Ralf Berendsen, Lanaken

Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel. Als jemand, der für eine Kölner Firma arbeitet, kommt man in das Privileg, bereits an Weiberfastnacht einen halben Tag und an Rosenmontag dann den gesamten Tag frei zu haben. Das lädt förmlich ein zur jährlichen Karnevalsflucht, zumal wenn einem als Norddeutscher jegliches Schunkelgen fehlt.

Wenn an Weiberfastnacht spätestens ab Mittags die verkleideten Massen singend, mitunter auch gröhlend, Kölsch-bewaffnet mit einschlägigem Liedgut die zur Brauchtumszone erklärte Stadt beschallen, ist es für uns Zeit, uns auf den Weg zu machen.

Unser Ziel liegt diesmal in Belgien, nicht weit von der Grenze und von Maastricht entfernt, in Lanaken. Das Relais & Châteaux-Hotel „La Butte aux Bois“ beherbergt das seit 2017 mit 2 Michelinsternen ausgezeichnete Restaurant „Ralf Berendsen“. Das moderne Hotel selbst erfüllt alle Kriterien, die man von einem Relais & Châteaux-Haus erwarten kann. Stilvolles Ambiente, herzlicher und aufmerksamer Service, Spa-Bereich und erstklassige Gastronomie, inklusive eines fabelhaften Frühstücks, versprechen einen entspannten und genussvollen Aufenthalt.

Das Gourmetrestaurant verfügt über eine wunderschöne Terrasse, die im Sommer mit Blick auf Park und Teich punkten kann. Im Inneren dominiert nahezu klassische Eleganz in Weiß- und Beigetönen.

Es gibt ein Menü in sechs Gängen zu 220 Euro oder mit Käse zu 245 Euro. Wenn wir schon mal hier sind, entscheiden wir uns für das volle Programm.

Und das beginnt mit fünf Amuses Bouches als Einstimmungen. Den Auftakt macht eine im Martiniglas servierte Olive mit einem öligen, klaren Tomatenwasser und etwas Basilikumöl. Natürlich erwarte ich hier, wie schon oft erlebt, eine Sphäre aus dem Molekular-Klassikerbaukasten. Tatsächlich aber überrascht die flüssig gefüllte Olive mit einer knusprigen Hülle. Die Geschmäcker der einzelnen Komponenten sind auf jeden Fall sehr klar herausgearbeitet und füllen den Mund weiträumig aus.

Amuse:_Grüne Olive
Amuse: Grüne Olive

Auch der folgende Fingersnack spielt mit der Interpretation eines traditionellen Gerichts. Im wunderschön gearbeiteten, karamellisierten Cornet treffen kühler Thunfisch am Boden auf eine Creme von Gänseleber. Mit einer dünnen Scheibe Trüffel on top wird so daraus eine ganz andere „Rossini“-Version, die von den tollen Kontrasten lebt.

 

Amuse: Toro Rossini
Amuse: Toro Rossini

Filigran gearbeitet ist auch das Chicken Curry-Sandwich, für das zwei hauchdünne Chips aus Hühnerhaut mit einer indisch aromatisierten Lebercreme gefüllt sind. Das ist füllig und gut.

Amuse: Chicken Curry
Amuse: Chicken Curry

Zwei Makrelenfilets von fester Struktur werden umspielt von einer samtigen Ajo Blanco. Zarte Noten von Anis und Fenchel spielen auch mit und machen dies zu einer sehr eleganten Angelegenheit.

Amuse: Makrele
Amuse: Makrele

Auch der abschließende Gruß ist nicht weniger kunstvoll gestaltet. Mousse von Stör trifft auf Eis von Champagner und Kaviar. Das ist kühl und frisch, wenngleich der Champagner im Eis nicht wirklich herauszuschmecken ist und die Kälte auch die Wirkung des Kaviars etwas mildert.

