Boury, Roeselare
Am 31. August 2023 in Belgien | 1937 Aufrufe
In unseren Urlauben lassen wir es uns kulinarisch wahrlich nicht schlecht gehen, aber dennoch darf es gerne zum Beginn oder als Abschluss, manchmal auch zu beidem, einen richtigen Knaller geben.
Dieses Mal führt die letzte Station unserer kleinen Frankreich-Rundreise knapp hinter die Grenze nach Westflandern ins belgische Roeselare, ins „Boury“, das vor zwei Jahren den dritten Michelinstern erhalten hat.
Das Restaurant ist in einer eleganten Backsteinvilla beheimatet, dessen akkurater Vorgarten und Parkplatz bereits Assoziationen an ein englisches Herrenhaus aufkommen lassen. Auch der Garten im hinteren Teil des Hauses, in dem bei schönem Wetter Apéritif und erste Snacks eingenommen werden können, macht da keine Ausnahme, auch wenn die extravagante Bar etwas spacig wirkt. Heute ist das Wetter nicht gut und so zieht der Mähroboter einsam seine Runden.
Im Inneren setzt sich der elegante Eindruck fort. Die Treppe zu den Gästezimmern ist mit schwerem Teppich ausgestattet. Klares, stylishes Design zeichnet Möbel und Kunst aus. Der Speisesaal ist hell und licht gestaltet mit Blick in den Garten und reichlich Abstand zwischen den Tischen. Es ist hell, aber nicht grell und mit dem Service, der vom ersten Moment an präsent ist und mit erfrischender Herzlichkeit punkten kann, fühlen wir uns sehr wohl.
Die Karte weist ein Menü aus, in sieben Gängen zu 260€, mit zusätzlichem Signature-Dish zu 305€. Optional kann noch Käse gewählt werden. Eine Portion zum Teilen ist kein Problem.
Außer an Wochenenden und Feiertagen kann zudem aus einer kleinen Auswahl an À la Carte-Gerichten gewählt werden. Wir entscheiden uns für das Menü ohne Signature Dish, dafür mit Käse zum Teilen.
Zum Apéritif – wir entscheiden uns für hervorragenden Gin-Tonic, den es hier in hauseigener Aufmachung in unterschiedlichen geschmacklichen Ausprägungen gibt – folgen bald die ersten Appetizer. Die Fingersnacks changieren zwischen kühl und frisch bei Melone und Yuzu-Eiskugel, dezent bei Gurke und Apfel sowie würzig bei der Tartelette mit Paprika und Honig sowie dem Teigkissen mit Schinken vom Txogitxu-Rind und Avocado. Ein sehr schöner erster Einstieg.
Währenddessen hat uns auch die umfangreiche Weinkarte erreicht. Erfreulicherweise wird sie auf einem Beistelltisch abgelegt, so dass man nicht mit dem Monstrum rumhantieren muss. Eine elegante Lösung, die ich mir auch in manch anderem Haus wünschen würde. Dass sich in der Auswahl auch eine große Auswahl an Weinen unter 100€ findet, finde ich für ein Haus dieser Klasse besonders bemerkenswert. Mathieu Vanneste, der zuvor Sommelier im ebenfalls dreifach besternten „Hof van Cleve“ war, wird uns bei der Wahl der passenden Flaschen eine gute Hilfe sein, wobei er unsere Präferenzen gut aufnimmt und wir mit seinen Empfehlungen sehr zufrieden sind. Darüber hinaus hat er spannende Geschichten zu den Weinen und Winzern zu erzählen und es macht Spaß, mit ihm zu plaudern.
Die nächste Runde an Grüßen folgt mit einer Variation von Gado Gado mit Sambal, einem indonesischen, gemüsebasierten Gericht, das sich hier vor allem durch den verwendeten Sambal sehr würzig präsentiert.
Parallel dazu gibt es einen mit Lammschulter gefüllten Tortellini mit Parmesanschaum, bei dem mir vor allem die aromatische Sauce gefällt.
