Die Zirbelstube, Stuttgart (geschlossen)

Er ist wieder da. Und alles andere hätte auch nur überrascht.

Nachdem die Columbia Hotel-Gruppe sich in 2015 bereits von ihren hoch dekorierten Gourmetrestaurants in Travemünde und Rüsselsheim trennte, sah es eine Zeitlang so aus, als würde dieser Kelch am „Il Giardino“ in Bad Griesbach vielleicht doch vorbei gehen. Aber Ende Mai 2016 traf es dann auch das Zweisternehaus in Niederbayern. Seitdem war es ein wenig still geworden um Denis Feix und seine Frau Kathrin, die noch kurz vor dem Aus vom Gault Millau zur Oberkellnerin des Jahres ausgezeichnet wurde.

Umso mehr größer war dann meine persönliche Freude zu hören, dass Denis Feix im Althoff-Konzern seine neue Wirkungsstätte gefunden hat, weil Thomas Althoff als einer der wenigen Hoteliers seine Gourmetrestaurants ausdrücklich pflegt und fördert. Wer aber mit Joachim Wissler und Christian Jürgens bereits zwei Dreisterner im Portfolio hat, wird sich schwerlich nur mit einem weiteren Einsterne-Restaurant zufrieden geben. Von daher dürfte die Erwartungshaltung an Denis Feix auch entsprechenden Druck erzeugen. Ob es ihm gelingen wird, Stuttgart auf der kulinarischen Landkarte stärker in den Fokus zu rücken, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist die schwäbische Metropole jetzt erst mal einfacher zu erreichen als ein beschaulicher Kurort im hinterletzten bayerischen Winkel der Republik.

So freuen wir uns also auf das Wiedersehen in der Zirbelstube des ein wenig in die Jahre gekommenen Hotels am Schlossgarten, vis-à-vis des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Viel Holz dominiert, wobei die Rustikalität durch viele Drucke moderner Kunst an den Wänden aufgelockert wird und auch ansonsten ein durchaus gemütliches Ambiente vorherrscht. Und obwohl unser letzter Besuch in Bad Griesbach fast drei Jahre her ist, erkennt uns Frau Feix sofort und begrüßt uns mit einem strahlenden Lächeln – das sie übrigens allen Gästen den gesamten Abend über schenkt.

Die ersten Grüße zum Apéritif erreichen uns mit zwei Variationen von der Ringelbete. Das eigentliche Amuse Bouche ist ein alter Bekannter, den wir bereits aus Bad Griesbach kennen. Beim „Hühnerbrot“ finden sich auf krosser Hühnerhaut neben Kräuterseitling einige Stücke vom zarten Sot l’y laisse auf leichtem Knoblauchpüree. Das ist heute wie damals einfach perfekt in der Ausführung, geschmacksintensiv, deftig und trotzdem fein.

Mittlerweile gehen ja viele Restaurants dazu über, statt einer opulenten Brot- und Brötchenauswahl nur noch einen Brotlaib anzubieten. Ich kann mit beidem sehr gut leben. Wenn nur ein Brot serviert wird, finde ich es spannend zu sehen, wie unterschiedlich diese ausfallen können. Die Version von Denis Feix gefällt mir dabei sehr gut. Das Brot ist deutlich dunkler, malziger und kräftiger als viele andere. Wie so oft müssen wir uns zügeln, uns nicht bereits daran satt zu essen.

Brot & Butter

Der Gast hat in der Zirbelstube die Wahl zwischen einem Drei- und einem Siebengang-Menü. Wir entscheiden uns – natürlich – für die große Variante, wobei ich die Vorspeise gegen die aus dem kleinen Menü tausche. Zu sehr reizt mich die Ankündigung von Morcheln, Boudin Noir und Krustentierfond – und ich werde nicht enttäuscht. Die stattliche Garnele ist in der Menükarte gar nicht angekündigt, aber natürlich passt sie perfekt und fügt sich in diese doch recht aromenstarke Komposition prächtig ein. Die wird dominiert von der würzigen Blutwurst, erhält aber mit den erdigen Morcheln und der markanten Krustentierjus ebenbürtige Mitspieler. Die Würfel vom Granny Smith puffern mit ihrer Säure und Frische ein wenig die Deftigkeit des Gerichtes ab, das aber ansonsten erstaunlich gut harmoniert.

