astrein, Köln
Am 27. März 2021 in Deutschland | 2761 Aufrufe
Eric Werner hat sich mit seinem eigenen Restaurant „astrein“ binnen kurzer Zeit nicht nur einen Michelinstern erarbeitet, sondern auch einen festen Platz in der Kölner Gastroszene.
Seine klassisch französisch fundierte Küche mit allerbesten Zutaten hat eine treue Fangemeinde. Und dass ein vegetarisches Menü auf diesem Niveau zum gesetzten Programm gehört, hat sicherlich auch zum Erfolg beigetragen.
Der erste Lockdown nach nicht einmal einem Jahr der Selbständigkeit kam daher zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Aber Eric Werner hat schnell umgeschaltet und ein wöchentlich wechselndes Viergang-Menü angeboten, das uns bereits im vergangenen Jahr ausgesprochen gut gefallen hatte.
Sein Take Away Angebot hat Werner natürlich auch seit November wieder im Programm und da wir uns immer, wenn wir in Köln sind, zum Abschluss ein Menü mit nach Hannover nehmen, fiel diesmal die Wahl auf das „astrein“-Menü. Also abgeholt, eingepackt und ab auf die Autobahn.
In Hannover angekommen, sehe ich erst, dass man mehrfach versucht hat, mich anzurufen und Nachrichten auf diversen Kanälen hinterlassen hat. Ein Pech, dass ich mein Handy eigentlich fast immer auf lautlos stelle. Der Grund für den hartnäckigen Kontaktversuch ist so einfach wie menschlich: Man hatte vergessen, die Spargelsuppe, den zweiten Gang im Menü, mitzugeben.
Das ist zwar bedauerlich, kann aber halt mal passieren. Für mich jetzt kein großer Beinbruch, wenngleich mich natürlich die „astrein“-Version interessiert hätte. Aber ich weiß mir zu helfen. Dazu gleich mehr. Eric Werner ist jedenfalls untröstlich. Und er wird dafür sorgen, dass ich doch noch zur Spargelsuppe komme. Auch dazu gleich mehr.
Zum Start ist im Menü ein Aufguss aus Amalfi-Zitrone enthalten. Der kann wahlweise mit heißem Wasser, Soda oder mit Gin aufgegossen getrunken werden. Bei solchen Alternativen überlegen wir nicht lange und müssen uns eigentlich nur noch entscheiden, welchen Gin wir nehmen.
Der Sud ist angenehm zitronig, aber nicht aufdringlich säuerlich, sondern sehr ausgewogen.
Zum Focaccia-ähnlichen Brot gibt es fabelhaftes und sehr intensives Lauchöl.
Die Vorspeise hat mir beim Lesen des Menüs im Vorfeld einige Fragezeichen ins Gesicht gezaubert. Tatar Suri? Sagt mir nix. Von den Azuren? Wo ist das? Sud von grüner Marie? Kenne ich nicht. Dass Suri eine Makrelenart aus der Gattung der Holzmakrelen ist, erklärt mir der freundliche Service im Restaurant. Mit dem Wissen und mit Wikipedias Hilfe, gehe ich nun von den Azoren als Herkunft aus. Und die grüne Marie mache ich, ebenfalls mit Unterstützung des World Wide Web und beim Geschmackstest als Apfelsorte aus dem Alten Land aus. Immerhin gibt es dort eine Sorte namens Ingrid-Marie. Und das passt dann auch zu dem Tatar, das noch mit einem fein gestiftelten Apfel-Zucchini-Salat und Miso-Mayonnaise getoppt wird. Der Fisch ist recht grob gewürfelt und von ganz feinem Aroma. Zusammen mit dem leicht säuerlich-fruchtigen Sud und vor allem dem tollen Salat ist dies eine Vorspeise, die auch hohen Ansprüchen gerecht wird.
