Victor’s Fine Dining by Christian Bau, Perl-Nennig
Am 22. März 2024 in Deutschland | 2655 Aufrufe | 3 Kommentare
Zu den festen Punkten auf unserer jährlichen kulinarischen Agenda gehört ein Besuch bei Christian Bau. Werde ich nach meinen persönlichen Lieblingsrestaurants gefragt, ist seines nicht ohne Grund das erste, das ich benenne. Da das vergangene Jahr durch zahlreiche Veränderungen geprägt war, die zum Teil auch sehr zeitintensiv waren, musste dieser Fixpunkt allerdings ausfallen, so dass es nur klar war, dass ein Besuch so schnell wie möglich in 2024 nachgeholt werden sollte.
Der Zufall wollte es, dass ich beim regelmäßigen Stöbern auf der Homepage auch die kurzfristigen Reservierungsoptionen prüfte und, siehe da, tatsächlich war sogar ein Tisch für den darauffolgenden Tag, immerhin ein Freitag, verfügbar. Üblicherweise sind freie Plätze, gerade am Wochenende hier nur mit langem Vorlauf verfügbar und gerade die Tatsache, dass man hier mittlerweile und zum Glück eine fixe Anzahlung pro Person bei Buchung verlangt als Mittel gegen das unselige grassierende No-Show-Verhalten vieler Gäste, hätte mich das nicht erwarten lassen. Aber man muss die Gelegenheit beim Schopfe packen, flugs ein Zimmer gebucht und am nächsten Tag bei strahlendstem Wetter die Reise an die Mosel angetreten.
Nun ist es so, dass ich mich natürlich im Vorfeld im Internet über das aktuelle Menü informiere, aber da ich irgendwann mal geäußert hatte, dass Christian Bau bei uns Carte Blanche hat und wir uns bedenkenlos in seine Hände begeben, war es keine wirkliche Überraschung, dass auch diesmal das Menü etwas umfangreicher geriet. Mittlerweile hat er sein Menü komplett fleischlos gestaltet, bietet aber noch einige wenige Gerichte als zusätzliche Optionen an, so dass auch unser heutiges Menü zumindest einen Fleischgang enthält.
Beeindruckend, wie immer, ist bereits das Feuerwerk, dass hier mit den ersten Grüßen abgefeuert wird. Den Auftakt macht eine Tartelette mit Lachsbauch, Saiblingskaviar und Myoga, japanischem Ingwer. Wie man unschwer erkennen kann, umschreibt dies nur unzulänglich die zahlreichen weiteren Komponenten in diesem bildschön gearbeiteten Snack. Es wird empfohlen, wie bei den meisten anderen Grüßen, ihn mit einem Bissen zu sich zu nehmen, was aufgrund der Größe nicht immer ganz einfach ist. Aber es macht durchaus Sinn, denn nach meinem Empfinden geht es mehr darum, einen Geschmacksakkord wahrzunehmen. Und dieser hier ist vollmundig, füllig, komplex und ungemein facettenreich.
Auch die folgende Croustade mit Blumenkohl und Hummer steht dem nicht nach, ist aber von deutlich salzigerem und intensiverem Umami-Charakter, während die Tartelette vom Akami vom Thunfisch, also dem weniger fetten Teil, mit leichter Schärfe und guter Fülle zu punkten weiß.
Zur japanischen Waffel mit Saba Makrele und Yuzu-Koshu muss man nicht mehr viel sagen. Sie ist seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Grüße und sowohl in Präsentation als auch Geschmack nicht zu verbessern. Fragil und dennoch stabil, von feiner Salzigkeit und Schärfe und schlichtweg köstlich.
