Victor’s FINE DINING by Christian Bau, Perl-Nennig
Am 23. März 2016 in Deutschland | 3460 Aufrufe
Vor vielen Jahren, es muss in den Achtziger oder Neunziger Jahren gewesen sein, gab es mal eine Schallplattenkritik (ja, damals gab es noch vorwiegend diese schwarzen, beidseitig bespielten Dinger mit Rillen) zu einer neuen Aufnahme der von mir immer noch verehrten Sängerin Sade. Im Kern sagte sie: Jede neue Platte von ihr sei wie ein Mercedes. Man wisse, dass man etwas in Hochglanz und perfekter Ausführung bekommt. Es schwang dabei allerdings auch der leise Vorwurf mit, dass diese Perfektion auch immer etwas langweilig sei. Ich freute mich damals über den Vergleich mit einem Hochklasseprodukt wie dem Daimler, widersprach aber energisch dem Vorwurf der Langweile. Dafür war und bin ich zu sehr Fan.
Warum erzähle ich das, wenn ich über das Essen bei Christian Bau schreiben will? Weil es mir wie damals bei Sade ging. Ja, ich schreibe hier über Perfektion. Und nein, auch wenn dies erst unser dritter oder vierter Besuch dort war, hat sich bisher keine Langeweile breit gemacht. Im Gegenteil: die Vorfreude auf atemberaubendes Können und perfekte Ausführung nimmt eigentlich mit jedem Besuch zu. Und seitdem im Restaurant auch die damastschwere Betulichkeit abgelegt wurde und der Service unter Yildiz Bau viel freier und entspannter agieren kann, ist dies ein Ort von großer Leichtigkeit geworden.
Was geblieben ist und was den Gast bereits zu Beginn einnimmt, um nicht zu sagen beeindruckt , ist eine großartige Parade von Grüßen, hier schlicht Prolog genannt, die ich mir im einzelnen nicht notiert habe (wie ich mir im übrigen generell nichts aufschreibe) und deshalb nur erinnern kann. Beginnend mit dem Tatar im Cornet über Macaron, eine Tom Kha Gai bis hin zum so benannten „Steingarten“, eine Ansammlung unterschiedlicher Gemüsesorten in verschiedenen Konsistenzen und Zubereitungen. Alleine dieser Gang ist so aufwändig, geschmackstief und optisch beeindruckend, dass man kaum glauben mag, dass es sich hier nur um einen „Gruß“ handelt.
Andere Restaurants würden etwas drum geben, überhaupt einmal so einen Gang zu produzieren. Die opulente Abfolge von Amuses – am Ende werden es acht in fünf Gängen gewesen sein – endet mit einem Ei, das auch in der dramaturgischen Abfolge dieser Parade in seiner Cremigkeit und Schlotzigkeit den finalen Tusch setzt, bevor das eigentliche Menü beginnt. Was für ein Auftakt!
Im ersten Gang startet die Küche eher elegant und zurückhaltend mit einer Gelbflossenmakrele, die mit Daikon und Bergamotte kühle und erfrischende Begleiter erhält. Das ist ein Gericht, das Christian Bau in ähnlicher Form, aber mit unterschiedlichen Fischen, immer mal wieder variiert und sich als leichter Einstieg in ein komplexes Menü einfach gut eignet.
Ein Dauerbrenner auf der Karte ist in der Saison auch der grüne Spargel von Robert Blanc, dem nachgesagt wird, das er den besten Spargel der Welt produziere. Ob das so ist, vermag ich nicht zu sagen. Auf jeden Fall ist er sehr, sehr gut. Und es würde mich nicht wundern, wenn auch die Exemplare, die wir tags zuvor bei Klaus Erfort hatten, aus der selben Quelle stammen. Christian Bau lässt den Spargel in seiner vollen Schönheit wirken und gibt ihm nur relativ wenige Begleiter mit. Die Miso-Hollandaise kennen wir bereits und auch diesmal ist sie ein federleichtes, schaumiges Vergnügen, das den Spargel glänzen lässt, ihm aber durchaus einen leicht exotischen Sidekick verpasst.
Hat dieser Gang durch die Hollandaise schon eine aromatische Steigerung erfahren, geht es im Menü nun mit dem Wolfsbarsch deutlich herzhafter zu. Dafür sorgen einige kleine Stücke von gegrilltem Aal sowie eine sehr leichte, aber dichte Vinaigrette aus Kojyu, das ich nicht kenne, aber soja-ähnlich verorten würde.