Zusätzlich zu den in der Menükarte ausgewiesenen Grüßen folgt noch ein weiteres Amuse Bouche. Tim Boury kombiniert hier ein Tatar vom Wagyu mit Taschenkrebs und einer Sabayon. Das ergibt ein schönes Wechselspiel von frisch, kräftig und füllig.
All diesen Kleinigkeiten ist gemeinsam, dass sie mega-präzise und fein gearbeitet sind. Hier wird nicht mit übermäßig vielen Komponenten pro Gruß gearbeitet, sondern so, dass die Aromen sehr klar herauskommen.
Dazu wird ein ausgezeichnetes Brioche Feuilletée gereicht, das per se schon sehr reichhaltig ist, aber eben auch unwiderstehlich buttrig und köstlich. Es wird danach noch Sauerteigbrot geben, das auch nicht schlecht ist, das wir aber aufgrund des noch vor uns liegenden Programms nur minimal probieren.
Nach dieser reichhaltigen Ouvertüre geht es mit dem Wolfsbarsch nun im Menü los. Der Fisch wird auf zweierlei Art präsentiert: Roh mariniert mit Avocado und einem sehr eleganten Selleriesalat in einem frischen, aber durch Öl auch sehr gehaltvollen Sud. Das ist ganz ausgezeichnet.
Separat gibt es einen Taco mit Tatar und Kräutern, der einen guten Kontrapunkt zum fülligen Hauptteller darstellt.
Es folgt ein Stück Nordsee-Steinbutt mit Muscheln aus Zeeland, also Zutaten, die man quasi vor der Haustür hat. Der Muschelsud dazu ist konzentriert eingekocht und mit Butter aufgemixt, weist aber dennoch eine feine, scharfe Säure auf. Der Algenchip dazu ist von prägnantem Eigengeschmack und gibt nicht nur zusätzliche Textur. Der ganze Teller ist einfach nur harmonisch und köstlich.
Der folgende Gang sind eigentlich drei Gänge, denn jetzt wird bretonischer Hummer durchdekliniert. Die ersten beiden Teller, die gleichzeitig serviert werden, zeigen ihn einmal in frischer Form mit Tomate, eingelegten Erdbeeren in einem Basilikumsud. Auch hier wurde erneut eine recht ölige und füllige, aber eben auch extrem geschmackvolle Textur erzielt.
Parallel ist der Corail in einer Zucchiniblüte als Mousse gearbeitet. Die cremige Sauce enthält Sanddorn, dessen typische Säure hier aber sehr gezügelt ist. Auch dies ein üppiger und ausgesprochen harmonischer Gang.
Der dritte Teil präsentiert den gegrillten Hummerschwanz auf einem Tomatenconcassée mit Cremes von Kalamata-Olive und Basilikum sowie einer leicht salzigen Burrata. Das ist eine ungewöhnlich mediterrane Einfassung und Kombination, die sich aber als ebenso stimmig erweist. Eine Produktvariation vom Feinsten.
Weiter geht es mit einer warmen Tartelette mit Pfifferlingen, geräucherten Zwiebeln, dünn gehobelten Mandeln und einem Espuma von Topinambur. Verglichen mit den vorherigen Gängen erscheint diese saucenfreie Portion überschaubar, entpuppt sich dann aber doch als reichhaltig und vor allem sehr umami-lastig.
Parallel dazu wird eine Essenz von Pilzen und Zwiebeln gereicht. Die ist zwar sehr konzentriert und intensiv, aber nicht so sehr, dass es an der Grenze zu klebrig wäre. Es ist ausgesprochen fein austariert.
Im Hauptgang gibt es Anjou-Taube, die im Ganzen gebraten und dann filettiert auf dem Grill nachgebraten wurde. Die Brust ist mit Pistazienkruste versehen, dazu gibt es Borlottibohnen sowie dünn geschnittene fermentierte Pflaume. Im Teigröllchen ist Entenleber verarbeitet, die eine angenehme Cremigkeit beisteuert.
À part wird die im Kataifi-Teig ausgebackene Keule serviert, die superzart gerät. Ein insgesamt abwechslungsreicher und durchgehend köstlicher Gang.