Über den finalen Snack freue ich mich besonders, denn es gibt eine Tartelette mit Langustinentatar und Teardrop-Erbsen aus Spanien. Erbsen gehören ohnehin zu meinem allerliebsten Lieblingsgemüse und diese winzigen Exemplare, die es so extrem selten auf Speisekarten zu finden gibt, sind für mich der Rolls Royce unter den Erbsen schlechthin. Christian Bau gart sie ganz zart über Holzkohle, so dass sich ein dezenter, aber wunderbar präsenter Rauchton über den Snack legt. Zusammen mit dem exzellenten Tatar und dem präzise portionierten Kaviar ergibt sich ein traumhaftes Geschmacksbild. Von der puren Schönheit dieses Snacks zu schwärmen, wäre eh wie Eulen nach Athen zu tragen.
Bevor wir dann endgültig ins eigentliche Menü einsteigen, gibt es als Amuse Bouche noch eine lauwarm gegarte Auster mit Gurkensorbet, Champagnerespuma und Kaviar. Geeiste Perlen und Eiskraut ergänzen diese Kreation, die durch ein schön austariertes Verhältnis von Frische, Kühle und Kräutrigkeit auf der einen Seite und zurückhaltender Süße durch den Espuma sowie jodig-salzige Noten von Auster und Kaviar auf der anderen Seite überzeugt.
Den ersten offiziellen Gang im Menü markiert dann Sashimi von der Bernsteinmakrele. Diese ist, großzügig geschnitten, geschichtet mit dünnen Scheiben vom schwarzen Rettich. Hat man beides im Mund wird das Üppige des Fisches fein kontrastiert mit ganz leichter Schärfe des Rettichs. Die Proportionen sind, wie kaum anders zu erwarten, perfekt gewählt und mit der leicht süßlichen Note durch die Holunderblüte und die Jodigkeit der Meerwassercreme und des Kaviars ergibt sich ein spannendes, traumwandlerisch ausgewogenes Geschmacksbild, in dem der Fisch in seiner herausragenden Qualität glänzen kann.
Mit dem fetten Teil vom Thunfischbauch geht es weiter. Als grobes Tatar geschnitten und mit Kaluga Reserve Kaviar in einer sehr würzigen Shoyu-Vinaigrette dominiert hier eindeutig der kräftige Charakter der Zutaten. Da alle von exzeptioneller Güte sind, ist dies bereits ein mehr als exklusives Löffelvergnügen. Wir kennen diesen Gang bereits von einem früheren Besuch, aber diesmal bekommt er einen besonderen Twist durch ein Stück geröstetes Brioche, auf die wir die Zutaten aufstreichen sollen. Und in der Tat erweitern die nussig-buttrigen Noten das Aromenspektrum noch einmal auf verblüffende und sensationelle Weise. Wenn man so will, haben wir eine Stulle de Luxe. Schlichtweg großartig!
Das nun gereichte Sauerteigbrot mit vorzüglicher Bordier-Butter und mit Sojasauce aromatisierter Butter lasse ich an diesem Abend schweren Herzens unangerührt. Aber angesichts des Menü-Programms will ich meine Kapazitäten nicht überstrapazieren. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen wird und der Service ist so freundlich, das nahezu vollständig gebliebene Brot für den nächsten Tag einzupacken. Und da macht es uns auch noch viel Freude.
Erst wenige Tage vor unserem Besuch postete Christian Bau in den sozialen Netzwerken ein Bild des ersten grünen Spargels, den er wie immer aus der Provence vom Spitzenproduzenten Robert Blanc bezieht und der als Basis für einen seiner großen Klassiker dient. Sumak, Yuzu-Marmelade und eine Miso-Hollandaise dienen als Mitspieler, um den prachtvollen Spargel perfekt in Szene zu setzen. Die Hollandaise haben wir schon immer geliebt, aber dieses Mal kam es mir so vor, als wäre sie noch etwas luftiger und noch etwas intensiver als bisher. In jedem Fall kenne ich keine bessere Hollandaise als diese hier.
Aus Portugal stammt der riesige Gamberoni, den Christian Bau auf dreierlei Art zubereitet. Das Krustentier wird gegrillt, als warmes Sushi gedämpft und die Jus wird aus den Köpfen gezogen. Feinst gewürfelte Gemüse liefern frische Akzente und die präsenten Thai-Aromen verorten das Gericht dann endgültig wieder in Asien. Ein klasse Gang.