Amuse: Stör
Amuse: Stör

Im ersten Gang erwartet uns ein Gericht um Gänseleber. Deshalb serviert man zunächst ein üppiges Brioche mit dreierlei Butter, später dann noch ein gutes Sauerteigbrot.

Das Menü beginnt mit einer zum Taco geformten Gänseleberterrine. Gefüllt ist das mit Taschenkrebs, Apfel und Verveine. Dieser Kontrast aus fülliger Leber und kühlem Krustentier lässt das Gericht sehr leicht erscheinen. Dazu trägt auch der Sud auf Basis von Myoga, also japanischem Ingwer, bei.

Mit etwas zeitlichem Abstand, was im Laufe des Abends noch häufiger passieren wird, wird eine zweite Zubereitung serviert. Diesmal konzentriert es sich vor allem auf Taschenkrebs in einem deutlich kräftigeren Sud mit diversen Knusperperlen und -elementen.

Das ist in Summe abwechslungsreich, zeitgemäß und elegant. Ein Attribut, das mir in diesem Menü noch häufiger in den Sinn kommt.

Es folgt ein wunderbar festes Stück vom Sankt Petersfisch, das mit frittierten Kapern und Zitruszesten eine Auflage erhält, die auch texturelle Abwechslung bietet. Die dazu gereichte Beurre Blanc auf Sauerkrautbasis ist köstlich. Aber vor allem die dünne Scheibe Aal sorgt für eine ganz feine Rauchnote, die den säuerlichen Grundton fein ergänzt. Ein ganz exzellenter Fischgang.

Sankt Petersfisch - Geräucherter Aal - Sauerkraut - Kapern - Zitrone
Sankt Petersfisch - Geräucherter Aal - Sauerkraut - Kapern - Zitrone

Den Wolfsbarsch setzt Ralf Berendsen in einen mediterranen Kontext. Die Schuppen sind sehr angenehm frittiert und mit Tomate und Pulpo erhält der Fisch Mitspieler, die in diversen Texturen durchgespielt werden. Während sich die Tomate als Sud und als Espuma findet, befindet sich der Pulpo in dünnen Streifen am Boden des Tellers und wird anschließend noch in getrockneter und geräucherter Form über das Gericht gerieben. Erneut ausgezeichnet.

Wolfsbarsch - Tomate - Pulpo
Wolfsbarsch - Tomate - Pulpo

Und mächtig opulent geht es weiter. Eine kräftig angebratene Jakobsmuschel ist in einen Mantel aus dünnem Wagyu-Shortrib gewickelt. Auch die Hollandaise erhält durch Wagyu-Fett und geräucherten Hering eine zusätzliche Fülle. Zwiebeln liefern feine Süße, ein Sambal-Sud ist würzig, aber nicht dominant. Getoppt wird das Ganze von einer großzügig bemessenen Nocke Imperial Kaviar, der mit seinem milden Charakter ebenfalls nicht zu vordergründig wirkt. Wundert es noch jemanden, wenn bei allem deftigen Charakter auch hier die Ausführung und Präsentation das Prädikat elegant verdienen?

Jakobsmuschel - Kagoshima Wagyu - Geräucherter Hering - Zwiebel - Sambai - Imperial Heritage Kaviar
Jakobsmuschel - Kagoshima Wagyu - Geräucherter Hering - Zwiebel - Sambai - Imperial Heritage Kaviar

Im Hauptgang gibt es Rücken vom vorzüglichen spanischen Lamm aus den Pyrenäen mit einer deutlichen Fettschicht, die knusprig gebraten ist. Der Schaum vom Tom Kha Gai bringt keinen merklichen Eigengeschmack mit, dafür ist die recht klassische Jus ausgezeichnet. Auch die Variation von Aubergine weiß zu gefallen.

Ein paar Minuten später wird auch der zweite Teil des Hauptgangs serviert, ein Stew im Teig. Anders als beim eher mediterran geprägten Hauptteller dominiert hier vor allem eine indische Aromatik, die mit Gurke und diversen Knusperelementen frisch ergänzt wird.

