
Favorite, Mainz
Am 14. März 2025 in Deutschland | 794 Aufrufe
Dass besternte Restaurants, zumal in Deutschland, noch mittags geöffnet haben, ist leider sehr selten geworden. Und wenn überhaupt, dann höchstens an den Wochenenden. Eine rühmliche Ausnahme stellt hier das „Favorite“ im gleichnamigen Mainzer Parkhotel dar, das tatsächlich an allen Öffnungstagen auch einen Lunch anbietet. Und das zu einem immer noch attraktiven Preis, gemessen an dem, was abends aufgerufen wird. Man muss das sicher auch unter dem Aspekt sehen, dass damit auch potentielle Gäste für das große Abendprogramm begeistert werden sollen.
Vor gut zwei Jahren war exakt das für uns auch der Grund, uns bei einem Tagesausflug einen Einblick in die Küche von Tobias Schmitt zu verschaffen. Und in der Tat konnte das Menü seinerzeit mit eleganten Kreationen und makellosem Handwerk überzeugen. Grund genug für uns also, im Rahmen eines erneut preislich attraktiven Übernachtungsarrangements das Haus wieder zu besuchen. Das quasi Rundum-Sorglos-Paket beinhaltet hierbei ein Sechsgangmenü, Champagner zum Apéritif, die Weinbegleitung, Wasser und Kaffee.

An diesem Freitagabend ist das Restaurant erstaunlicherweise nur sehr mäßig besucht. Als wir am frühen Nachmittag einchecken, ist hier offenbar deutlich mehr los. Auch für eine größere Gesellschaft hat die Küche gut zu tun.
Dass nur wenige Tische besetzt sind, stört uns nicht. Es mag allerdings auch der Grund sein, dass die Taktung zwar nicht sportlich, aber doch insgesamt recht zügig ausfällt.
Tobias Schmitt schickt als ersten Gruß einen Ententee. Der Shot gefällt mit würzig-kräftigem Geschmack.

Die auf einem Ast servierten Häppchen sind ähnlich elegant gearbeitet, wie ich sie von unserem letzten Besuch hier in Erinnerung habe. Dabei nimmt die Handkäspraline mit Kümmelcreme ein durchaus rustikales, regionales Thema auf, schafft es aber, daraus ein sehr feines Geschmacksbild zu kreieren.
Auch die Tartelette mit Rindertatar im Geleemantel und Auberginenchip bekommt durch eine leichte Räuchernote, die möglicherweise auch von einem sehr kräftigen Gelee herrühren kann, einen nachhaltigen Ton.

Sehr gut auch die üppige Auswahl von zweierlei Brot und dreierlei Butter. Selbst die aufgeschlagene, mit Nussbutter aromatisierte Version gefällt mir gut.

Als Amuse Bouche folgt eine recht feste Auberginenscheibe auf Tropea-Zwiebel mit Chimichurri, einem Apfel-Auberginen-Eis in einem Zwiebelsud. Hier zeigt sich wieder, wie vollkommen unterschätzt Zwiebeln sind, die hier eindeutig die erste Rolle spielen. Insgesamt ist das eine schöne vegetarische Fingerübung.

Für das Menü haben wir uns überraschen lassen und da es auch keine Menükarte gibt, bemühen wir also die im Internet verfügbaren Speisekarten. So stellt sich heraus, dass es eine Kombination aus dem Lunch- und dem Abendmenü sein wird. Aus dem Mittagsangebot stammt die Vorspeise, ein Zweierlei vom Glen Douglas Lachs, als Sashimi und Tatar. Dazu gibt es ein leichtes Ceviche mit einer dezenten Koriandernote, Gurkenperlen sowie ein Ginger Beer-Eis, das eine sehr leichte Schärfe mitbringt, die aber im Hintergrund bleibt. Alles spielt harmonisch ineinander, ohne, dass sich hier etwas in den Vordergrund spielt. Keine laute, aber eine sehr feine Vorspeise.

Aromatisch kräftiger wird es mit dem Kabeljau, der eine Auflage aus Kapern-Limetten-Emulsion erhält. Leider ist das beachtliche Stück etwas trocken geraten. Ich vermute, dass der Fisch zu viel Zeit unterm Grill verbracht hat. Die Beilagen in Form eines Kartoffel-Chorizo-Stampfes, der Lauchstange und der Sauce Choron sind lecker, wenngleich sie durchaus noch etwas Kräftigeres hätten erwarten lassen. Aber sie trösten auf jeden Fall über den leider zu weit gegarten Fisch hinweg.