Mit dem Wolfsbarsch aus der Normandie folgt ein weiterer Klassiker aus Baus Küche. Er ist begleitet von Tempura von der Okraschote, Miso-Aubergine und Ladyfingers für feine Säurespitzen. Immer wieder faszinierend finde ich hingegen, welchen Effekt die zwei kleinen Stücke Aal vom Holzkohlegrill beisteuern. Neben der großartigen Kojyu-Vinaigrette, die es zu Beginn der Take Away-Menüs auch mal separat zu bestellen gab und die ich wie flüssiges Gold behandelt habe, ist es dieser zarte Rauchgeschmack, der dem Gericht den besonderen Kick gibt.
Aus der Extra-Karte gibt es nun den einzigen Fleischgang in Form von Shabu-Shabu vom Myazaki-Rind in einer hoch intensiven Brühe. An derartigen Elixieren, die sehr konzentriert und fast schon klebrig am Mund haften, kann man die wahren Meister erkennen. Die rohen Scheiben können in dieser Brühe leicht garen, was den natürlichen Schmelz des fettreichen Fleisches unterstützt. Reichlich Soba-Nudeln, Edamame, Buchenpilze, Frühlingszwiebeln und eine großzügige Menge Périgordtrüffel verstärken den reichhaltigen Umami-Charakter dieser Luxus-Version einer Consommé.
Den süßen Teil leitet ein Shiso-Sorbet auf Sake-Gelee ein. Das erfrischende und kräutrige Aroma bildet einen guten Übergang von den herzhaften Gängen, aber die eigentliche Hauptrolle auf diesem Teller spielen für mich die Malaga-Walderdbeeren. Seit ich die zum ersten Mal vor zwei Jahren probieren durfte, sind sie für mich die besten Erdbeeren überhaupt. Auch wenn es anders gedacht ist, versuche ich, sie eher separat als im Kontext mit den anderen Komponenten zu essen, um ihre Feinheit voll zu erfassen. Auf jeden Fall ein Pré-Dessert (sic!), das mich glücklicher nicht machen könnte.
Das Dessert rund um Milcheis von süßem Miso, Périgordtrüffel und Haselnuss als Hommage an Christian Baus Freund Eric Vildgaard vom Restaurant „Jordnaer“ kennen wir bereits und mittlerweile hat es einen festen Platz auf der Zusatzkarte. Die Aromatik verbindet süße, salzige, herbe und erdige Noten auf eine ganz mystische Weise. So ungewöhnlich und gleichzeitig faszinierend funktioniert diese Kombination stimmiger, als sie zunächst klingen mag.
Die beiden folgenden Desserts werden zeitgleich zum Teilen serviert. Zum einen gibt es ein relativ klassisch gehaltenes Schokoladendessert in Texturen, das von Kumquats begleitet einen Zitrus-bitteren, erfrischenden Kontrapunkt erhält. In einem separaten Schälchen gibt es neben einer Schokoladencreme noch ein Kokos-Yuzu-Eis, das allerdings etwas untergeht. In Summe ist das aber, und vor allem für Schokoladenliebhaber, sehr gut gemacht.
Leichter und fast mit einer floralen Note gestaltet sich das zweite Dessert um Rhabarber, Himbeeren und eine Schokoladenmousse mit Himbeerkern. Das Champagnercrème-Eis fällt zwar nicht sehr präsent aus, aber es ergänzt sich alles sehr harmonisch und mit frühlingshaftem Charme.
Die abschließenden Petits Fours bewältigen wir trotz des umfangreichen Menüs dieses Mal problemlos und es wäre auch eine Schande gewesen, sie zurückgehen lassen zu müssen. Ein vorzügliches Snickers-Eis, ein Pâte de Fruit von Yuzu, eine Bratapfel-Tartelette, ein saftig-aromatischer Macaron von Adzukibohne und dreierlei Pralinen sind vorzüglich gearbeitet, die Kugeln von Charentais-Melone eine willkommene Erfrischung.
