Bareiss, Baiersbronn
Am 2. Oktober 2022 in Deutschland | 2612 Aufrufe | 2 Kommentare
Das Doppelprogramm aus drei Sternen im Tonbachtal und im „Bareiss“ hatten wir schon vor zwei Jahren geplant. Damals, noch kurz vor dem ersten Lockdown, war aus bekannten Gründen nur ein Besuch im „Bareiss“ möglich, aber der hatte, nachdem wir zuvor etliche Jahre nicht dort waren, einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Sowohl die „Schwarzwaldstube“ als auch das „Bareiss“ stehen auf ihre Weise für eine traditionelle Küche mit stark französisch geprägter Grundlage. Als Gesamtkonzept ist letzteres noch konsequenter der Klassik verpflichtet. Das beginnt schon mit der Einrichtung, die an Opulenz, üppigem Blumenschmuck und Tischkultur nichts vermissen lässt.
Auch an der Speisenauswahl ist nicht, wie an vielen anderen Orten, irgendein Sparzwang erkennbar. Nach wie vor gibt es ein kleines und großes Degustationsmenü, ein vegetarisches sowie ein Mittagsmenü und auch die à la Carte-Auswahl mit ihren mehrteiligen Kreationen ist umfangreich wie immer. Auch wenn vor allem immer wieder die variantenreichen und mehrteiligen à la Carte-Gerichte gelobt und empfohlen werden, entscheiden wir uns für das aktuelle Menü.
Das beginnt, wie immer hier, mit der schon legendären Apéro-Étagère. Die enthält meistens eine kleine Tarte, diesmal von karamellisierter Röstzwiebel, eine Sushi-Rolle mit grünem Wasabi, die mir in Konsistenz und fein austarierter Schärfe diesmal am besten gefällt. Auch ein Pastrami vom Wagyu mit Barbecue-Sauce und eine Tartelette mit Lachsforelle aus den eigenen Teichen sind fein abgeschmeckt, bleiben aber aromatisch im Vergleich eher unauffällig.
Bevor es ins eigentliche Menü startet, schickt Claus-Peter Lumpp immer ein kaltes und ein warmes Amuse Bouche. Auch bei unserem letzten Besuch war das kalte Gericht vegetarisch, diesmal ist es eine Variation rund um Kartoffel und Birne. Auf dem Hauptteller findet sich eine Terrine mit Meerrettich, im Glas dazu ein Espuma mit Crunch. Birne findet sich in beiden Versionen in unterschiedlichen Konsistenzen. In Summe ist das recht mild, aber abwechslungsreich und eine schöne vegetarische Fingerübung.
Das warme Amuse Bouche fällt aromatisch schon deutlich ausladender aus. Gebratenes Filet vom schwarzen Heilbutt kombiniert Lumpp mit Duftreis und Curry. Das verströmt bereits einen tollen, intensiven Duft und begeistert mit angenehmer, ganz leichter Schärfe und sehr subtil eingesetzter Koriandernote.
Gänseleberterrine gehört im „Bareiss“ zum kulinarischen Pflichtprogramm und selten kann man sie handwerklich besser erleben. In dieser Version kommt sie marmoriert und in unterschiedlichen Texturen, dazu noch eine kleine exzellente Crème Brûlée. In einem Ring aus Sauerrahm-Mousse findet sich ein Sud von grünem Apfel sowie marinierte ausgestochene Apfelkügelchen. À part gibt es noch ein intensives Sorbet und ein Espuma vom grünen Apfel. Durch diese ausgesprochen frische Apfelbegleitung erhält das ganze Gericht eine erstaunliche Leichtigkeit und macht es damit sehr zeitgemäß.
Es folgen gut und nicht zu glasig gegarte Langostinos mit sautiertem und mariniertem Fenchel. Letzterer ist ganz klassisch mit Orange abgeschmeckt. Sesamchips sowie eine Ducca-aromatisierte Sauce fügen einen nussigen Charakter hinzu, was den harmonischen und stimmigen Charakter unterstützt.
Der in Olivenöl konfierte Kalbeljau blättert wunderbar perfekt auf, braucht und bekommt aber einige kräftige Mitspieler. Feigen fügen fruchtige Süße bei, Belugalinsen erdige Noten und Senfkörner pur und als Sauce runden das ausgewogene Süße-Säure-Spiel gekonnt ab.
Wir sind mitten in der Steinpilzsaison und da passt ein vegetarischer Gang sehr gut. Die Steinpilze bereitet Lumpp als Ragout, Püree, gebraten und als Sauce zu. Der sehr gut gegarte Kohlrabi ist mit dem Ragout gefüllt und auf dem Knusperblatt befinden sich diverse Cremes. Das ist alles ausgesprochen aufwändig gearbeitet und natürlich sind die Steinpilze auch sehr lecker. Aber trotzdem wird das irgendwann geschmacklich etwas einförmig, ohne dass ich genau sagen könnte, warum eigentlich. Jammern auf hohem Niveau halt.
