Wahl gewesen.

Dabei wird das Restaurant am Altstadtring seit 2009 im Gault Millau geführt und seitdem verlässlich mit zwei Hauben und 16 Punkten bedacht.

Letztlich war es mal wieder eine Folge von „Kitchen Impossible“, die den Ausschlag für eine Buchung gab, denn wenn Tim Raue dies als eines seiner liebsten chinesischen Restaurants bezeichnet und deshalb Tim Mälzer und Lucki Maurer in der Weihnachtsausgabe in die bayerische Landeshauptstadt schickt, muss wohl doch etwas Besonderes dran sein.

Dass die beiden beim Nachkochen einer offenbar hinreißenden Fischsuppe und von Fried Rice allerdings kolossal scheiterten, lag aber weniger daran, dass die beiden ihr Handwerk nicht beherrschen und normalerweise bei so einer Aufgabe hätten besser performen müssen. Sie waren schlichtweg und nach eigenen Angaben „rotzevoll“, weil sie sich vorher aus der umfang- und kenntnisreichen Weinkarte eine Flasche nach der anderen gönnten und zum Schluss kaum noch geradeaus gucken konnten.

So wurde das „JIN“ also immer interessanter und war letztlich auch angesichts des restlichen Programms, das wir uns für München vorgenommen hatten, genau die richtige Wahl.

Die Speisekarte listet eine schöne Auswahl an À la Carte-Gerichten, die von kalten Vorspeisen über Suppen, Dim Sums, Fisch- und Fleischgängen bis zu Desserts reicht. Daneben gibt es zwei Überraschungsmenüs in fünf bzw. acht Gängen (85€ / 120€). Auf Nachfrage setzen sich diese zwar nur zum kleinen Teil aus den Standardgerichten zusammen, versprechen aber auf jeden Fall einen Querschnitt durch das Repertoire von Hao Jin, der auch gerne saisonale Zutaten mit einbindet und dessen Küche sich nicht unbedingt in eine der üblichen Schubladen packen lässt.

Wir entscheiden uns – natürlich – für die umfangreichere Menüversion.

Und die beginnt mit zwei Vorspeisen zum Teilen, bei denen der roh aufgeschnittene Fisch – Lachs, Loup de Mer und Thunfisch – auch gleich den Bogen Richtung Japan schlägt. Die leichte Sojamarinade und der Rettichsalat lassen dem Fisch genug Raum, um ihn nicht zu überlagern.

Den Kontrast dazu bildet das zarte Hühnerfleisch mit geröstetem Chili und Koriander. Auch, wenn man hier den Chili-Overkill erwarten möge, ist die Schärfe zwar präsent, aber nicht penetrant.

Eine der Aufgaben, an denen das Duo Mälzer/Maurer scheiterte, war eine Fischsuppe. Wenn ich es richtig erinnere, war jene üppiger, als die, die wir serviert bekommen. Diese wirkt deutlich puristischer mit dünnen, auf den Punkt gegarten Scheiben von Victoriabarsch in einem klaren Fond auf Basis von Loup de Mer. Angekündigt wird auch noch Sauerkraut, aber den können wir nicht ausmachen. Möglicherweise wurde er im Sud verarbeitet, der einen vielschichtigen Geschmack aufweist mit einer sich nach hinten langsam ausbreitenden Schärfe. Schön auch die Gojibeeren dazu, die ebenfalls eine herbe Spicyness beisteuern. Eine ausgezeichnete Suppe.

Fischsuppe mit Gojibeeren
Fischsuppe mit Gojibeeren

Es folgen Venus- und Miesmuscheln mit Ingwer-Lauch-Gemüse, erneut zum Teilen. Die Muscheln sind weich, seidig und auf den Punkt gegart. Der Sud dazu hat ordentlich Wumms, aber die Chilischärfe gestaltet sich differenzierter. Leider war der Appetit schneller als der Fotograf.

Eine feste Abteilung auf der Speisekarte nehmen Dim Sum ein. Im nächsten Gang folgen drei verschiedene Sorten davon, mit gebackenem Ei und Garnele, Kalbfleisch mit Spitzkohl und mit Iberico-Schwein und Staudensellerie. Sie kommen ganz pur, die Füllung jeweils grob zerkleinert, aber noch in den Bestandteilen erkennbar und auf einer Seite gebraten. Jede für sich sehr gut, aber abgesehen von der Ei-/Garnelen-Füllung nicht eklatant unterscheidbar.