Morcheln I Krustentiersud I Boudin noir

In einem Dreigang-Menü, wo auf diesen Gang das Hauptgericht folgt, ist diese Aromenbombe schon sinnvoll platziert. Ich gebe zu, dass ich mir die Menüdramaturgie durch den Wechsel der Vorspeise selbst ein wenig kaputt gemacht habe. Denn regulär – und damit auf dem Teller meines Mannes – startet es mit der Schwarzwaldforelle, die leicht gegart und als Ceviche von Staudensellerie und Koriander begleitet ist. Das ist natürlich deutlich feiner und eleganter.

Schwarzwaldforelle I Staudensellerie I Koriander

Weiter geht es mit Spargel sowie Verhackertem und Speck vom Mangalitza Schwein. Das alleine hätte mir im Zusammenspiel mit der schönen Sauce und dem gefüllten, knusprigen Röllchen eigentlich schon völlig genügt. Der grobe Senf schiebt das Gericht dann vollends in eine etwas rustikalere Richtung. Stört mich nicht, aber ohne hätte es mir vermutlich noch besser gefallen.

Spargel I Verhackertes vom Schwein I Pommery Senf

Rundum fabelhaft dann der folgende Gang. Ein Stück hervorragender Rotbarbe ist extrem kross gebraten, Erbsen pur und als Püree begleiten den Fisch. Helle Miso ist die Grundlage für die kräftige Jus und das Eis, das damit auch einen spannenden Temperaturkontrast liefert. Man merkt eindeutig, dass die Küche aromatisch bei jedem Gang etwas zulegt.

Rotbarbe I Erbsen I Helle Miso

Und so geht es auch mit dem ersten Fleischgang weiter, der geschmacklich an Indiens Tür klopft. Das marinierte Stubenküken aus der Bresse ist mit Tandoori gewürzt und kommt sanft gebraten und ausgebacken. Die nur sehr dezente Schärfe wird durch Kokosjoghurt abgefedert, der einmal als Sauce und als eine Art Panna Cotta serviert wird. Das ist ein durchweg harmonischer und abwechslungsreicher Gang, bei dem die indische Gewürzwelt durchaus noch etwas prägnanter hätte herausgearbeitet werden können. Aber auch so bin ich sehr zufrieden und lasse die herausragende Jus, die erfreulicherweise am Tisch gelassen wird, bis zum letzten Tropfen auf den Löffel laufen.

Stubenküken I Kokosjoghurt I Tandoori

Im Hauptgang geht es zurück in heimische Gefilde. Das Lamm von der Schwäbischen Alb ist von ausgezeichneter Qualität. Der gratinierte Rücken ist perfekt rosa gebraten und weist eine schöne Fettschicht auf, die zusätzlichen Geschmack bringt. Als geschmortes Stück diesmal die Bäckchen, ebenfalls butterzart. Eine gedörrte Dattelkirschtomate und etwas dezent eingesetzter Bärlauch sorgen für die aromatische Einfassung und erneut ist wieder perfektes Saucenhandwerk zu bewundern. Sehr schön.

Lamm I Dattelkirschtomate I Bärlauch

Der Käsegang ist als solcher kaum wahrnehmbar. Der Ziegenfrischkäse ist so mild, dass auch Nichtkäse-Esser damit keine Probleme hätten. Zudem schlägt Denis Feix ihn so fluffig auf und verarbeitet ihn als Eis, dass er bestenfalls dezent wahrnehmbar ist. Die eigentlichen Aromenlieferanten sind Sauerampfer und Erdbeeren in diversen Texturen. Das ist kühl und erfrischend und stellt gleichzeitig einen geschickten Übergang zum tatsächlich letzten Dessert dar.

Ziegenfrischkäse I Erdbeeren I Sauerampfer

Hier finden mit Schokolade und Thai Mango zwei Partner zusammen, die sich definitiv nicht weh tun. Tatsächlich mögen sie sich sogar sehr – zumal, wenn sie erneut in diversen Texturen auf dem Teller zu finden sind. Damit das ganze aber nicht in totale Harmonie abrutscht, sorgt Anis für einen gewissen Twist – ohne das Liebespaar aber allzu sehr zu stören. Insgesamt ein eher klassischer, aber geschmackvoller Abschluss.

Thai Mango I Milchschokolade I Anis

Die danach zum Kaffee gereichten Petits Fours, die das Thema Banane und Kiwi variieren, fallen dagegen ein wenig ab. Sie sind zwar durchaus fein gearbeitet, aber vielleicht liegt es daran, dass beide Früchte für meinen Geschmack nicht viel hergeben und auch nicht so wirklich zusammen passen. Kurzum: es ist einfach nicht mein Lieblingsobst und dafür kann die Küche ja nun nichts.

