
Fine Fleur, Antwerpen
Am 7. Dezember 2022 in Belgien | 1231 Aufrufe | 2 Kommentare
Wenn Dreisterne-Köche, gewollt oder ungewollt, ihr Restaurant schließen müssen, sind sie anschließend häufig als Gastkoch unterwegs oder widmen sich anderen Projekten. Das ist bei Thomas Bühner so und ebenso bei Jacob Jan Boerma. Bis Ende 2019 betrieb er mit seiner Frau das „De Leest“ in Vaassen, das seit 2015 mit drei Sternen ausgezeichnet war.
Anders als bei Bühner, dessen „La Vie“ fremdbestimmt geschlossen wurde, entschied sich Jacob Jan Boerma aus freien Stücken, das Kapitel „De Leest“ zu beenden. In Amsterdam eröffnete er im Grand Hotel Krasnapolsky das Restaurant „The White Room“, stand dort aber nicht selbst am Herd, sondern überließ die Küchenleitung einem seiner Köche.
Nun ist Boerma auch in Antwerpen aktiv, wo sich im Luxus-Hotel „Botanic Sanctuary“ diverse Restaurants angesiedelt haben, für die man neben Jan Jacob Boerma auch Gert de Mangeleer mit seinem dort wiedereröffneten „Hertog Jan“ und der „Bar Bulot“ gewinnen konnte.
„Fine Fleur“ heißt Boermas neuestes Projekt, für das er mit Thomas Diepersloot ebenfalls einen ehemaligen Mitstreiter aus dem „De Leest“ als Küchenchef verpflichten konnte. Konzeptionell und stilistisch spricht man also eine Sprache.
Und die ist eindeutig klassisch ausgerichtet, was sich bereits in den ersten, zügig servierten, Apéros deutlich zeigt. Der Zylinder von Taschenkrebs, Koriander und Ingwer ist moderat asiatisch abgestimmt. Allerdings präsentiert sich die hübsche Hülle etwas zäh und süß.
Die Nori-Tartelette von geräuchertem Aal, Dill und Apfel mit Mousse von Oliven ist da schon vielschichtiger und hinterlässt eine leicht rauchige Note.
Ganz ausgezeichnet gerät der Rote Bete Macaron mit Foie Gras, fermentierter Kirsche und Nüssen. Das ist wunderbar schmelzig mit präzise herausgearbeiteten Aromen.
Während wir diese ersten, bereits sehr gut gelungenen, Happen genießen, studieren wir das Menü, das abends in fünf oder sechs Gängen (105€ / 125€), mittags auch in vier Gängen (85€) erhältlich ist. Upgrades in Form eines Extraganges, Käse und Kaviar zum Fischgang sind möglich.
Die Weinbegleitung, die je nach Menügröße mit 60€ bzw. 70€ preislich erstaunlich moderat ausfällt, schlagen wir aus und wählen stattdessen aus der gut sortierten und ebenfalls außerordentlich fair kalkulierten Weinkarte
Es folgen zwei weitere Grüße. Als erstes kommt ein Tatar vom Lachs mit Jalapeno, Fetaespuma und Tomatengranité. Letzteres ist zwar etwas hart, aber ansonsten ist das eine schöne Kombi mit prägnanter Schärfe.

Das abschließende Amuse Bouche ist ein warmes Gericht um Mais, zweierlei Kohl, Trüffelschaum und Kaffeeöl. Die Süße des Mais wird durch die originelle Kaffeenote üppig kontrastiert. Sehr gelungen.

Brot, Butter und Olivenöl sind gut, bleiben aber angesichts des noch folgenden Programms weitestgehend unberührt.

Der erste Gang des Menüs ist ein abwechslungsreiches Potpourri rund um Makrele und Rote Bete. Der Fisch kommt als Ceviche und Tatar, die Rote Bete pur und als Mousse. Flankiert wird alles von gepickelter Zwiebel, Dill, Meerrettich und Couscous in graupenähnlicher Textur, also recht klassischen Zutaten. Das wirkt zwar alles etwas verspielt, ist aber intelligent zusammengestellt, frisch und erlaubt viele Kombinationen.

Es folgt eine gut gebratene Jakobsmuschel mit schönen Röstaromen, flankiert von Topinambur in Stücken und als Creme. Frühlingszwiebel, Haselnussöl und Trüffel geben dem Gericht eine schöne herbstliche Anmutung. Das ist üppig und harmonisch kombiniert.

