Landgasthof Adler, Rosenberg
Am 24. März 2023 in Deutschland | 2671 Aufrufe | 1 Kommentar
Zum Glück ist alles noch so, wie wir es in Erinnerung hatten. Die lange Treppe, der knorrige Boden, die alte Tür zum Gastraum, der einen noch immer mit seinen blauen Stühlen, Bänken und Vorhängen an den grünen Wänden geradezu anstrahlt, als wollte hier immer Frühling sein – egal welche Jahreszeit draußen die große Linde umspielt.
Fast sechs Jahre lag dieses Kleinod der deutschen Gastronomie im Dornröschenschlaf. Im Oktober 2016 schlossen Marie-Luise und Josef Bauer ihr Restaurant, das sie 1972 eröffneten. Bis dahin galt es mit seiner unprätentiösen, aber präzisen und im besten Sinne bürgerlich-kreativen Küche als Prototyp eines modernen Landgasthofs. Ein Michelinstern seit 1989 sowie durchgehend 18 Punkte im Gault Millau waren die verdienten Auszeichnungen. Die Übergabe an den designierten Nachfolger Christian Baur wollte nicht glücken. Der verantwortet heute die Küche eines anderen Adlers, des legendären „Schwarzen Adler“ von Fritz Keller in Vogtsburg. Der Adler in Rosenberg indes schien Geschichte.
Umso überraschender dann 2022 die Nachricht, dass der „Landgasthof Adler“ in Rosenberg mit Michael Vogel einen neuen Pächter gefunden hat. Und dazu noch einen, der nicht nur bereits an der Seite von Josef Bauer gearbeitet hat und die DNA des Hauses kennt, sondern auch drei Jahre Erfahrung beim Schweizer Dreisterne-Koch Andreas Caminada mitbringt.
Michael Vogel, der die Küche nur mit einer weiteren Kraft bestreitet, hält die Karte bewusst übersichtlich und vermeidet dabei zu offensichtliche Modernismen. Dass sich auch Gerichte wie Champagnerkutteln, Kalbsrahmgulasch oder Rehragout darin finden, ist ganz in der Tradition des Adlers, denn auch Josef Bauer hat bei allen kreativen Ausflügen nie vergessen, dass Gäste hier auch einfach mal nur genau solche gutbürgerlichen Gerichte wünschen.
Wir entscheiden uns für das Überraschungsmenü, das es in drei bis fünf Gängen (75€/90€/110€) gibt.
Schon mit den ersten drei Grüßen zeigt Vogel, wie sich Modernes mit Traditionellem gekonnt verbinden lässt. Das Ei mit warmem Schaum vom Frühlingslauch, Forellentatar und -kaviar ist füllig und von luftiger Konsistenz. Allerdings bleibt der Fisch etwas dezent und geht fast etwas unter.
Das Teigkissen mit Harissacreme indes ist angenehm pikant und wird noch gesteigert vom Filoteigtäschchen mit Blutwurst. Das ist herzhaft und lecker.
Mit einer gut ausgebackenen Fischpraline gibt es noch ein weiteres Amuse Bouche. Die kommt auf einem kalten Fenchelsalat, der mit etwas Kümmel fast wie ein Krautsalat angemacht ist, nur viel feiner. Eine Sauce mit Schnittlauchöl umspielt das cremig und mit nur leichter Schärfe.
Einziges Manko ist hier die Tatsache, dass das nur mit einer Gabel serviert wird, was aufgrund des lang geschnittenen Fenchels etwas schwer zu essen ist und eine gewisse Kleckergefahr mit sich bringt. Köstlich ist es trotzdem.
Im ersten Gang präsentiert Michael Vogel wunderbares Handwerk in Form einer Tafelspitzterrine mit Brunoises von Karotte und Sellerie. Begleitet ist das von einer mild-würzigen Senfcreme und einem grob geschnittenen Salat aus Schnittlauch, Dill und Estragon. Das ist klassisch gearbeitet, rustikal und doch elegant und einfach sehr gelungen.
Es folgen zwei gebratene Garnelen auf einem Chutney von Mango und Chili mit sehr zurückhaltender Schärfe. Die Mango-Beurre Blanc liefert eine sehr fruchtige Note, ist mir allerdings einen Tick zu süß. Aber das ist Geschmackssache und mein Mann teilt die Einschätzung nicht. In Summe ist dies aber ein sehr fokussierter und guter Gang.