Obwohl bereits gut gesättigt, möchte ich nicht auf etwas Käse verzichten. So teilen wir uns einen Teller von der kleinen, aber sorgfältigen Auswahl lokaler und französischer Sorten. Dazu werden geröstete Brioche, Früchtebrot, Gelee, Quittenkompott und Trauben gereicht. Das ist nett gemacht, aber an dieser Stelle der Beilagen schlicht zu viel.
So sind wir bei der süßen Abteilung angekommen und die beginnt mit Himbeeren in diversen Strukturen, als Gelee, Mousse und gefüllt. Ricotta und Sauerampfereis, ebenfalls in Himbeerform sind eine nette Spielerei und an dieser Stelle sehr erfrischend.
Das Hauptdessert hat Pfirsich zum Thema und wird erneut in Variation durchgespielt. Da ist zum einen Pfirsich aus der Gascogne auf einem Kuchen, in dem meines Erachtens auch Rhabarber eingearbeitet ist, der wiederum auf einem Sablé platziert ist. Dazu gibt es ein Eis von Vanille Bleu aus Réunion, einer der wertvollsten und aromatischsten Vanillesorten.
Auf dem zweiten Teller ist Weinbergspfirsich als Kompott und Eis unter einer Haube von Holunderblütenschaum verarbeitet. Das ist insgesamt säuerlicher, so dass sich ein schöner Kontrast zwischen beiden Versionen ergibt. Handwerklich ist das gut gemacht und überzeugt vor allem durch die direkte und klare Präsentation, die ohne große Dekoration, Tupfen und Straßen auskommt.
Natürlich folgen auch noch einige Petits Fours. Cannelés, Himbeer-Marshmellow-Rollen und eine Waffel mit Rhabarbereis warten auch noch darauf, verspeist zu werden. Aber spätestens an dieser Stelle müssen wir passen. So sehr vor allem auch das Eissandwich lockt, so reicht es der Chronistenpflicht halber nur noch für den Cannelé.
Als wäre es damit noch nicht genug, kommt mit etwas zeitlichem Abstand noch eine frisch gebackene belgische Waffel mit einer Crème Surprise und Marmelade. Auch hier können wir nur noch eine kleine Ecke probieren. Mehr geht schlichtweg nicht mehr.
Auch wenn der Signature Dish, bei dem es vor allem um Kaviari Paris Ossietra geht und das in seinen Beilagen variiert, sicherlich lohnenswert gewesen wäre, sind wir froh, uns auf das Standardmenü beschränkt zu haben, das auch so mehr als umfangreich ist und uns pappsatt und sehr zufrieden in die Nacht schickt.
Tim Bourys Küche ist einer modernen Klassik verpflichtet, die avantgardistische Tendenzen vermeidet, sich aber auf einem atemberaubenden technischen und qualitativen Niveau bewegt. Die Gerichte sind klar und auf den Punkt sowie durchgehend aromatisch und harmonisch. Das war schon sehr beeindruckend und hat uns auf jeden Fall abgeholt.
Zum Glück haben wir es nur noch eine Etage höher in eines der überaus geschmackvollen Gästezimmer, wo sich das hervorragende Niveau mit Turndown-Service, aufgeräumtem Zimmer und anderen aufmerksamen Kleinigkeiten fortsetzt.
Das auf dem Zimmer am folgenden Morgen servierte Frühstück ist dann, wenig überraschend, eines der besten, das wir in unserem Urlaub genießen konnten.
Damit ist das „Boury“ als Gesamtpaket eine Genussdestination par excellence und für uns auch künftig eine Reise wert.
Details
Restaurant: | Boury |
Adresse: | Rumbeeksesteenweg 300, 8800 Roeselare |
Öffnungszeiten: | Mittwoch bis Samstag: Mittags und abends (Ankunftszeit Mittag: 12.00 - 12.30 Uhr, Abend: 19.00 - 19.45 Uhr) Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.restaurantboury.be/ |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Boury, kreativ, Mathieu Vanneste, moderne Klassik, Roeselare, Tim Boury
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