Rüssels Restaurant, Naurath/Wald

An der Mittelmosel kann man es schlechter erwischen. In einem Radius von 30 km finden sich mit dem Waldhotel Sonnora, Schanz in Piesport oder Becker’s in Trier einige der hochkarätigsten Adressen des Landes auf engem Raum.
Harald Rüssels imposantes Landhaus fällt dagegen in der medialen Berichterstattung nur selten auf, obschon der Patron mehr als seine benachbarten Kollegen sogar mit regelmäßiger TV-Präsenz glänzen kann. Dem Gästezuspruch tut das keinen Abbruch. An diesem Donnerstagabend ist die geschmackvoll eingedeckte Terrasse nahe des eigenen Teiches gut besucht. Auch die Gäste des hauseigenen Zweitrestaurants „Hasenpfeffer“ werden hier brüderlich integriert.

Harald Rüssel propagiert eine neue deutsche Küche mit starken regionalen Einflüssen, wobei dies vor allem auf das kleinere „Landart“-Menü zutrifft. Im größeren Menü „Urban“ geht es merklich internationaler zu. Im Rahmen unseres Arrangements bekommen wir eine Auswahl aus beiden Richtungen. Unser letzter Besuch ist allerdings so lange her, dass ich keine konkrete Erinnerung mehr habe und deshalb gespannt bin, wie sich die Küche präsentiert.

Von den drei Kleinigkeiten zum Apéritif gefällt mir vor allem die würzige Rehpastete besonders gut. Den Umgang mit Wild beherrscht Rüssel als passionierter Jäger ohnehin besonders gekonnt. Weniger auffällig, aber auch gut schmeckend, die Pomelo-Kaltschale und die Trüffel-Gemüse-Quiche.

Apéros
Apéros

Ausgezeichnet im Anschluss neben dem nicht mehr näher erinnerten Aufstrich die Trüffelbutter zum Brot. Hier wurde der Trüffel definitiv nicht nur an der Butter vorbei getragen, sondern intensiv verarbeitet.

Aufstrich & Trüffelbutter
Aufstrich & Trüffelbutter

Das eigentliche Amuse Bouche setzt dann ein Stück konfierten Saibling mit grünem Apfel, Avocadocreme und Wasabimayonnaise schön in Szene.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Die Vorspeise variiert das Thema Rindertartar auf sehr zeitgemäße Weise. Cremes (Liebstöckel), Gel (Gin), Röllchen (Essiggurken) wirken auf den ersten Blick zwar arg modisch verspielt, und doch macht das durchaus Sinn. Denn so lässt sich das hervorragende Fleisch, das seine Würze vor allem durch Wacholder erhält, nach eigenem Belieben gut mit den übrigen Komponenten kombinieren. Das erlaubt sehr unterschiedliche Eindrücke, wobei der Grundtenor schon etwas scharf ist. Vor allem die Essiggurken bringen eine sehr überraschende Würze mit.
Eine schöne Ergänzung zu diesem durchaus komplexen Gesamtbild ist der separate Cracker mit warmem Ochsenmark.

Rindertartar / Wacholder / Liebstöckel / Wiesenkräuter / Ochsenmarkkräcker
Rindertartar / Wacholder / Liebstöckel / Wiesenkräuter / Ochsenmarkkräcker

Ganz auf der Höhe der Zeit und weit weg von der Hunsrücker Heimat präsentiert sich der bretonische Steinbutt, der karamellisiert und mit Panko-Bröseln auf einem Bett von Erbsen-Tapioka kommt. Tapioka sind ja in der Regel ob ihrer Geschmackneutralität eher mit Vorsicht zu genießen. Hier gefällt mir der Kniff mit den Erbsen recht gut. Die Bouchot-Muscheln sind leicht mit einer würzigen Kalbsjus überglänzt, die Champagner Beurre Blanc hätte durchaus üppiger dosiert sein können. Aber ich akzeptiere, dass es dann die Telleroptik zerstört hätte. In Summe aber ein origineller Gang, der mir ausgezeichnet gefällt.