Petits Fours

Vergleiche ich dieses Menü mit den beiden, die wir in Bad Griesbach erlebt haben, ist eine gewisse Veränderung in der Stilistik erkennbar. Nach wie vor hält Denis Feix an seinem Dreikomponenten-Konzept fest, bei dem jeder Gang von einer Hauptzutat, einer Begleitung und einer den gewissen Twist beisteuernden Zutat geprägt ist. Diese werden auch weiterhin häufig in diversen Variationen präsentiert. Aber anders als im „Il Giardino“, wo diese Variationen in der Regel sehr separiert, oft auch auf zwei Tellern, serviert wurden, sind diese jetzt viel organischer, manchmal fast unmerklich, in das Gericht integriert. Die Anrichteweise wirkt kompakter, die Komplexität damit selbstverständlicher und weniger zur Schau gestellt. Das sei, so bestätigt Denis Feix, in der Vergangenheit auch das Problem gewesen, weil Gäste zwangsläufig dazu neigten, eine Variation gegen die andere zu bewerten.

Mit der neuen Konzeption seiner Gerichte hat Feix für meinen Geschmack damit einen guten Weg gefunden, das Drei-Komponenten-Prinzip nicht zu verlassen und trotzdem seine handwerklichen und kreativen Fähigkeiten voll ausspielen zu können. Unser Menü hatte keine erkennbaren Schwächen, zeigte eine schöne dramaturgische Steigerung und bewegte sich auf einem bemerkenswerten Niveau, mit dem Denis Feix an seine hohen früheren Bewertungen anknüpfen können sollte.

Noch kein Wort habe ich zum Wein und zum Service verloren. Und das ist sträflich, denn beides trägt in der Zirbelstube unbedingt zum Wohlfühlen bei. Kathrin Feix, die an der Seite des sympathischen Pascal Foechterlé, die Restaurantleitung übernommen hat, versieht dies mit so viel Charme, wie nur irgendwie vorstellbar. Den gesamten Abend über verliert sie ihr Strahlen nicht, selbst wenn sie nur aufmerksam prüft, ob an irgendeinem Tisch ein Handgriff zu tun ist. Generell ist aber dem gesamten Serviceteam eine ausgeprägte Herzlichkeit zu attestieren.

Die Weinbegleitung zum Menü bot neben einigen uns bekannten Winzernamen auch viel Unbekanntes und Spannendes. Von der schweizerischen autochthonen Rebsorte Petite Arvine zum Beispiel hatte ich bisher nichts gehört. Zur Rotbarbe machte er sich indes prächtig. Gleiches gilt für die eher kühle Aromatik des „Rockin Horse“, einer Weißweincuvée von Thorne & Daughters aus Südafrika zum Stubenküken. Und selbst der Spätburgunder aus Württemberg, sonst eher selten aus freien Stücken gewählt, war eine echte Entdeckung. Jens Zimmerle, der das Weingut mit seinem Vater führt, gehört scheinbar zu den aufstrebenden Winzern der Region. Mit dem Spätburgunder aus der Lage Korber Berg beweist er auf jeden Fall nachdrücklich sein Können.

Die „smashing combination“ des Abends war allerdings – mal wieder – der Wehlener Sonnenuhr von J.J.Prüm zu verdanken. Die 1998 Auslese Goldkapsel passte einfach sensationell perfekt zum Ziegenfrischkäse.

In Summe war die Weinbegleitung also nicht nur spannend, sondern durchweg auch sehr hochwertig. Kathrin Feix wird hier der Weinkarte sicher nach und nach ihren Stempel aufsetzen.

Interieur

Thomas Althoff hat mit der Verpflichtung von Denix und Kathrin Feix einen geschickten Coup gelandet. Das sympathische Ehepaar hat bereits nach wenigen Monaten einen Standard in der Zirbelstube setzen können, der darauf schließen lässt, dass Stuttgart auch kulinarisch langfristig in der ersten Liga spielt und dem Althoff-Konzern neue zusätzliche Gäste bringen wird. Der Wettbewerb zum ebenfalls ausgezeichneten Restaurant im nur einen Steinwurf entfernten Steigenberger Hotel wird sein übriges dazu tun.

Details

Restaurant: Die Zirbelstube
Adresse: Schillerstrasse 23, 70173 Stuttgart
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag ab 18.30 Uhr
Sonntag und Montag Ruhetage
Website: www.hotelschlossgarten.com/de/zirbelstube

Schlagworte

, , , , , , , , ,

Verwandte Artikel


Dein Kommentar