Haus Stemberg, Velbert

Mal wieder und nach viel zu langer Zeit ein Besuch im „Haus Stemberg“ und diesmal wird es ein Experiment. Nicht, weil es in dieses grundsympathische Restaurant geht, nein, das ist eine sichere Bank. Aber anders als bei vorherigen Besuchen, als wir mit dem Auto anreisen, wagen wir heute den Selbsttest mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Immerhin haben die Stembergs quasi ihre eigene Bushaltestelle vor der Haustür.

Die "eigene" Haltestelle
Die "eigene" Haltestelle

Und in der Tat funktionieren sowohl An- als auch Abfahrt mit Bahn und Bus ziemlich problemlos. Man muss halt nur ein wenig mehr Zeit einplanen. Aber die haben wir ja mittlerweile und dafür wird man dann damit belohnt, dass man sich ganz hemmungslos der immer weiter wachsenden und mehr als fair kalkulierten Weinkarte hingeben kann.

Die Begrüßung ist wie immer so herzlich, als wäre man hier wöchentlicher Stammgast. Dass hier jeder Gast, ob neu oder bekannt, so willkommen geheißen wird, ist nur eines von vielen Merkmalen, die dieses Haus so charmant machen.

Über die große Wahlfreiheit, die man den Gästen hier beim Bestellen gibt, ist auch schon vieles geschrieben worden, aber ich kann nicht müde werden, zu betonen, wie außergewöhnlich das ist in Zeiten von Menü- und anderen starren Vorgaben.

Und so halten auch wir es heute. Während ich mich für das Menü entscheide, wählt mein Mann zunächst nur zwei Gänge aus den Tagesempfehlungen und lässt den Rest offen. Alles kein Problem hier.

Als Grüße schickt die Küche gemeinsam mit der Brottüte mit gutem lockeren Bauernbrot gerne und so auch heute einen kleinen Miniflammkuchen, ein Tatar, diesmal vom Matjes mit Limettencreme sowie zweierlei Süppchen. Zum Ende der Spargelsaison gibt es noch mal eine Spargelcreme mit Zitronenöl und ein Waldpilzsüppchen mit Schnittlauch und Soja. So akkurat und lecker alles ist, bestechen doch vor allem die Süppchen als wahre Aromenbomben.

Aus der Tagesempfehlung gibt es für meinen Mann zum Auftakt einen üppigen Berg Wildkräutersalat, unter dem sich gut abgeschmecktes Tatar vom Thunfisch und Spargelstücke finden. Mini-Croutons sorgen für Crunch, die japanische Vinaigrette fällt relativ dezent aus. Aber alles wird von Cremes sehr süffig und lecker zusammengehalten.

Tatar vom Thunfisch mit Spargel und japanischer Vinaigrette
Tatar vom Thunfisch mit Spargel und japanischer Vinaigrette

Mein Menü startet mit dem Matjes von der Seeforelle, der in der Art, wie Sascha Stemberg ihn in Szene setzt, gekonnt das Thema Matjes Hausfrauen Art variiert. Auch hier gibt es eine sahnige Creme und auch hier spielen Apfel, Zwiebel und Gurke eine entscheidende Rolle, nur eben viel eleganter. Schon die gebeizte Forelle, die wie Matjes anmutet, ist deutlich feiner im Geschmack. Apfel und Gurke finden sich auch im Sud, aber durch mutmaßlich Granny Smith ist das deutlich säuerlicher und frischer. Separat gibt es noch ein Apfel-Sorbet, das mit Dill und kräftigen Bröseln markante Akzente bekommt. Insgesamt eine gelungene Interpretation eines bürgerlichen Klassikers.

Die Küche grüßt noch einmal mit einem Gläschen der Hummerschaumsuppe, die Sascha Stemberg als Hommage an seinen Mentor Peter Nöthel dauerhaft auf der Karte hat und die wie gewohnt rund und typisch schmeckt.

Hummerschaumsüppchen
Hummerschaumsüppchen

Für mich geht es weiter mit der Scholle Finkenwerder Art, also einem weiteren Klassiker der bürgerlichen Küche, der hier aber ebenfalls deutlich verfeinerter auf den Teller kommt. Speck und Krabben fehlen auch in dieser Version nicht, aber mit Salatherzen, die eine vegetabile Note beisteuern und vor allem der mit deutlicher Zitronennote aromatisierten Beurre Blanc gelingt der Spagat zwischen rustikal und fein ganz ausgezeichnet. Damit meine bessere Hälfte mir nicht nur beim Essen zuschauen muss, gibt es für ihn die Beurre Blanc quasi als Süppchen im Glas. So solo genossen, ist sie tatsächlich recht intensiv, aber im Zusammenspiel mit den übrigen Zutaten gestaltet sie sich etwas zurückhaltender und damit auch harmonischer. Mein Mann ist ein großer Suppenfreund und so ist er über dieses Intermezzo mehr als glücklich.

"Scholle Finkenwerder Art", Salatherzen, Speck vom Sonnenschwein, Nordsee Krabben, Amalfizitrone & Schnittlauchöl
"Scholle Finkenwerder Art", Salatherzen, Speck vom Sonnenschwein, Nordsee Krabben, Amalfizitrone & Schnittlauchöl

Auch bei meinem nächsten Gang lässt die Küche ihn nicht tatenlos am Tisch, sondern gönnt ihm ein Gläschen aufgeschäumten Morchelrahm. Mit Süppchen Nr. 5 ist er damit endgültig im Suppenhimmel angekommen. Der Morchelrahm ist die Basis für das eine Stunde gegarte, flüssige Landei, zu dem es Morcheln, grünen Spargel und knackige frische Erbsen gibt. Abgerundet wird das mit geriebener Belper Knolle. Schon die Auflistung der Zutaten lässt erkennen, dass es sich um die Sorte Wohlfühlgericht handelt, bei der man nur nach dem Motto: „Löffel rein, glücklich sein“ vorgehen kann. Das ist hocharomatisch, schlotzig und einfach lecker.

