Gut Purbach, Purbach
Am 14. Mai 2018 in Österreich | 4955 Aufrufe
Dass wir vor 10 Jahren das erste Mal zu Gast im Gut Purbach waren, ist eigentlich nur einem Zufall zu verdanken. Aufgrund eines Artikels im „Feinschmecker“ hatten wir den Neusiedler See als Urlaubsziel auserkoren, aber erste Wahl für Übernachtungen waren andere Häuser. Damals wussten wir noch nichts von den Mörbischer Seefestspielen, alljährlicher Treffpunkt von Operettenliebhabern, die für ausgebuchte Zimmer vor allem in den Orten am Südufer des Sees sorgten. Gut Purbach war also eigentlich nur dritte Wahl, aber bereits bei Ankunft und beim Bezug des schönen und originell gestalteten Zimmers war klar, dass wir den eigentlichen Hauptgewinn gezogen hatten.
Dass unsere erste Begegnung an diesem Tag für Max Stiegl noch schmerzhaft enden würde, war nicht abzusehen. Beim Einschenken unseres Weins stürzt er so unglücklich, dass er sich dabei die Hand bricht. Aber auch mit Gips ist er am nächsten Tag bereits wieder im wunderschönen Gastgarten präsent und kümmert sich halt wortreich um die Gäste, wenn er schon nicht mit dem Messer arbeiten kann.
Diese unbändige Energie ist ein Markenzeichen von Max Stiegl, der immer wirkt, als könne er nicht lange ruhig sitzen bleiben. Aber letztlich ist es nur Ausdruck dessen, dass er alles, was er macht, mit Leidenschaft tut. Kaum einer widmet sich so passioniert der vollständigen Verwertung von Tieren. Schon früh hat er sich überregional als meisterhafter Koch von Innereien einen Namen gemacht. An festen Terminen im Jahr widmet er ein ganzes Menü diesen vergessenen und zu Unrecht verpönten Zutaten. „From nose to tail“ war hier schon Programm, als der Begriff noch nicht mal en vogue war. Er hat die burgenländische Tradition des Sautanzes wieder aufleben lassen, die zu einem Publikumsmagnet geworden ist. Impressionen hier: https://www.youtube.com/watch?v=Cipikj7WGxQ
Mit welchem Elan Max Stiegl kocht, haben deutsche TV-Zuschauer beim „Knife Fight Club“ sehen können, wo er wie ein Derwisch statt der vorgeschriebenen drei Gänge gleich sechs Gerichte produzierte. In „Kitchen Impossible“ konnte man beobachten, wie der Berliner Koch The Duc Ngo sich an dem Hendl in der Blase, einem Signature Dish im Gut Purbach, versuchte. Max Stiegl ist ein Typ. Einer mit Ecken und Kanten, einem durchdringenden Lachen, einer entwaffnenden Offenheit und einer unbedingten Gastfreundschaft. So einer passt hier her. Genau hier, an diesen Ort.
Zehn Jahre kommen wir nun schon nach Purbach. Wir sind im Sommer dort, waren über Silvester und im Frühjahr dort. Bleiben wir nicht für einige Tage und übernachten in einem der Designerzimmer, kommen wir von Wien wenigstens zum Essen. Einmal im Jahr also sind wir mindestens dort und damit ist klar, dass ich befangen bin, wenn es um eine sachliche Bewertung geht.
Die Karte besteht aus einem monatlich wechselnden Menü und einem Menü, das unter anderem auch Klassiker enthält, die exemplarisch für Max Stiegl und die Region stehen.
Die Grammelknödel gehören dazu auf pikantem Ingwer-Tomaten-Kraut und mit krachig knusprigen Grammeln vom Mangalitzaschwein ebenso wie die Halászlé, die Fischsuppe mit Safran, Speck, Linsen und üppiger Fischeinlage, die eine prägnante Schärfe durch Ingwer erhält und ungemeine Geschmackstiefe aufweist.
Auch den Rostbraten wird man häufig finden, mal vom Pferd, heuer von der alten Kuh. Obligatorisch dazu das Erdäpfel-Kren-Püree und die perfekten Röstzwiebeln.
Innereiengerichte sind selbstverständlich auch Bestandteil auf der Karte, aber sie sind nicht dominant vertreten. Normalerweise findet man in jedem Menü einen Gang und es ist dringend zu empfehlen, es zumindest zu testen, denn auch wer sonst Vorbehalte hat, wird feststellen, dass sowohl Geschmacksbild als auch Konsistenz häufig grundlegend anders sind, als der Kopf es sich vorher zurecht gelegt haben mag.
Wir hatten dieses Mal Kalbskutteln, die in der Tajine zubereitet waren. In einer tomatisierten Sauce und mit Wachtelbohnen sind sie zart und insgesamt recht mild.
Würziger hingegen die gebratene Lammniere, die in einer im Ganzen gegarten Zwiebel serviert wird. Hier geben Harissa und gelber Curry eine pikante Schärfe. Das Ganze ist cremig, die Niere zart rosa gebraten. Ein überraschender und originell präsentierter Gang.