Im Hauptgang begegnet uns erneut, wie schon tags zuvor, US Beef, diesmal allerdings in einer deutlich opulenteren Ausführung. Das perfekt gegarte Stück wird von einem geschmorten Quader und einer Variation von Mais eingefasst. Mais ist ja schwer en vogue in der Spitzengastronomie, weil es scheinbar vielfältige Zubereitungsmöglichkeiten erlaubt und auch schön aussieht. Allerdings besteht allzu oft dabei die Gefahr, das gesamte Gericht ins zu Süße kippen zu lassen. Bei diesem Gang wird dies nur haarscharf umschifft und in Summe ist dies ein tolles Gericht. Dennoch würde ich mir generell langsam einen anderen Trend wünschen.
Das folgende Pré-Dessert ist dann wieder ein Beispiel maßlosen Understatements. Denn dort, wo andere Restaurants mit einer Kleinigkeit auf die Süßwarenabteilung einstimmen, serviert Christian Bau mit dem japanischen Schneeball ein Gericht, das auch als Meisterprüfung für Patissiers durchgehen würde. Calpico, Sake, Yuzu und Shiso lassen erahnen, dass unter und in der unscheinbar wirkenden weißen luftigen Masse mehr ist als heiße Luft. Gefüllt mit Sorbet, auf einem Ragout thronend, verbinden sich hier vegetabile Noten mit Süße und lassen einen erstaunt und begeistert zurück.
Das reguläre Menü endet dann erneut in einer handwerklichen Leistungsschau. Der Klassiker „Vitamin C“ kombiniert exotische Früchte in allen erdenklichen Konsistenzen und schließt das Menü angenehm kühlend und erfrischend ab. So stelle ich mir ein perfektes Dessert vor: abwechslungsreich, texturell vielfältig, nicht beschwerend und eine Wonne fürs Auge.
Dass auch danach noch eine Batterie von feinen Süßigkeiten folgen, versteht sich von selbst.
Wir hatten das Glück, im Service den Übergang von Daniel Kiowski auf die neue Sommelière Nina Mann zu erleben, die beide anwesend waren. Die Weinbegleitung trug noch eindeutig die Handschrift von Daniel Kiowski, dessen Vorliebe zu gereiften Rieslingen hinlänglich bekannt ist.
Das beliebte Spiel, den Gast raten zu lassen, aus welchem Jahrgang der servierte Wein sei (1995 Riesling Auslese von Sybille Kuntz) kennen wir bereits von Kiowski, durften wir diesmal mit Nina Mann spielen. Eine schöne Entdeckung war das Große Gewächs 2012 Himmelreich von Willi Schäfer von der Mosel. Daneben erinnere ich noch einen Salwey Weißburgunder sowie einen 2000 Clos l’Eglise von der Côtes de Castillon. Das war alles sehr stimmig und gut ausgewählt. Spannend wird es sein zu sehen, wie Nina Mann ihre eigene Handschrift einbringen kann. Am Gast ist sie bereits ungemein sympathisch und offen und sicher eine gute Bereicherung für das Service-Team.
Christian Bau hat mit seiner Fusion aus klassischem französischen Handwerk und japanischen Elementen eine sehr eigene Handschrift gefunden und diese perfektioniert. Von allen Dreisterne-Restaurants in Deutschland ist dies für mich die überzeugendste, die mich immer wieder am meisten begeistert. Reduktion aufs Wesentliche mag bei anderen Köchen zu einem Purismus auf dem Teller führen, den ich auch schätze. Aber noch mehr mag ich es, wenn ich sehe, wie Köche kreativ werden, Zutaten in spannende Kontexte setzen und dies auch noch perfekt ausführen. Sicher kann man streiten, ob die Fülle an geeisten Perlen in so vielen Gerichten nötig ist. Ich könnte verstehen, dass einige das ähnlich lästig finden wie anderswo die Masse an Schäumen. Mich stören sie nicht, solange sie so sinn- und kunstvoll eingesetzt werden wie hier.
Christian Baus Küche läuft so zuverlässig wie ein Mercedes. Eigentlich gibt es nur einen für mich passenden Soundtrack dazu. Ich sollte mal wieder eine CD von Sade auflegen.
Details
Restaurant: | Victor's FINE DINING by Christian Bau |
Adresse: | Schloßstr. 27-29, 66706 Perl-Nennig |
Öffnungszeiten: | Mittags: Sa + So ab 12:00 Abends: Mi - Do ab 19:00 Mo + Di: Ruhetage |
Website: | www.victors-fine-dining.de |
Schlagworte
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