Pauly Saal, Berlin (geschlossen)

Ich hasste Turnhallen. Der leicht modrige Geruch pubertierenden Schweißes und alter Bodenmatten, der Anblick von Turngeräten, die ich nicht beherrschte und Kletterseilen, an denen ich wie ein nasser Sack hing – all das gehört zu den weniger schönen Erinnerungen an meine Schulzeit. Und an all das denke ich heute Mittag bei meinem Glas Champagner und beim Blick in die Karte. Denn ich sitze in der ehemaligen Turnhalle einer früheren jüdischen Mädchenschule. Der große Saal ist übersichtlich besucht und der Service platziert die Gäste weiträumig in allen Ecken des Raumes, so dass absolute Privatsphäre gewährleistet ist. An der hohen Decke beeindruckende Leuchter aus Muranoglas, die aus der namengebenden Pauly-Manufaktur stammen. Wir sitzen in unmittelbarer Nähe der Küche, die durch ein Fenster ebenfalls einsehbar ist und ich weiß, dass ich hier heute nicht schwitzen muss.

Interieur

Die Küche im Pauly Saal wird geleitet von Arne Anker und alleine dessen Biografie weckt allergrößte Neugierde bei mir. Unter Sergio Herman (seinerzeit mit 3 Michelin-Sternen und 20 von 20 Gault Millau-Punkten ausgezeichnet – was der GM eigentlich nur theoretisch und nach meinem Wissen tatsächlich nur zweimal insgesamt in seiner Geschichte getan hat) im legendären und mittlerweile geschlossenen „Oud Sluis“, später dann als Souschef unter Nick Bril im neuen Herman-Projekt „The Jane“ in Antwerpen gestählt, bin ich neugierig, wieviel sich in Ankers eigenem Stil davon wiederfinden mag.

Mittags gibt es ein Lunch-Menü das 2 Gänge zu 36 Euro bietet, 3 Gänge zu 46 Euro und 4 Gänge zu 56 Euro. Bei Vorspeise und Hauptgericht kann man zwischen zwei Alternativen wählen.

Das Menü startet ohne Amuse Bouche, aber mit gutem Brot, direkt mit einem perfekt glasig gegarten Stück Lachs, Cous Cous und einer Variation von diversen Beten. Das ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern schmeckt auch wunderbar leicht, der Sud gibt etwas säuerliche Noten als Kontrast zur bissfesten gelben und roten Bete. Ein schöner Auftakt.

Lachs / Gelbe Bete / Cous Cous / Koriander
Lachs / Gelbe Bete / Cous Cous / Koriander

Es geht weiter mit Lachsforelle, ebenfalls auf den Punkt zubereitet und begleitet von einer Variation aus Schwarzwurzeln und Knollenziest in unterschiedlichen Texturen. Das ist sehr elegant und im Mund abwechslungsreich.

Lachsforelle / Schwarzwurzel / Molke / Knollenziest
Lachsforelle / Schwarzwurzel / Molke / Knollenziest

Ich bleibe bei Fisch und wähle im Hauptgang den Dorsch, der als sattes Stück kross auf der Haut gebraten ist. Kennzeichnend auch hier wieder eine Variation als Beilage, diesmal vom Kürbis, als Pürree und in Scheiben, Haselnuss als Crumble gibt Textur, die Cranberry-Sauce Fruchtigkeit. Erneut ein spannender Teller, bei dem die Kontraste so geschickt austariert sind, dass es im Ganzen immer noch harmonisch bleibt.

Dorsch / Kürbis / Haselnuss / Cranberries
Dorsch / Kürbis / Haselnuss / Cranberries

Auf der anderen Seite des Tisches findet sich ein super saftiges und knuspriges Stück Schweinekarree, das auch geschmacklich voll überzeugt und Lichtjahre entfernt von irgendwelcher Massenware ist. Dazu gibt es eine etwas süßliche Masala-Sauce , Polenta und Kerbelwurzel in verschiedenen Ausprägungen. Bei diesem Teller begeistert mich der Hauptdarsteller deutlich mehr als die Beilagen, das dafür nachhaltig.

Schweinekarrée / Kerbelwurzel / Masala / Polenta
Schweinekarrée / Kerbelwurzel / Masala / Polenta

Uneingeschränkte Begeisterung bringt dann allerdings das Dessert, in dem Mandarine in verschiedenen Formen (Mousse, Creme, geeiste Perlen, Natur) durchdekliniert wird. Dazu Limonenkresse, Yuzu und Sake als säuerliche Mitspieler. Ein wunderbar frisches Dessert, das viel Handwerk und Verspieltheit in Sergio Hermannscher Tradition erkennen lässt.

Mandarine / Yuzu / Sake / Limonenkresse
Mandarine / Yuzu / Sake / Limonenkresse

Zum sehr guten Espresso gibt es noch zwei verschieden aromatisierte Schokoplättchen, ein als Stein getarntes Sorbet und ein Macaron. Auch dies wieder auf sehr gutem Niveau.

Petits Fours
Petits Fours

Mag der Lunch im Vergleich zum Abendessen womöglich etwas reduziert angeboten werden (was ich nur vermuten kann, weil wir abends noch nicht hier waren), ist aber bereits das auf sehr hohem Niveau. Nicht nur, weil wir die beiden vorhergehenden Menüs mit überwiegend experimentellen Gemüsegängen verbracht haben, war dieses Mittagessen eine große Wohltat. Das war frisch, modern, geschmackvoll und sehr sorgfältig zubereitet.
Mit Sicherheit aber ist der Pauly Saal eine der für mich am sympathischsten genutzten Turnhallen.

Details

Restaurant: Pauly Saal
Adresse: Auguststraße 11–13, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Di bis Sa 12 – 14 Uhr & 18 – 21.30
Website: www.paulysaal.com

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Kommentare

  1. Ulla Henscher am 1. Februar, 2017 um 19:38 Uhr.

    Hallo Thomas,
    schöne Fotos, interessante Besprechungen…macht Appetit !!
    Danke und Gruss
    ulla

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