Ebenso harmonisch geht es weiter mit der bei Niedertemperatur glasig gegarten Forelle auf einem Bett von Sauerkraut, das sich auch als Haube auf dem Fisch befindet. Dazu gibt es Crumble von Kapern und Kartoffeln sowie ein Chorizoöl, das aber so mild ausfällt, dass es keine vordergründige Schärfe beisteuert. Auch die großzügige Nocke Kaviar drängt sich hier nicht in den Mittelpunkt, sondern ist quasi mehr für den Luxustouch. Funktioniert hätte der Gang auch ohne.

Auch beim Wolfsbarsch setzt Thomas Diepersloot mit Blumenkohl, gebraten und als Püree, sowie Schnippelbohnen auf durchaus alltägliche Zutaten. Die Algencreme auf dem Fisch ist da schon das exotischste im Gericht, das sich zwar etwas wenig überraschend präsentiert, aber dafür sorgfältig und gut gekocht ist. Und auch hier ist das Prädikat harmonisch durchaus passend.

Die Wildente im Hauptgang ist sous-vide gegart und hätte, wie meistens bei solchen Zubereitungen, für meinen Geschmack zumindest ein paar Röstaromen vertragen können. Dazu gibt es geräuchertes Selleriepüree, Spitzkohl mit Umeboshigel, Steckrübe und Shiitake. Alles ist sehr sorgfältig gemacht, auch die Sauce hat genug Tiefe. Abgesehen davon, dass der Gang etwas lauwarm ist, kann er aber trotzdem überzeugen.

Ausgesprochen frisch endet das Menü mit einem Dessert, in dem Zitrone, Bergamotte und eine ausgezeichnete Ziegenmilcheiscreme die Hauptrolle spielen. Baiser und eine Knusperplatte sorgen für Textur in diesem unkomplizierten, säuerlich erfrischenden Vergnügen.

Die klassische Linie zieht sich auch bei den abschließenden Petits Fours fort. Macaron mit Blutorange, Praliné mit Kalamansi, Madeleine mit Schokolade und Beeren-Jelly sind akkurat gearbeitet und bestätigen das gute Niveau der Küche.

Jacob Jan Boerma und Thomas Diepersloot haben mit dem „Fine Fleur“ einen Stil getroffen, der ganz offenbar den Geschmack des Publikums trifft. Klassisch fundiert, häufig mit regionalen und vermeintlich einfachen Zutaten, ist die Küche hier nicht auf polarisierende Kombinationen aus, sondern setzt ganz auf harmonische Gesamtbilder. Das Restaurant ist auch an einem Mittwochabend ausgebucht und innerhalb des Hotelkomplexes mit konstant hohem Zuspruch, während, wie uns an anderer Stelle erzählt wird, die „Bar Bulot“ nebenan in der Beziehung offenbar schwächelt.
Der Michelinstern und die 16 Gault Millau-Punkte, entsprechen auch nach unserer Einschätzung der gebotenen Leistung.
Neben der Küchenleistung trägt auch der sehr aufmerksame Service unter Restaurantleiter Mark Reynders und die über die Maßen charmante und kompetente Sommelière Melissa Dominicus zum Wohlbefinden bei. Sie arbeitete zuvor im „The Jane“ und nach kurzem Smalltalk erinnerten wir uns beide aneinander, was den Spaßfaktor im Laufe des Abends erhöht.
Das „Fine Fleur“ wird seinen festen Platz in der Antwerpener Szene finden. Eine konstant gute Küche mit sehr mehrheitsfähiger Küche, Top-Service und ein ausgezeichnetes Preis-Genuss-Verhältnis sind dafür schon mal prima Garanten.
Details
Restaurant: | Fine Fleur |
Adresse: | Lange Gasthuisstraat 41b, 2000 Antwerpen |
Öffnungszeiten: | Dienstag: 18.00 - 20.00 Uhr Mittwoch - Samstag: 12.00 - 13.30 Uhr und 18.00 - 20.00 Uhr Sonntag & Montag: Ruhetag |
Website: | www.restaurantfinefleur.be/ |
Schlagworte
Antwerpen, Botanic Sanctuary, Fine Fleur, Jacob Jan Boerma, kreativ, Michelin, moderne Klassik, Thomas Dieperdutch
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