Durchgehend ausgezeichnet ist dann die folgende, knusprig gebratene, Entenbrust mit gebratenem Sellerie und Rote Bete, die Tobias Schmitt als „Croissant“ und als Tatar originell in Szene setzt. Die tolle, reduzierte Jus komplettiert den klassischen und sehr guten Gang.

Für den Hauptgang bleibt die Küche bei dieser Linie, wird aber auf dem Teller noch detailreicher. Zum ausgezeichnet gebratenen Rinderfilet mit Gremolatakruste, die eher eine Haube, aber deswegen nicht weniger aromatisch ist, gibt es Lauch mit Zwiebelchutney, Schalotte mit schönen Röstaromen, sehr intensive Pilzcreme und eine ganz hervorragende, fluffige Parmesannocke. Die Gemüsebeilagen und die Sauce stehen hier ganz ebenbürtig neben dem Fleisch und sorgen dafür, dass auch ein etwas aus der Mode gekommenes Stück wie Rinderfilet nicht langweilig gerät.

Für den Käsegang, der von der Küche vorbereitet wird, bedient man sich der deutschen Käseinstanz, Maître Affineur Volker Waltmann aus Erlangen. Auf den Teller kommen ein fünf Jahre alter Gouda, ein Camembert mit Rosen, ein Brie mit Trüffel und ein Blauschimmel mit Kakao. Allesamt, wie kaum anders zu erwarten, perfekt gereift, so dass Brot und Chutney nette Beigaben sind, die ich aber, wie häufig, gar nicht benötige.

Ohne weitere Umschweife geht es direkt zum Dessert, in dem Blutorange pur und als geeister Espuma, der mehr wie ein Granité wirkt, zusammen mit geeistem Lemoncurd und einem Schokoladen-Mandeleis für einen frisch-säuerlichen Akkord sorgt. Auch wenn hier ohne raffinierten Zucker gearbeitet wurde, fehlt die Süße nicht, ist aber mit der Honighippe gut ausbalanciert und stellt einen gelungenen Abschluss dar.

Zum Kaffee gibt es noch drei ordentliche, wenn auch nicht sonderlich aufregende Petits Fours.

Aber alles in allem bestätigt dieser Abend die Leistung, die wir schon bei unserem ersten Mittagsbesuch konstatierten. Tobias Schmitt fühlt sich eindeutig der klassischen, französischen Küche verpflichtet, inszeniert sie höchst elegant und mit klaren, harmonischen Geschmacksbildern, die ohne laute und verstörende Töne auskommen. Handwerklich ist das auch alles akkurat zubereitet, wenn man an diesem Abend vom Kabeljau absieht. Aber auch so ein kleiner Makel trübt den Gesamteindruck nicht. Dass man vom Aufwand her offenbar mittags nicht weniger sorgfältig arbeitet als abends, zeigte sich auch bei diesem Menü, das Komponenten aus beiden Menüs bot. Auf besonders teure Zutaten verzichtet man bei diesem Überraschungsmenü zwar, was dann aber eben auch den attraktiven Arrangementpreis erklärt.
Den Service bestreiten Julian Seitz und sein Team freundlich, geräuschlos und effizient. Zu echter Interaktion kommt es allerdings nur dann, wenn man als Gast das Gespräch aktiv sucht. Hier dürfte es durchaus einen Hauch persönlicher zugehen. Aber vielleicht ist das auch nur mein ganz persönlicher Eindruck. Einen schönen Abend hatten wir dennoch.
Wer mehr über Tobias Schmitt und seine Küche erfahren möchte, dem sei auch sehr die aktuelle Staffel der sehenswerten ARD-Serie „Am Pass“ empfohlen, die ihm eine Folge widmet.
Details
Restaurant: | Favorite |
Adresse: | Karl-Weiser-Straße 1, 55131 Mainz |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag: 12.00 - 14.00 Uhr und 18.30 - 21.00 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.favorite-mainz.de/genuss-kulinarik/sternerestaurant/ |
Schlagworte
Favori, französisch, kreativ, Mainz, Michelin, moderne Klassik, Tobias Schmitt
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