Philipp Soldan, Frankenberg (Eder)
Am 15. Mai 2015 in Deutschland | 2959 Aufrufe
Landauf, landab – und auch und vor allem im benachbarten Ausland – erleben wir verstärkt eine deutliche Entschlackung der gehobenen Gastronomie.
Restaurants verzichten immer häufiger auf teure Tischwäsche, edles Porzellan oder sündhaft empfindliche Gläser, Köche servieren auch mal häufiger selbst und suchen das Gespräch mit dem Gast. Mitunter geht dies auch einher mit günstigeren Menü- oder Komplettpreisen. Woran in der Regel nicht gespart wird, ist Kreativität und Können. Die sichtbare Folge: mehr junge Leute in den Restaurants, weniger Krawatten und Sakkos und oft ein Geräuschpegel, der erkennen lässt, dass hier nicht huld- sondern lustvoll gegessen wird.
Ein weiteres und, wie ich finde, besonders gut gelungenes Beispiel für eine solche Neukonzeption ist das „Philipp Soldan“ im Hotel Die Sonne Frankenberg, im tiefsten Nordhessen gelegen.
Wir kennen zwar nicht das frühere Gourmetrestaurant dieses Relais & Châteaux-Hauses, aber nach dem erst kürzlich erfolgten Umbau erleben wir ein stilistisch reduziertes, aber dennoch sehr gemütlich wirkendes Kellergewölbe mit Blick in die offene Küche.
Und um dem Gast die Hemmschwelle vollends zu nehmen, wird er zum Apéritif direkt in die Küche gebeten, wo an zwei massiven Holztischen auch gleich die ersten Snacks gereicht werden, deren Zubereitung man noch mitverfolgen kann.
All das kann bemüht wirken. Hier ist es sympathisch und eine schöne vertrauensbildende Maßnahme in die Küchenleistung, die noch kommen wird.
Erik Arnecke, dessen Lebenslauf vor allem aus 2- und 3 Sterne-Restaurants besteht, darunter das Aqua in Wolfsburg und zuletzt die Résidence in Essen, ist der neue Küchenchef des Hauses und setzt bereits mit den Snacks die Richtung vor: klare, gerne auch regional deutlich erkennbare Aromen, in komplexer und aufwändiger Präsentation.
Der Gast kann aus 3 Menüs wählen, die mit „Nördlich“, „Urtypisch“ und „Natürlich“ nur unzulänglich beschreiben, was sie im Kern unterscheidet – außer, dass es sich bei Letzterem um die vegetarische Version handelt.
Da man aber ohnehin munter hin- und her kombinieren kann, was wir auch tun, bekommt man auch so einen schönen Eindruck von den Fähigkeiten der Küche.
Die begeistert bereits mit einem sehr komplexen Amuse Bouche, das eine aromenstarke Variation vom Tafelspitz abliefert. Wunderschön anzusehen und ausgesprochen lecker!
Weiter geht es mit einer nahezu klassischen Kombination von Spargel und Forelle, die durch Dillpesto und Pumpernickel eine schöne Frische und elegante Rustikalität erhält.
Auf der anderen Seite des Tisches werden gebeizter Lammrücken und Muscheln zusammengebracht und auch das funktioniert sehr gut.
Mit meiner Makrele, die von Schmorgurken, Austernsauce, Speck, Kräutern und Senf weniger deftig eingefasst ist, als es sich liest, aber natürlich trotzdem ein herzhaftes Vergnügen ist, bin ich mehr als glücklich und auch im Rückblick auf eine an kulinarischen Erlebnissen nicht arme Reise, ist dies einer der Höhepunkte überhaupt.
Dagegen fällt der Kaisergranat im anderen Menü leider ab. Ist die Produktqualität zwar gut, reißt hier die Optik leider nichts, denn die Buttermilch-Hollandaise wirkt hier insgesamt zu massiv, verdeckt das schöne Tier und den feinen Geschmack. Insgesamt ein eher eindimensional wirkendes Gericht – aber auch der einzige Ausrutscher.
Denn mit dem Färöer-Lachs, der butterweich gedämpft (oder doch confiert) in kreischgrüner Sauce kommt und mit Apfel und Räucherfischcreme sowie Portulak und Petersilien-Meerrettichbrandade vielschichtig begleitet ist, passt es wieder sowohl fürs Auge wie den Geschmack.
Auch die Hauptgänge können überzeugen. Sowohl Maibock als auch das Kalb kommen kurzgebraten und als geschmortes Stück und sind perfekt gegart. Auch die Gemüse und die Saucen sind stimmig und süffig..
Beim Dessert dreht Arnecke noch einmal voll auf. Offensichtlich ist die süße Abteilung ohnehin sein Steckenpferd, denn wie der Service auch beim Servieren der Petits Fours nicht müde wird zu betonen, macht hier der Chef noch alles selbst. Können wir nicht überprüfen, aber wenn es so ist, dann macht er es sehr, sehr gut.
Ob Rhabarber mit Himbeeren, Ziegenkäse-Crème Brûlée, Sauerampfereis oder Waldmeister und Mispel, gestockte Mandelmilch und Buttereis: alles ist unglaublich lecker und überraschend, auf angenehme Art süß und doch mit einer Frische, dass man glatt noch einen Teller essen könnte…
Ja, das hat richtig Spaß gemacht. Auch der Service hat daran seinen nicht unwesentlichen Anteil, geht bewusst locker an den Gast und macht seine Sache doch fachlich sehr korrekt. Das ein oder andere floskelhafte wird sich mit der Zeit sicher noch abschleifen.
Bis dahin bleibt festzuhalten, dass man Frankenberg auf der kulinarischen Landkarte unbedingt im Auge behalten muss. Ich habe das Gefühl, dass von Erik Arnecke noch einiges zu erwarten ist.
Details
Restaurant: | Philipp Soldan |
Adresse: | Marktplatz 2, 35066 Frankenberg (Eder) |
Öffnungszeiten: | Mittwoch – Donnerstag ab 18:30 Uhr Freitag – Samstag ab 18:00 Uhr Sonntag ab 12:00 Uhr (3-Gang-Mittagsmenü) Montag + Dienstag Ruhetage |
Website: | www.http://sonne-frankenberg.de/go/de/6/ |
Schlagworte
Casual Fine Dining, Erik Arnecke, Frankenberg, Hotel Sonne, kreativ, Michelin, neue deutsche Küche, Philipp Soldan
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