Bozar, Brüssel

Manchmal genügt bei mir schon ein Bild, das ich irgendwo sehe und das in mir den Wunsch weckt, ein Restaurant zu besuchen. Im Falle des Brüsseler Restaurant „Bozar“ ist es eine perfekte Pâté-Croûte und das Portrait des Chefs Karen Torosyan im Gault Millau-Magazin.

Von diesem Restaurant hatte ich bis zu dem Zeitpunkt noch nie gehört. Und dass sich ein Koch so ganz einem Handwerk widmet, das traditioneller und klassischer kaum sein könnte, nämlich Pasteten, Pithiviers und anderen in Teig gebackenen, häufig mehrschichtigen Speisen, übt auf mich eine unwiderstehliche Faszination aus.

Es sind Gerichte, die von den Speisekarten dieser Welt nach und nach zu verschwinden drohen. Und wenn die Wirklichkeit den Bildern im Bericht nur ansatzweise nahekommt, dann könnte dies so etwas wie eine kulinarische Kulturerbestätte sein. Also auf nach Brüssel!

Das langgezogene Restaurant ist von außen unscheinbar und innen von schlichter Eleganz mit Art-Déco-Anklängen und zeitlosen Arne Jacobsen-Stühlen.

Die Karte listet Menüs in vier (85 Euro) und sechs Gängen (115 Euro), dazu je zwei Vorspeisen (65 Euro), Hauptgerichte (85 Euro) und Desserts (25 Euro) sowie Käse.

Die Croûtes, für die Torosyan vor allem berühmt ist, sind überwiegend für zwei oder sechs bis acht Personen (105 Euro p.P.) nur nach Vorbestellung zu haben. Ein Gericht daraus, das „Granivore Pigeon“, ist allerdings auch im Viergang-Menü „Casse-Croûte“ (185 Euro)  zu bekommen und das ist nicht nur unsere Wahl, sondern auch der Grund unseres Besuches in der Europa-Metropole.

Zusammen mit hauchdünnem, würzigen Brot aus der armenischen Heimat des Chefs erreicht uns als erster Snack ein Choux mit sehr präsenter Parmesancreme und Pata Negra-Schinken. Letzterer ist zwar im Inneren sichtbar, macht sich aber geschmacklich kaum bemerkbar.

Apéro
Apéro

Eine Tartelette mit klassischer Foie Gras-Terrine bekommt durch Kaviar von Blutorangen eine leichte Bitternote, die die zarte Süße der Leber fein kontrastiert.

Apéro
Apéro

Als abschließendes Amuse Bouche serviert die Küche eine Krokette von grauen Shrimps, die den typischen Geschmack der Krustentiere gut herausarbeitet und perfekt knusprig und ohne aufdringlichen Fettgeschmack ausgebacken ist. Die schaumige Krustentiersauce bringt eine überraschende Schärfe mit, die sich aber gut mit der Krokette verträgt.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Es wird Brioche serviert, später auch noch Weißbrot. Aber angesichts des sehr teiglastigen Menüs rühren wir das kaum an. Was wir probieren, ist gut.

Brioche & Salzbutter
Brioche & Salzbutter

Die Ouvertüre zu den Signature-Dishes des Menüs bildet ein in einer Cocktailschale recht übersichtlich anmutendes Tatar vom Wolfsbarsch auf einer Sauerampfermousse und Kaviar. Die Mousse bringt einen sehr schönen säuerlichen Ton, der großkörnige Kaviar eine feine Salzigkeit und generell ist das alles sehr mutig gewürzt mit angenehmem Wumms. Die Portion mag klein wirken, aber sie hat es definitiv in sich. Ein ausgewogener, frischer Start, elegant und mit Kraft.

Wolfsbarsch - Sauerampfer_ Meerfenchel- Caspian Tradition Kaviar
Wolfsbarsch - Sauerampfer_ Meerfenchel- Caspian Tradition Kaviar

Stolz präsentiert der Service vor dem ersten Gang die Noble Pâté-Croûte, die uns jetzt erwartet und für die Karen Torosyan weithin berühmt ist. 2015 ist er in dieser Disziplin Weltmeister geworden. Und alleine, was uns als perfekt glänzende Teighülle mit wunderschön modellierter Dekoration anlacht, verspricht größtes Vergnügen.

Dass sich auf dem Teller nur eine halbe Scheibe findet, enttäuscht mich zwar zunächst ein wenig. Im weiteren Verlauf des Abends wird sich das aber als kluge Portionierung herausstellen.

Die Pastete selbst ist in der Tat von allererster Güte. Kompakte Farce vom Bigorre-Schwein wechselt sich ab mit aromatischer Burgaud-Entenbrust, Pistazien und einem Kern von schmelziger Gänseleberterrine. Das Gelee dazu ist kräftig abgeschmeckt, der Teigmantel nicht zu dünn und nicht zu dick, perfekt gebacken. Das ist alles sehr würzig mit idealem Verhältnis von Teig zu Gelee und Füllung. Wir haben die ein oder andere Pastete in unserem Leben gegessen. Diese hier – auch wenn es nur eine halbe Scheibe ist – ist ab jetzt der Benchmark.

Dazu gibt es allerfeinstes Mirepoix von Karotte und vermutlich Kürbis sowie ganz rustikal eingelegte Essiggurken aus dem Glas zum Selbstbedienen.