Bretonischer Steinbutt / Kalbsjus / Erbse / Tapioka / Bouchot-Muscheln / Champagner Beurre-Blanc
Bretonischer Steinbutt / Kalbsjus / Erbse / Tapioka / Bouchot-Muscheln / Champagner Beurre-Blanc

Nach diesem doch recht aromenstarken Auftritt schaltet die Küche einen deutlichen Gang zurück. Die Jakobsmuschel ist nur leicht ansautiert, was ich normalerweise nicht so mag, denn ich finde gerade Röstnoten oftmals viel passender. In diesem Gericht allerdings stellt Harald Rüssel bewusst die Frische und Jodigkeit in den Vordergrund und unterstützt diesen Eindruck mit einem Aloe Vera-Gelee und Zitrusaromen. Artischocken und Buchenpilze ordnen sich hier auch nur dezent unter. Topinambur als Crumble steuern etwas Textur bei. Überraschend und gut.

Coquilles St. Jacques / Artischocke / Topinambur / Miso / Zitronenvinaigrette
Coquilles St. Jacques / Artischocke / Topinambur / Miso / Zitronenvinaigrette

Dreierlei vom Milchferkel zeigt das zarte Tier in verschiedenen Teilen. Die Brust ist in Ordnung, wobei die Haut etwas weich ausfällt. Sehr gut hingegen die toll geschmorte Schulter und der knusprige Bauch. Sauerkraut als Gel und Limonen-Rettich setzen unerwartete, aber passende säuerliche Kontrapunkte in diesem sehr guten Hauptgang.

Milchferkel ³ / Junge Bohnen / Sauerkraut / Limonen-Rettich
Milchferkel ³ / Junge Bohnen / Sauerkraut / Limonen-Rettich

Mittlerweile hat sich die Dunkelheit über den Abend gelegt. Es ist einer dieser heißen Sommerabende und es lässt sich nach wie vor prima draußen sitzen. Allerdings ist vom Dessert nicht mehr allzu viel zu erkennen.
Die Original Beans Schokolade ist als relativ feste Mousse verarbeitet. Dazu gibt es Zwetschgen, auch als Jus und ein Drambuie-Eis. Das ist sehr stimmig und ein schöner Abschluss.

Zwetschge / Original Beans Kuvertüre / Tonkabohne / Whisky
Zwetschge / Original Beans Kuvertüre / Tonkabohne / Whisky

Mit einigen guten Petits Fours widmen wir uns dem Kaffee und dem Rest unserer zweiten Flasche Wein, womit wir bei einem weiteren erfreulichen Aspekt dieses Hauses wären. Die Weinkarte listet natürlich jede Menge hervorragender Kreszenzen der Region bis hin zu ansonsten recht selten anzutreffenden Flaschen. Dass hier durchaus auch mal Weine von Egon Müller auf der Karte stehen, dessen selbst einfachere Weine bei Auktionen mittlerweile astronomische Preise erzielen, ist dem Umstand zu verdanken, dass der Winzer hier auch selbst gerne einkehrt. Überhaupt sind die Weine ungewöhnlich gastfreundlich kalkuliert, so dass wir nach einem Großen Gewächs vom Weingut von Othegraven auch an einem Chassagne-Montrachet von Amiot Guy zu deutlich zweistelligem Kurs nicht vorbei kommen.

Petits Fours
Petits Fours

Harald Rüssel hat uns heute weniger seine regionale Seite gezeigt, dafür eine moderne und international ausgerichtete Küche mit klug durchdachten Kompositionen und mitunter überraschenden Elementen. Handwerklich war das ohnehin sehr versiert und aufwändig, so dass ich nicht wüsste, was ich hier auszusetzen hätte.

Dies war der letzte Abend unseres Sommerurlaubs und in der Gesamtbetrachtung war das ein würdiger Abschluss und eines der besten Menüs unserer Reise. Kann man also auch schlechter erwischen.

Details

Restaurant: Rüssels Restaurant
Adresse: Büdlicherbrück 1, 54426 Naurath/Wald
Öffnungszeiten: Donnerstag:18.30 Uhr bis 21.30 Uhr
Freitag - Sonntag:12.00 Uhr bis 14.00 Uhr und 18.30 Uhr bis 21.30 Uhr
Montag:18.30 Uhr bis 21.30 Uhr
Dienstag und Mittwoch: Ruhetage
Website: www.ruessels-landhaus.de

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