"Kuhlendahler Landei", Eine Stunde sanft gegart, Sauté von Gartenerbsen, grünem Spargel, Morcheln & Belper Knolle
"Kuhlendahler Landei", Eine Stunde sanft gegart, Sauté von Gartenerbsen, grünem Spargel, Morcheln & Belper Knolle

Vor dem Hauptgang folgt als Erfrischung ein Apfel-Limetten-Gurken-Sorbet, das mit dem hauseigenen Gin aufgegossen wird. Das Sorbet hat einen deutlichen Gurkenüberhang, erfüllt seinen Zweck aber ganz vorzüglich. Und der Gin tut sein Übriges dazu.

Erfrischung
Erfrischung

Jetzt darf auch mein Mann wieder richtig mitmischen. Für ihn gibt es Bavette vom Wagyu, das auf dem Grill auf den Punkt gegart wurde und ein schönes Raucharoma aufweist. Die Jus ist kräftig und passt exzellent, aber die größte Überraschung für mich ist fast das Ragout von Bohnenkernen. Ich mag das sowieso, aber in fast vierzig Jahren habe ich es nicht geschafft, meinem Gemahl das Trauma gegenüber Hülsenfrüchten auszutreiben. Heute allerdings schaue ich fassungslos zu, wie er die Bohnen mit großem Genuss verspeist. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Darüber geraten die ebenfalls ausgezeichneten Pommes Frites fast in den Hintergrund.

Für mich folgt nun Rehrücken, mutmaßlich sous-vide gegart und dann nachgebraten, auf jeden Fall perfekt rosa und von angenehm fester Konsistenz. Die Beilagen in Form von Pfifferlingen, Selleriepüree und Mispelcreme sind klassisch, ebenso die Sauce Albufera, die ich generell sehr mag und die auch hier vorzüglich gerät. Davon hätte es durchaus ein wenig mehr sein dürfen. In Summe ein guter und handwerklich makelloser Hauptgang.

"Rehrücken aus Thüringer Jagd", Creme vom Knollensellerie, Mispel, Pfifferlinge, Vogelmiere & Sauce Albufeira
"Rehrücken aus Thüringer Jagd", Creme vom Knollensellerie, Mispel, Pfifferlinge, Vogelmiere & Sauce Albufeira

Unser Sättigungsgrad ist bereits gut vorangeschritten, aber an dem formidabel bestückten Käsewagen mit Sorten vom deutschen Käsepapst Volker Waltmann kommen wir nur schwer vorbei und teilen uns einen Teller. Es ist immer wieder verblüffend, was für originelle und unbekannte Sorten von diesem Affineur aufgetan werden.

Käseauswahl von Maître Affineur Waltmann
Käseauswahl von Maître Affineur Waltmann

Für meine bessere Hälfte darf es jetzt nur noch eine Kugel Zitrusfrüchtesorbet geben, die erneut mit Stembergs eigenem Gin aufgegossen wird. Das passiert so großzügig, dass sich spätestens jetzt die Entscheidung, mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist zu sein, als goldrichtig herausstellt.

Zitrusfrüchtesorbet mit Stemmis 1864 Gin
Zitrusfrüchtesorbet mit Stemmis 1864 Gin

Das Menü endet mit einer Variation von Erdbeeren, einer Creme von Joghurt im Schokoladenmantel, dazu Waldmeister als Gelee unter einem Erdbeerschaum. Das ist abwechslungsreich und ein erfrischender Abschluss.

"Heimische Erdbeeren", Waldmeister, Joghurt & dunkle Schokolade
"Heimische Erdbeeren", Waldmeister, Joghurt & dunkle Schokolade

Auch damit belässt es die Küche noch nicht und schickt zum Kaffee noch ein Nachdessert in Form einer Vanille-Panna Cotta im dünnen Schokomantel mit einem prägnanten Sauerampfersorbet. Eine gelungene frische Fingerübung.

Post-Dessert
Post-Dessert

Ohne Frage war auch dies wieder ein sehr genussvolles Essen. Es ist immer wieder faszinierend, welche Vielfalt hier aus der Küche geschickt wird, ob es ausgefeiltere Kreationen im Degustationsmenü sind oder eher rustikale, bürgerliche Gerichte. Mitunter sind die Grenzen zwischen beidem auch fließend, allen gemein ist aber die handwerkliche Sorgfalt, die jeden Teller auszeichnet. Wer hier lernt, darf sich glücklich schätzen.

Walter Stemberg umsorgt die Gäste zusammen mit der Servicecrew, die nicht ohne Grund auch schon seit Ewigkeiten im Haus ist. All das vermittelt viel familiäre Atmosphäre, in der sich jede und jeder einfach wohlfühlt.

Da wir uns auch mit Weinen diesmal beide haben schadlos halten konnten, wäre eine Autofahrt keine gute Idee gewesen. Also warten wir auf den Bus nach Wuppertal, der auch pünktlich eintrifft und uns sicher zum Bahnhof bringt. Experiment geglückt.

Details

Restaurant: Haus Stemberg
Adresse: Kuhlendahler Straße 295, 42553 Velbert-Neviges
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch: 18.00 – 23.00 Uhr
Samstag und Sonntag: 12.00 – 15.00 Uhr und 18.00 – 23.00 Uhr
Donnerstag und Freitag: Ruhetag
Website: www.haus-stemberg.de

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