Le Moissonnier, Köln
Am 21. Mai 2022 in Deutschland | 2621 Aufrufe
Zweieinhalb Jahre sind definitiv eine zu lange Zeit. So lange ist es her, dass wir das letzte Mal hier waren. Und das, obwohl es normalerweise kein Jahr ohne mindestens einen Besuch gegeben hat in diesem Restaurant, dass uns seit Jahrzehnten eines der liebsten ist. Aber so ist das eben mit Pandemie. Sie schüttelt alles wild durcheinander und nimmt auch auf vertraute Gewohnheiten keine Rücksicht.
Zwar haben uns Vincent Moissonnier und Eric Menchon in der Lockdown-Zeit mit einigen der qualitativ besten und originellsten Menüboxen versorgt, aber das Erleben in diesem quirligen und im besten Sinne lebhaften Restaurant kann das nicht ersetzen.
So freuen wir uns auf diesen Abend, an dem vom ersten Moment an alles wieder so wohlig bekannt wie immer ist.
Und auch die Karte verheißt wie immer spannende Kombinationen mit vielen Akteuren pro Gang. Dabei fällt das Amuse Bouche, wie gewohnt, immer etwas verhalten aus. Man will ja nicht das ganze Feuerwerk gleich zu Beginn zünden.
Heute ist es eine Gazpacho Andaluz mit Auberginentatar und einer kleinen Sülze vom Pulpo.
Alle Komponenten dürften für meinen Geschmack noch ausgeprägter sein, aber es ist eine harmonische, mediterran angehauchte Einstimmung, die Luft lässt für die zu erwartende aromatische Karussellfahrt.
Den Auftakt machen wir heute zum Apéritif mal ganz klassisch mit dreierlei Austern, davon zwei aus Cancale und eine aus der Normandie, die sich sowohl in Fleischigkeit als auch Geschmack interessant unterscheiden. Dazu gibt es köstliches Nussbrot und eine Schalottenvinaigrette. Pur sind sie mir dennoch am liebsten.
Es ist ja generell schwer, sich im „Le Moissonnier“ zu entscheiden, weil eigentlich alle Gerichte spannend klingen, aber heute weckt vor allem der Presskopf vom geräucherten und gegrillten Kalb im Filoteig unser Interesse. Und tatsächlich ist dies eine aromatisch kräftige Angelegenheit, die von einer cremigen Sauce und Selleriepüree gut aufgefangen wird.
Die Dim Sum von Nordseekrabben in einer Kräutervelouté sind zwar geschmacklich nicht in einen Kontext zum Hauptteller zu bringen, aber für sich genommen ganz ausgezeichnet. Sowohl Textur der Teighülle als auch der prägnante Eigengeschmack der Krabben gefällt uns ganz ausgezeichnet.
Das Kohlrabi-Carpaccio mit dem Salat von Apfel und Radieschen sowie der Kresse wirkt hier als frisches und knackiges Element, trotz der milden Schärfenoten, fast wie ein Neutralisator.
Auch das Sandwich von der Makrele mit Foie Gras und Gewürzapfelgelee als Hauptteller überzeugt mit schön rauchigem Ton und kräftigen Aromen. Die Einzelkomponenten sind gut herauszuschmecken, aber erst in Summe ergibt sich ein schlichtweg brillanter Gesamtakkord.
Im zweiten Teller versprechen die Garnelen in Pil-Pil-Sauce zwar eine scharfe Ergänzung, aber tatsächlich bleibt das durch die fruchtige Ergänzung sehr dezent.
Und auch hier gibt es mit der kalten Suppe von Apfel, Gurke und Staudensellerie eine kühle, eher beruhigende Komponente. Sehr gut.
Dass ich mich im Hauptgang für Taube entscheide, dürfte nicht wirklich überraschen. Nehme ich immer, wenn es auf irgendeiner Karte steht. Hier kommt sie in Form eines Pithivier, der allerdings nicht gefüllt ist, sondern als perfekt aufgegangener Blätterteig nur die Begleitung zu einer gut gewürzten Wurst gibt, die – und das ist das eigentlich Sensationelle an diesem Teller – in einer unfassbar köstlichen Entenlebersauce badet. Die ist mit Morcheln und Muscat de Rivesaltes so reichhaltig aromatisiert ist, dass es eine wahre Wucht ist. Für mich zu diesem Zeitpunkt die beste Sauce, die ich bisher in diesem Jahr auf dem Teller habe.