Im Hauptgang gibt es, wie zu dieser Jahreszeit kaum anders zu erwarten, Reh aus der eigenen Jagd. Und das ist nun wirklich Klassik pur. Der Rücken perfekt gegart mit wildem Brokkoli und mit Haselnüssen. Dazu gibt es pochierte Nüsschen mit Blumenkohlpüree, das eine Risotto-ähnliche Konsistenz aufweist. Beide Teller sind sich in der Struktur durchaus ähnlich. Etwas schade finde ich, dass es nichts Geschmortes gibt, was die Variation etwas abwechslungsreicher gestaltet hätte. Trotzdem ist das natürlich sehr gut zubereitet, auch mit intensiven Saucen von tadellosem Handwerk, wenngleich auch etwas überraschungsarm.
Der Käsewagen ist gewohnt üppigst bestückt und begeistert mich vor allem mit der tollen Auswahl auch unbekannterer Sorten. Das macht ihn besonders spannend.
Ab jetzt hat Stefan Leitner seinen Auftritt, dessen Desserts zu den elegantesten im Lande gehören. Modernistische Kreationen oder zeitgeistige Gemüsekreationen sind seine Sache nicht. Und so bietet auch dieses Dessert um Zartbitterschokolade und Passionsfrucht nicht nur eine klassisch harmonische Kombination, sondern eine ganze Bandbreite unterschiedlichster Texturen. Das ist sehr abwechslungsreich, durch den Schokoladenanteil aber auch sehr üppig. Da kommt das à part gereichte Ananas-Kompott mit Tamarinde und Bananen-Kiwi-Eis als erfrischende Komponente gerade recht. Ein sehr guter Abschluss.
Aber wie gut Stefan Leitner sein Handwerk beherrscht, zeigt er auch noch in den folgenden Petits Fours, die wie immer perfekt gearbeitet sind. Allerdings hat beim Cannelé, meiner absoluten Lieblingssüßigkeit, der Kollege aus dem Tonbachtal mit seinem Exemplar dann doch die Nase vorn. Mit dem zum Schluss noch an den Tisch rollenden Friandises-Wagen und der ausladenden Pralinenauswahl gibt es aber genug Möglichkeiten, sich dem süßen Leben zu widmen. Wenn man dann noch kann.
Der Service rund um Maître Thomas Brandt agiert gewohnt souverän und herzlich. Besonders hervorzuheben ist erneut Teoman Mezda in seiner zurückgenommenen, aber immer eloquenten Weinberatung. Für mich, und da mag ich mich zu meinem letzten Bericht wiederholen, ist er einer der angenehmsten Sommeliers der Branche.
Das „Bareiss“ ist und bleibt eine der letzten Bastionen der klassischen Küche. Als Claus-Peter Lumpp nach dem Menü seine Runde dreht, hören wir, wie er am Nachbartisch mit den Gästen über seinen Stil spricht. „Wir können nicht anders kochen.“ Das stimmt und stimmt auch wieder nicht, denn natürlich hat Claus-Peter Lumpp seine Gerichte an vielen Stellschrauben mit der Zeit leichter und schlanker gestaltet. Dass er dabei den traditionellen Charakter seiner Küche nicht verlässt, beweist, wie geschickt er Konstanz mit Evolution zu verbinden weiß.
Das Restaurant ist an diesem Abend ausgebucht. Es wird à la carte geschlemmt, Kaviardosen machen die Runde, viele Menüs werden bestellt. Dekantierte Weine stehen bereits auf Tischen, Weinbegleitungen und individuelle Weinbestellungen zeugen von großer Genussfreude. Und genau das ist das „Bareiss“ immer gewesen: ein Ort großzügigen Genusses. Es ist nicht anzunehmen, dass sich daran etwas ändern wird. Und das ist auch gut so.
Details
Restaurant: | Bareiss |
Adresse: | Hermine-Bareiss-Weg 1, 72270 Baiersbronn |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Sonntag: ab 12.00 Uhr und ab 19.00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.bareiss.com/kulinarik/a-la-carte-restaurants/3-restaurant-bareiss.html |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Baiersbronn, Claus-Peter Lumpp, französisch, Hotel Bareiss, klassisch, Stefan Leitner, Teoman Mezda, Thomas Brandt
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Sehr klassisch, war auch mein Gedanke beim Lesen! Und dein Resümee hat es dann auch bestätigt! Trotz deines Unbehagens hätte ich den Kohlrabi sehr gerne probiert!
Ich hatte gar kein Unbehagen und mag Kohlrabi ja auch sehr gern. Es hat auch gut geschmeckt, nur hätte ich mir noch eine Spannungskomponente im Gericht gewünscht. Ansonsten alles gut!