Dass wir bei diesem Besuch nicht schon bei den Süßigkeiten die Segel streichen müssen, sagt für mein Empfinden einiges darüber aus, dass Christian Baus Küche noch eine Spur leichter geworden ist. Und ich schließe hier gern auch Sarah Bau mit ein, die als langjährige Sous-Chefin und mittlerweile auch als seine Ehefrau, einen ganz entscheidenden Anteil an der Gesamtperformance hat.
Sicher mag es geholfen haben, dass ich mich beim Brot zurückgehalten habe, aber der weitgehende Verzicht auf Fleisch wird sicher ebenso dazu beigetragen haben, dass dieses Menü noch bekömmlicher erschien als es eh schon immer war. Über die herausragenden Qualitäten muss man ohnehin keine Worte mehr verlieren. Bei den Produkten sucht Christian Bau sowieso nur das Beste und die Zubereitungen und Kombinationen sind über jeden Zweifel erhaben. Jeder Snack, jeder Teller ist perfekt und ich wüsste nicht, was sich verbessern ließe. Was wir an diesem Abend serviert bekamen, war das pure Schlaraffenland. Auch die Weinbegleitung stand dem in nichts nach.
Nina Mann befindet sich noch in der Elternzeit und der zwischenzeitlich engagierte Ryan Duffy hat das Haus mittlerweile wieder verlassen. Seine Nachfolgerin, Ester Eggert, kann mit eloquentem Fachwissen überzeugen und dürfte gerne noch etwas selbstbewusster auftreten. Aber ich bin sicher, dass das mit der Zeit kommen wird. Ihr Kollege, der von Felix Kress die Restaurantleitung übernommen hat, tritt mit natürlichem Charme und sehr souverän auf. Damit ergänzt er das stets aufmerksame Team perfekt. Seinen Namen werde ich mir mit Sicherheit das nächste Mal merken.
Normalerweise poste ich nicht von jedem Besuch in einem Restaurant einen Bericht. Dies ist, gemeinsam mit zweien über die Bau-Boxen während des Lockdowns, jetzt schon der achte Bericht seit 2016. Man mag mir das nachsehen, aber für mich ist das mittlerweile auch eine Dokumentation dessen, was State of the Art in der Spitzengastronomie ist. Man kann sicher anders kochen, aber gewiss nicht besser. Eine abgedroschene Phrase, ich weiß. Aber seltener traf sie so zu wie hier.
Details
Restaurant: | Victor's Fine Dining by Christian Bau |
Adresse: | Schloßstraße 27–29, 66706 Perl-Nennig |
Öffnungszeiten: | Donnerstag & Freitag: 19.00 - 24.00 Uhr Samstag & Sonntag: 12.00 - 16.00 Uhr & 19.00 - 24.00 Uhr Montag - Mittwoch: Ruhetag |
Website: | www.victors-fine-dining.de/ |
Schlagworte
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Da muß man nichts nachsehen. Spätestens seit letztem Jahr weiß ich, was ein Besuch bei Christian Bau bedeutet. Und wie lange er nachhallt! Und das weglassen der Fleisch Gänge finde ich sehr gut! Ich bewundere immer wieder dein Detail Gedächtnis in einem so umfangreichen Menü!
So gut es bei Christian Bau auch schmeckt, solche ausladenden Menüs sind nicht mehr zeitgemäß. 18 Teile ohne Petit fours ist einfach zu viel und nicht unbedingt bekömmlich.
Wir hatten ein etwas umfangreicheres Menü. Das reguläre Menü umfasst 12 Punkte, von denen 5 Snacks und 1 Pré-Dessert sind. Trotzdem war auch unser zugegeben üppigeres Menü erfreulich bekömmlich.