Dreierlei Dim Sum
Dreierlei Dim Sum

Weiter geht es mit gebratenen Kalbsnieren mit grünem Spargel. Auch dieses Gericht wird zum Teilen in die Mitte des Tisches gestellt. Und obwohl sich auch hier eine gewisse Schärfe breitmacht, würde ich diesen Teller eher europäisch verorten. Die Nieren sind wunderbar zart und mit feinem Geschmack, alles hat guten Biss. Für Innereien-Liebhaber wie mich ein ganz ausgezeichneter Gang.

Kalbsnieren mit Gemüse
Kalbsnieren mit Gemüse

Mit dem gebackenen Zander bekommen wir ein Stück Fisch, das mit seiner sehr speziellen Schnitttechnik auch für den Verzehr mit Stäbchen gut geeignet ist. Davon abgesehen ist der Fisch auf den Punkt gegart. Dazu gibt es Spitzkohl, dem mein Mann eine leicht rauchige Note attestiert. Die entgeht mir vielleicht noch wegen der abklingenden Erkältung, aber auch so ist das mit Enokipilzen und wenig Paprika eine Beilage, die dem Fisch nicht die Schau stiehlt, ebenso wenig wie die mild-nussige Sauce. Formidabel.

Zander, Spitzkohl, Enoki
Zander, Spitzkohl, Enoki

Den Abschluss der herzhaften Gerichte bildet ein weiteres Wok-Gericht mit gebratenem Entrecôte, grünen Bohnen, Lauch, Shiitake und Paprika. Das Fleisch ist unglaublich zart, das Gemüse knackig und die kräftige, mittel-scharfe Sauce ebenfalls vorzüglich. Ein Musterbeispiel für exakte Garzeiten und fein abgestimmte Aromen.

Entrecôte mit grünen Bohnen
Entrecôte mit grünen Bohnen

Als Dessert gibt es noch eine Kugel schwarzes Sesameis mit Stücken von der Flugmango, die erstaunlicherweise sehr unterschiedlich ausfallen von recht fest bis weich, so wie es eher sein sollte. Aber da man in einem chinesischen Restaurant gerade beim Nachtisch sowieso keine Wunder erwartet und wir eh gut gesättigt sind, ist das zwar nicht auf dem Niveau der vorherigen Gänge, aber immer noch anständig.

Schwarzes Sesameis & Mango
Schwarzes Sesameis & Mango

Hao Jin, der nicht nur in der Küche, sondern auch als Gastgeber sehr präsent im Restaurant ist, versteht es, eine Küche mit eindeutig chinesischem Charakter zu präsentieren, die sich auch Ausflüge in andere Regionen erlaubt. Schärfe ist ein wiederkehrendes Merkmal, aber immer in differenzierter Form und nie dominierend. Die Garzeiten sind präzise, die Zutaten von ausgesuchter Qualität und die Aromen kräftig. Den gekonnten Umgang mit dem Wok kann man auch anderswo erleben und doch wirkt vieles hier etwas feiner.

Dass man dazu aus einer kenntnisreich zusammengestellten Weinkarte mit zahlreichen Großen Gewächsen wählen kann, erhöht den Genussfaktor. Der Service agiert aufmerksam, zu viel Kommunikation sollte man aber nicht erwarten. Den Part übernimmt Hao Jin selbst.

Dass das „JIN“ zu Tim Raues Lieblingsrestaurants gehört, kann ich verstehen. Unser Überraschungsmenü bot einen guten Überblick. Aber es gibt noch zahlreiche andere Gerichte auf der Karte, die verlockend klingen und für die wir gerne wiederkommen.

 

Details

Restaurant: JIN
Adresse: Kanalstr. 14, 80538 München
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag: 18.00 - 23.00 Uhr
Samstag + Sonntag: 12.00 - 15.00 Uhr & 18.00 - 23.00 Uhr
Montag: Ruhetag
Website: www.restaurant-jin.de/

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