Auch der knusprig auf der Haut gebratene Saibling kommt mit wenig Mitspielern aus. Milde Passe Pierre-Algen, Beurre Blanc und erneut sehr akkurat ausgebackenes Kartoffelstroh genügen, um für ausreichend Abwechslung zu sorgen. Man hat immer etwas Crunch im Mund, Fisch, Sauce und Algen ergänzen sich harmonisch. In seiner Konzentration aufs Wesentliche gefällt mir das ganz hervorragend.
Im Hauptgang bleibt Michael Vogel dieser sehr geradlinigen Richtung treu. Das Entrecôte vom Kalb ist auf den Punkt rosa gebraten, der wilde Brokkoli knackig, das Selleriepüree seidig und die Sauce klassisch. Hier wird nichts neu erfunden, aber es wird sehr solide zubereitet, was vor allem auch für die separat servierte Kartoffelterrine gilt, die eine wunderbare Balance aus weich und knusprig hält. Eine tolle Beilage.
Als Pré-Dessert gibt es einen Schaum von Bergamotte mit etwas Knusper. Der Zitrusgeschmack ist typisch herausgearbeitet, allerdings bleibt das texturell dann doch etwas eindimensional.
Den Abschluss des Menüs bildet ein Schokokörbchen mit einem Joghurt-Birnen-Kompott und einem säuerlich-frischen Sauerampfersorbet. Das ist unkompliziert und lecker.
Auf das traditionelle Stück von der täglich frisch gebackenen Tarte verzichten wir zugunsten der von Josef Bauer hausgebrannten Obstbrände und stellen erfreut fest, dass der „Landgasthof Adler“ wieder lebt.
Michael Vogel versteht es, die Tradition dieser gastronomischen Institution zu achten und beizubehalten, aber gleichzeitig auch sanft eigene Akzente zu setzen. Seine Küche ist eindeutig klassisch fundiert und vermeidet alles Überflüssige. Diese Klarheit, gepaart mit makellosem Handwerk, ist erfreulich und steht dem Charakter des „Adlers“ sehr gut.
Offenbar sehen das auch viele andere Gäste so, denn das Haus ist nicht nur an diesem Abend gut gebucht, wie uns Michael Vogel im Gespräch erzählt. Dass dieser Stil auch den Segen von Josef und Marie-Luise Bauer findet, liegt auch daran, dass sich Vogel im regelmäßigen Austausch mit ihnen befindet.
Marie-Luise Bauer treffen wir übrigens zufällig bei Ankunft und sie begrüßt uns mit gewohnter Herzlichkeit, die vermuten lässt, dass sie sich tatsächlich noch an uns erinnert, obwohl unser letzter Besuch lange zurück liegt. Ob es wirklich so ist, lassen wir mal offen. Aber das Wiedersehen macht auf jeden Fall Freude.
Den Service bestreitet ein junger Mann alleine und er macht das sehr souverän trotz voll besetztem Haus. Wie wir hier in unserer Ecke an den blanken weißen Tischen sitzen, kommen natürlich Erinnerungen an die wunderbare Hildegard Brenner auf, die das Haus über lange Jahre mit ihrem unnachahmlichen Charme und viel Seele bereichert hat. Michael Vogel berichtet uns auf Nachfrage, dass es ihr gut gehe und sie bereits auch zu Gast war. Noch eine gute Nachricht also!
Wer sich aus der noch etwas übersichtlichen, aber fair kalkulierten Weinkarte bedienen möchte, sollte eines der auch weiterhin im minimalistischen Bauhaus-Stil gehaltenen Zimmer buchen. Dann lässt sich auch das sorgfältige, servierte Frühstück genießen.
So sehr wir es bedauert haben, als der „Adler“ seinerzeit schloss, so sehr freuen wir uns nach der langen Zeit, dass es ihn nun wieder gibt.
Details
Restaurant: | Landgasthof Adler |
Adresse: | Ellwanger Str. 15, 73494 Rosenberg |
Öffnungszeiten: | Mittwoch und Donnerstag: 18:00 – 22:00 Uhr Freitag und Samstag: 12:00 – 14:00 Uhr und 18:00 – 22:00 Uhr Sonntag: 12:00 – 14:00 Uhr Montag und Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.landgasthofadler.de/ |
Schlagworte
bürgerlich, Landgasthof Adler, Michael Vogel, neue deutsche Küche, Rosenberg
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Das du momentan noch Zeit für Berichte findest, ist dir hoch anzurechnen! 🙂 War ja ein bisschen Nach Hause kommen Gefühl für euch! Sehr nachvollziehbar!