Dass Eric Menchon die auf den Punkt gegrillte Brust relativ pur, nur mit einer Sauce serviert, ist bei der Üppigkeit des Haupttellers eine kluge Entscheidung. Die Sauce selbst überrascht mit einem leicht säuerlichen Touch, ebenso clever gewählt, um gegen die markant füllige Entenlebersauce einen Kontrast setzen zu können.
Auch die Gemüsebeilage in Form eines Cannelloni vom Treviso kann vollkommen überzeugen. Eigentlich wäre schon dieser Teller, der zwischen Herbem und Süßem gekonnt changiert, als vegetarisches Gericht alleine perfekt.
Ein fabelhafter Hauptgang, der mich rundum glücklich macht.
Mein Mann entscheidet sich für Lamm. Die zwei stattlichen Stücke vom Lammkarree sind perfekt gegrillt, die Sauce von schöner Tiefe. Das ist zwar nicht spektakulär, aber sehr solide.
Dafür vermag die Haxe als Curry mit indischen Aromen und Kokos-Chips sehr zu überzeugen. Die fernöstliche Aromatik überrascht im ersten Moment als Kontrapunkt, aber zusammen mit der Variation von der Karotte und Kokosreis ergibt sich eine sehr stimmige Ergänzung. Und erneut zeigt sich, dass erst die Summe der Einzelkomponenten bei diesem Dreierlei ein tolles Miteinander ergibt.
Da wir als erste Gäste gekommen sind, ist es noch zu früh, um die imposanten Käsebretter aufzubauen, von denen ich mir gerne selbst etwas ausgesucht hätte. Aber auch mit der vom Service zusammengestellten Auswahl bin ich sehr zufrieden. Dass die Qualität und der Reifegrad über jeden Zweifel erhaben ist, dafür steht der Name von Maître Antony.
Ohne Dessert aus der Küche von Chef-Pâtissier Olivier Toussaint werden wir natürlich nicht gehen. Für mich wird es schokoladig in Form eines am Tisch geräucherten Tartelette mit cremiger Füllung und mildem Ingwereis. Dazu gibt es eine luftige Süßholzmousse mit schwarzem Crumble. Obwohl ich kein ausgeprägter Freund von Lakritz bin, gefällt mir das gut, weil es sehr zurückhaltend bleibt. Der dazu gereichte Whiskey Sour als Soda funktioniert gut als erfrischende Komponente, um die Schokolade nicht zu schwer erscheinen zu lassen.
Wesentlich leichter präsentiert sich das zweite Dessert rund um eine Creme von grünem Apfel mit Estragon auf einer Schicht von Grapefruitgelee. Die dünn als Spirale ausgebackenen Churros liefern einen schönen Knusper.
Sowohl die Pistazien-Tuile mit Ricottacreme als auch das Baiser-Eis bilden eine gelungene erfrischende Ergänzung.
Den traditionellen Abschluss im „Le Moissonnier“ bilden Macaron, Marshmallow und Karamell sowie ein Orangen-Lolly. Auch heute ist das nicht anders und von gewohnt guter Qualität.
Auch nach so vielen Jahren können uns Vincent Moissonnier und Eric Menchon immer noch überraschen. Die Kreativitätsmaschine läuft weiterhin auf Hochtouren und auch, wenn nicht alle Satellitenteller auf den ersten Blick in einem direkten Kontext zum Hauptteller zu stehen scheinen, fügen sich alle Gerichte in Summe dann doch immer perfekt zusammen.
Die Atmosphäre ist wie gewohnt quirlig, der Service hat auch bei vollem Betrieb alles im Blick. Wie sehr haben wir all das in den letzten zwei Jahren vermisst. Und wie schön ist es, es endlich wieder zu erleben.
Details
Restaurant: | Le Moissonnier |
Adresse: | Krefelder Str. 25, 50670 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Donnerstag: 12.00 - 15.00 Uhr & 18.30 - 24.00 Uhr Freitag + Samstag: 12.00 - 15.00 Uhr & 19.00 - 24.00 Uhr Sonntag, Montag + Feiertage: Ruhetag |
Website: | www.lemoissonnier.de |
Schlagworte
2 Michelin Stars, Eric Menchon, Köln, kreativ, Le Moissonnier, Vincent Moissonnier
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