Noble Pâté-Croûte - Schwarzes Bigorre Schwein - Burgaud Ente - gepickeltes Gemüse
Noble Pâté-Croûte - Schwarzes Bigorre Schwein - Burgaud Ente - gepickeltes Gemüse

Es folgt das Hauptstück des Menüs, ein Dreierlei von Taubenbrust, Gänseleber und geräuchertem Aal in einem Cerealien-Mantel. Karen Torosyan schneidet die Pastete am Tisch selbst an und richtet sie auf einem Teller mit wunderbar glänzender Rotwein-Pfeffer-Sauce an. Es ist dieser Moment, wenn der Anschnitt offenbart, ob es alles so gelungen ist, wie es sein sollte und der die Schönheit dieser Komposition freilegt.

Mehr Beilagen braucht es nicht. Die Portion ist üppigst bemessen, die Sauce von großer Tiefe, pointierter Schärfe und makellosem Handwerk. Separat gibt es noch die Taubenkeule im Pistazienmantel zum Abknabbern.

Spannend ist an diesem Gericht vor allem die Kombination mit geräuchertem Aal, die eine ungewohnte und spannende Note in den Dreiklang bringt. Auch die Cerealien sind nicht nur aus textureller Sicht eine Ergänzung, die das geschmackliche Spektrum erweitert. Alleine die unterschiedlichen Garpunkte der verschiedenen Komponenten so genau zu treffen, ist schwer beeindruckend. Und geschmacklich ist das ebenfalls ein Highlight, das den Erwartungen perfekt gerecht geworden ist.

Nach diesem äußerst opulenten Gang ist der Sättigungsgrad mehr als gut erreicht, so dass das nun folgende Sorbet von Birne mit Feigenessig eine willkommene Erfrischung darstellt. Lediglich die Zuckerplatte ist für mich entbehrlich. Sie führt dazu, dass es ins leicht Klebrige abrutscht. Aber man kann sie ja auch einfach zur Seite schieben. Dann passt es.

Pré Dessert
Pré Dessert

Ebenfalls am Tisch wird das Dessert portioniert. Auch das Millefeuille mit Creme von der Tahiti-Vanille gehört zu den absoluten Signature-Dishes. Es wird auf den Punkt zubereitet und muss daher bereits zu Beginn des Menüs bestellt werden. Was dann allerdings an den Tisch gebracht wird, ist ein beachtlicher Quader, der auch nach dem Halbieren kaum weniger mächtig erscheint.

Der Blätterteig selbst ist super leicht und fluffig und kann leicht als Referenz dienen. Auch die Creme ist toll mit intensivem Vanillegeschmack. Indes – es ist nicht zu schaffen. Selbst für geübte Esser wie uns ist das schlichtweg zu viel.

So gut das ist, so weh tut es, einen Teil davon zurückgehen lassen zu müssen.

Millefeuille - Tahiti Vanille
Millefeuille - Tahiti Vanille

Frisch gebackene Madeleines, Macarons mit Vanille und eine Schokoladenpraline beenden das Menü auf ebenso klassische Weise, wie es sich von Beginn an präsentiert hat.

Karen Torosyan liefert im „Bozar“ eine französische Hochküche, die fast ein bisschen aus der Zeit gefallen scheint. Sie drängt nicht darauf, alles neu zu erfinden oder wild zu kombinieren. Sie widmet sich dem Traditionellen, das es zu erhalten und zur Perfektion zu bringen gilt. Kreativität ordnet sich hier dem Handwerk unter und das wird im „Bozar“ auf beeindruckende Weise demonstriert.

Langweilig ist die Küche aber in keinem Moment. Es wird mutig und beherzt gewürzt und wie kann so perfekt ausgeführtes Handwerk je langweilig sein? Vor allem, wenn es Traditionen erhält, deren Aufwand heute kaum noch jemand zu betreiben bereit ist. Damit schafft man sich ein Alleinstellungsmerkmal, das auch heute ganz offensichtlich noch zahlreiche Anhänger findet. Das Restaurant ist mittags wie abends sehr gut gebucht.

Und auch ich bin glücklich, dass es ein Bild war, das mich hierher geführt hat. Manchmal reicht eben schon das.

Details

Restaurant: Bozar
Adresse: Rue Baron Horta 3, 1000 Brüssel
Öffnungszeiten: Dienstag: 19.00 - 21.00 Uhr
Mittwoch - Freitag: 12.00 - 14.00 Uhr und 19.00 - 21.00 Uhr
Samstag: 19.00 - 21.00 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.bozarrestaurant.be/

Schlagworte

, , , , , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. Matthias am 11. Juni, 2022 um 7:47 Uhr.

    Hallo,
    danke für den Bericht:
    https://www.youtube.com/watch?v=4uXS0eQE5I8
    LG

  2. Thomas Westermann am 11. Juni, 2022 um 12:08 Uhr.

    Hallo,
    und danke für den Link zu diesem hoch interessanten Video. Es macht noch einmal umso mehr deutlich, wieviel Präzision und Handwerk für dieses großartige Gericht notwendig sind.
    VG

  3. Matthias am 12. Juni, 2022 um 15:37 Uhr.

    Hallo Herr Westermann,
    sehr gerne – ich lese mit großem Interesse regelmäßig Ihre Beiträge – vielen Dank für die Bereicherung.
    LG

Dein Kommentar