Eine Premiere gibt es für uns bei diesem Menü bereits bei den ersten Grüßen, die hier zum Gedeck gehören. Wir hatten ja schon viele Tiere auf dem Teller, aber Biberschinken ist auch für uns neu. Er ist kräftig geräuchert und könnte auch vom Schwein sein. Auf jeden Fall ist er sehr schmackhaft. Dazu gibt es Kichererbsen, marinierte Kohlrabi und einen mit Yuzu aromatisierten Aufstrich.
Vor ziemlich genau einem Jahr waren wir das letzte Mal hier. Damals war auch gerade Spargelzeit und es gab ebenfalls einen Spargelsalat mit Beinschinken. Die Version dieses Mal ist insgesamt etwas robuster geraten. Im Dressing machen wir Sojasauce aus. Das gibt ordentlich Würze und eine gewisse Fülligkeit. Im direkten Vergleich – und weil ich ihn auch noch recht präsent im Sinn habe – gefällt mir die Version vom Vorjahr mit dem gehobelten lila Blumenkohl besser, weil er feiner abgestimmt und optisch schöner präsentiert war.
Sehr gut finde ich die gebeizte Reinanke mit einem Avocadopüree. Sowohl die Cremetupfen von Saubohnen als auch die Marinade geben zum leichten und frischen Gesamteindruck etwas Tiefe.
Als absolutes Wohlfühlgericht präsentiert sich zarter Oktopus mit Spargel und Fregola. Das ist cremig, rund und harmonisch.
Mein Hauptgericht überrascht mit ungewohnter Optik, nämlich einem im Ganzen belassenen, ungeschälten, gegarten Kohlrabi zur Kalbsbrust. Die weist eine schöne Kruste auf, die sich nicht ganz einfach schneiden lässt und durch die ordentliche Fettschicht auch sogleich ihre Spuren auf meinem Hemd verewigt. Der Ärger hierüber hält sich in Grenzen, denn das Fleisch ist köstlich, die Sauce kräftig, das Kirchererbsenpüree passend. Nur der Kohlrabi ist nicht an allen Stellen durchgehend einfach zu essen. So sehr mir die Idee mit dem jungen Kohlrabi gefällt, so bleibt die Essbarkeit aufgrund einiger holziger Stellen doch etwas eingeschränkt und auch die Größe des Gemüses ist zumindest überdenkenswert.
Wer beim Dessert nicht auf die Purbacher Cremeschnitte zurückgreifen möchte, einem wunderbaren Blätterteiggebäck mit reichlich Crème Patissière, kann hier auch gute österreichische Klassiker bekommen. Vom Mohnknödel bis hin zur Somlauer Nockerl, die dieses Mal auf der Karte stand, geschichtet ähnlich wie ein Tirami Su. Dazu Kirschen aus dem Nachbarort und ein tolles Rahmeis – fertig ist ein rundes und köstliches Dessert.
Etwas verspielter kann Max Stiegl auch und auch das funktioniert. Aus dem Muttertagsmenü kommt ein Nachtisch mit dem Namen“ I LOVE YOU MAMA“ (wenige Tage später wird „Mama“ dann durch „Darling“ ersetzt – so passt es dann auch wieder für alle). Auf einem Ring von Schokoladenmousse mit einem knackigenRand, befinden sich akkurat mit Karamellsauce gefüllte Himbeeren und ein Gurkeneis, das überraschend gut passt und Frische beisteuert.
Gefällt mir gut, aber die Somlauer Nockerl auf dem Teller meines Mannes finde ich noch überzeugender.
Regionalität ist ja allerorten das Zauberwort schlechthin. Natürlich sehen viele Köche zu, dass sie Zutaten von nahe liegenden Erzeugern beziehen und im Sinne von Nachhaltigkeit ist das ja auch unbedingt wünschenswert. Damit man aber tatsächlich das Gefühl hat, auch die Region auf dem Teller zu erleben, braucht es mehr. Max Stiegl versteht es, Regionalität und Tradition mit Moderne zu verknüpfen und dem Gast so zu vermitteln, was die pannonische Küche ausmacht. Das ist nicht dogmatisch – und wenn doch, dann auf sehr sympathische Weise. Küche, Service, Ambiente, Umgebung verschmelzen hier zu einer sehr authentischen Einheit.
Wie zu Beginn gesagt: Ich bin befangen. Weil ich diesen Ort liebe.
Details
Restaurant: | Gut Purbach |
Adresse: | Hauptgasse 64, 7083 Purbach |
Öffnungszeiten: | Do, Fr & Sa 12.00 - 14.00 Uhr und 18.00- 21.00 Uhr So 12.00 - 18.00 UHr Mo 18.00 - 21.00 Uhr Di & Mi Ruhetag |
Website: | www.gutpurbach.at/ |
Schlagworte
Falstaff, Gault Millau, Gut Purbach, Innereien, Max Stiegl, Neusiedler See, Österreich, regional
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