Um die Einlage zur Suppe, kleine Stücke von der Poulardenbrust in Bärlauchmarinade, trotz der fehlenden Suppe zum Einsatz bringen zu können, entscheide ich mich, eben selbst noch eine Spargelsuppe zu kochen. Einkaufen muss ich eh noch und Spargel wird sich schon auftreiben lassen. Es wird dann zwar kein einheimischer. Der ist vermutlich tagsüber schon leergekauft worden. Aber zumindest europäischer Spargel ist noch zu bekommen und für eine schnelle Suppe ist es allemal ausreichend. Die Poulardenstücke sind wunderbar zart und bringen mit dem Bärlauch eine schöne Note zum Spargel. Ich bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis, gebe noch einige Spargelspitzen dazu und so bekommen wir zumindest eine Idee, wie dieser Gang gedacht war.
Drei Tage später bekomme ich überraschend ein Päckchen aus Köln mit der fehlenden Spargelsuppe und zwei Gläsern mit Fond und Jus als Wiedergutmachung. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet und hätte es auch nicht erwartet. Aber es demonstriert ganz exemplarisch den Servicegedanken, der Eric Werner umtreibt. Alleine dafür volle 5 Sterne!
Die Suppe wird Teil unseres Abendessens und auch, wenn wir keine Einlage mehr haben, ist doch klar, dass diese hier eine Klasse besser ist als die selbstgemachte einige Tage zuvor.
Für den Hauptgang wird das Blankett vom Kalb, ein Ragout, im Wasserbad erhitzt und eine Aluschale mit Gnocchi und Romanasalat zum Erhitzen und Überbacken in den Backofen gegeben.
Die Kräutergnocchi, ebenso wie der gratinierte Salat sind eine schöne Beilage zum zarten Fleisch in der aromatischen, aber nicht zu kräftigen Sauce.
Dazu gibt es den von Eric Werner selbstbewusst als besten der Stadt bezeichneten Wildkräutersalat – und man mag nicht widersprechen. Er ist vielfältig, gibt nicht nur vor, Kräuter zu enthalten und erfährt mit dem fein säuerlich abgeschmeckten Dressing eine zusätzliche Veredelung.
Bei den Desserts hat Eric Werner von jeher viel Wert auf anspruchsvolles Patisseriehandwerk gelegt und so ist es auch diesmal. In der Schachtel ist ein ganzer mit Beeren gedeckter Kuchen, wie man ihn sich auch nicht schöner aus einer Konditorei wünschen könnte. Zwischen Lagen von dünn gebackenen Crêpes ist Mousse von regionalen Erdbeeren geschichtet. Der bereits in vier Teile vorbereitete Kuchen könnte auch gut eine ganze Familie versorgen. Uns leistet eine Hälfte am nächsten Tag eine wunderbare Begleitung zum Tee.
Die Limettensauce zum Kuchen ist schön passend, beim Schokoladen-Basilikum-Pesto sind wir uns da nicht ganz so sicher. Das ist zwar originell, aber den leicht bitteren Ton empfinden wir als eher störend. Da man es aber ganz nach eigenem Gusto einsetzen kann, halten wir uns da einfach etwas zurück und genießen dafür den prachtvollen Kuchen eben so.
Auch mit diesem Menü belegt Eric Werner erneut, dass ihm ein hohes Niveau auch bei seinem Take Away-Angebot wichtig ist. Das zeigt sich bereits in der Wahl der hochwertigen Zutaten und den eleganten Kompositionen, in denen er seinem Stil einer modernen Klassik immer treu bleibt.
Damit bietet er auch weiterhin eines der attraktivsten Menüs an, die man zu diesem Preis bekommen kann.
#supportyourlocalrestaurants
Details
Restaurant: | astrein |
Adresse: | Krefelder Straße 37, 50670 Köln |
Öffnungszeiten: | Mittwoch – Donnerstag: 18:00 – 23:00 Uhr Freitag – Samstag 17:00 – 19:30 Uhr & 20:00 – 23:00 Uhr Ruhetag: Sonntag, Montag und Dienstag |
Website: | www.astrein-restaurant.de/ |
Schlagworte
astrein, Eric Werner, französisch, Köln, kreativ, Michelin, moderne Klassik, Take Away
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