
philipps, Hamburg
Am 28. Mai 2022 in Deutschland | 1935 Aufrufe
Wenn man der Lockdown-Zeit etwas Gutes abgewinnen will, dann noch am ehesten, dass die diversen Angebote von Menüboxen uns auch Restaurants näher gebracht haben, die wir sonst nicht unbedingt kennengelernt hätten.
Das „philipps“ in Hamburg ist so eine Adresse. Die Box, die wir uns zu Ostern im vergangenen Jahr dort abgeholt hatten, überraschte mit Detailreichtum und Kreativität. Und bereits der erste persönliche Kontakt im Souterrain-Restaurant war von großer Herzlichkeit geprägt, so dass schnell die Entscheidung feststand, dass wir hier auch einmal zu Abend essen wollen, wenn dies wieder vernünftig möglich ist.
Das war es schon seit einiger Zeit, aber jetzt passte es auch zeitlich gut in unsere Reiseplanung. Und so finden wir uns erneut im, diesmal voll besetzten Restaurant, das sich über verschiedene Nischen und Räume verteilt. Unser Tisch ist noch nicht frei, so dass wir die Zeit an der Bar mit einem Apéritif überbrücken. Dass wir bei unserem Gin-Tonic unter verschiedenen Gin-Sorten auch den von Sascha Stemberg finden, hat einen guten Grund. Philipp Johann hat mal bei ihm gearbeitet und beide verbindet nach wie vor eine enge Freundschaft.
Neben einem Menü in vier bis sechs Gängen (58,50€ – 81,50€), dessen Gerichte auch à la Carte zu bestellen sind, gibt es einige zusätzliche Gerichte sowie Tagesempfehlungen, bei uns jahreszeitlich bedingt mit Spargel.
Während ich mich für das Menü entscheide, wählt mein Mann à la Carte. Alles kein Problem hier und damit schon mal sehr sympathisch.
Es geht los mit der Brotauswahl, die uns schon in der Menübox beeindruckte. Dreierlei selbst gebackene Brötchen und zwei sehr gute, zugekaufte Brote kommen gemeinsam mit einer Algenbutter sowie einer Portwein-Schalottencreme, die hier ebenfalls zum Standard gehören. Olivenöl und Maldonsalz komplettieren den vielfältigen Einstieg.

Der gerät besser als der auf einem Löffel gereichte Gruß in Form eines Falaffels auf Joghurt-Minz-Creme mit Koriander. Das ist zwar aromatisch in Ordnung, gerät aber vielleicht aufgrund der kleinen Größe ziemlich fest und trocken und ist daher vom Essgefühl eher nicht so angenehm.

Für meinen Mann startet das Menü mit dem Tatar vom Black Angus Beef, das gewolft scheint. Es ist würzig abgeschmeckt mit deutlicher Senfnote. Gebackene Kapern unterstützen den kräftigen Geschmack, ebenso wie das gute Röstzwiebel-Focaccia. Ein sehr solider Auftakt.

In meiner Vorspeise spielt Spargel aus der Heide die Hauptrolle. Mit vielen Kräutern und Wildsalaten hübsch angerichtet sowie einem frisch-säuerlichen Buttermilchdressing und Senfkörnern ergibt sich ein sehr sommerliches, unkompliziertes Gericht.

Die beiden Suppen fallen in unseren Augen sehr unterschiedlich aus. Weist die Spargelsuppe mit knackiger Einlage von Spargel und kleinen Stücken von der Rotgarnele ein klassisches Geschmacksbild auf und kommt ausgesprochen köstlich daher, ist die Bärlauchsuppe zwar markant kräftig, lässt aber die typische Bärlauchnote vermissen. Das können auch die Nordseekrabben am Boden nicht herausreißen. Klarer Punktsieg für Spargel.
Auch mein schwarzer Kabeljau kann mich nicht wirklich überzeugen. Auf einem recht üppig bemessenen Auberginen-Kaviar thront das an sich gut gebratene Stück Fisch, das jedoch dermaßen dominant von Miso und Koriander bestimmt ist, dass es alles andere überlagert. Ich mag Miso wirklich gerne und Koriander zumindest in Maßen, aber hier ist irgendwie von allem zu viel und das bringt den gesamten Gang aus dem Gleichgewicht. Dass Okraschoten in Fine Dining-Menüs bisher keine entscheidende Rolle gespielt haben, wird zudem auch hier noch einmal deutlich unterstrichen. Es ist nicht wirklich schlecht, aber für mich einfach sehr unausgewogen.

Bei den Hauptgängen hingegen gibt es nichts zu meckern. Die Ochsenbacken sind super zart gegart mit intensivem Schmorfond. Erbsen gibt es dazu in Variation als Püree, pur und als Kaiserschoten, frische Karotten passen ebenfalls super. Hier wird nichts neu erfunden, aber es ist sehr köstlich und gut gemacht.

Auch der Hirschkalbrücken im Kräutermantel auf meinem Teller ist perfekt rosa gegart. Schön sind die Mairübchen dazu und besonders gut gefällt mir die Crêpes-Pilz-Torte dazu. Sie erinnert mich sofort an die legendäre „Falsche Prinzregententorte“ von Otto Koch und ich freue mich, dass es derartige Reminiszenzen auch bei jungen Köchen gibt. Unnötig zu erwähnen, dass auch die Jus von klassisch gutem Handwerk zeugt und dies in Summe ein sehr guter Hauptgang ist.

Da die Portionen durchaus großzügig bemessen sind, streicht mein Mann für den Nachtisch die Segel und so müssen zumindest zwei Löffel mein Dessert begleiten. Die Mandelmousse mit Butterkekseis, Orangenzesten und -sud sowie Mandelkeks präsentiert sich unkompliziert und in einem harmonischen Akkord.

Zwei solide Petits Fours

beschließen ein Menü, bei dem es zwar mit der Bärlauchsuppe und dem Kabeljau zwei Gänge gab, die uns nicht voll überzeugen konnten. Am sehr guten Gesamteindruck kann das aber nicht viel schmälern. Denn die Küchenleistung bewegt sich insgesamt auf einem guten Niveau. Es ist kreativ, aber nicht überkandidelt, leicht zugänglich und durchgehend lecker. Auffallend ist, dass hier beherzt gewürzt wird, was wir durchaus schätzen.
Die Atmosphäre ist locker und ausgelassen, wozu auch der überaus freundliche Service seinen Beitrag leistet. Philipp Johann, der heute als Gastgeber fungiert, weiß die Küche ganz offenbar in guten Händen und hat mit diesem charmanten Restaurant einen Ort geschaffen, an dem sich Gäste ganz wohl fühlen können. Und an den wir gerne wiederkommen.
Details
Restaurant: | philipps |
Adresse: | Turnerstr. 9, 20357 Hamburg |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 17.00 - 22.00 Uhr Sonntag, Montag, Feiertage: Ruhetag |
Website: | www.philipps-restaurant.de/ |
Schlagworte
Hamburg, kreativ, neue deutsche Küche, Philipp Johann, philipps
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