Hier wird ein fabelhaftes Produkt in zwei Zubereitungen von sehr unterschiedlichem Charakter präsentiert und vor allem dieser Kontrast macht den Gang so spannend und gut.

Mit nahezu 30 Sorten ist der Käsewagen großzügig bestückt. Wer möchte, kann sich dazu verschiedene Chutneys und selbst gemachte Senfsorten wählen. Einen sehr lobenswerten Service bietet die separat gereichte Karte mit den Namen und Beschreibungen der Käsesorten, in der markiert ist, wer am Tisch welche Sorten gewählt hat.

Auch der zum Käse servierte grüne Salat ist eine schöne frische Ergänzung, die mir an dieser Stelle viel lieber ist als Brot oder irgendwelche Condiments.

Das Dessert wird in drei Teilen, erneut jeweils in zeitlichem Abstand serviert, aber so, dass man zum Schluss noch alle drei Zubereitungen parallel verkosten kann.

Bereits das als Erstes servierte Vanille-Soufflé ist ein veritabler Kracher. Am Tisch wird eine Nocke Vanilleeis in das Soufflé gegeben, ebenso etwas Rum. So einfach dies von den Zutaten her anmutet, ist das nicht weniger als eines der besten Soufflés, an das ich mich erinnern kann.

Vanille I: Soufflé & Eis - Rum
Vanille I: Soufflé & Eis - Rum

In der zweiten Zubereitung findet sich erneut Vanille, diesmal als Panna Cotta in Kombination mit Topinamburcreme und Birne, die den vorherrschenden Ton angibt. Das ist in Summe etwas frischer.

Vanille II: Topinambur - Birne
Vanille II: Topinambur - Birne

Im dritten Teil ist Schokolade der Hauptdarsteller in Form einer sehr fluffigen und leichten Mousse. Dazu gibt es marinierte Trauben und verschiedene knusprige Teigblätter, von denen einige doch arg süß und klebrig am Gaumen einen eher unangenehmen Eindruck hinterlassen. So gut die Mousse auch ist, so eindimensional bleibt dies doch und ist von den drei Dessertteilen für mich der schwächste.

Trotzdem ist diese Dessert-Parade natürlich beeindruckend und unterm Strich auf sehr gutem Niveau mit einem Weltklasse-Soufflé als Highlight.

Vanille III: Schokolade - Traube
Vanille III: Schokolade - Traube

Als wäre der Sättigungsgrad an dieser Stelle nicht ohnehin schon mehr als fortgeschritten, folgt zum Abschluss noch ein Pâtisseriewagen, der uns an Zeiten erinnert, als im „Bareiss“ auch noch mehrere Wagen mit Torten, Kuchen und allerlei anderem Süßkram anrollten, als gäbe es kein Morgen mehr.

Hier sind es immerhin acht Kuchen und Törtchen sowie Cannelés, Nougat, Pralinen und diverse Schokoladen. Wir können zwar eigentlich nicht mehr, aber können auch nicht nein sagen. Magen verrenken auf bestem Niveau halt.

Unser erster Besuch im Restaurant „Ralf Berendsen“ wird nicht der letzte gewesen sein. Die Küche hat uns durchgehend begeistert. Allerfeinstes Handwerk trifft auf kreative Ideen und sehr elegante Präsentationen. Das ist zwar im Kern alles sehr klassisch grundiert, aber auch von sehr zeitgemäßem Charakter.

Dass man dem Service, ebenso wie dem Sommelier, das Lächeln auch durch die Masken ansehen kann, macht deutlich, wie sehr hier für Wohlfühlstimmung gesorgt wird.

Eine gelungenere Karnevalsflucht hätten wir uns also nicht aussuchen können.

Details

Restaurant: Ralf Berendsen
Adresse: Paalsteenlaan 90, 3620 Lanaken
Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag: ab 18.30 Uhr
Freitag + Samstag: ab 12.00 Uhr und ab 18.30 Uhr
Website: www.labutteauxbois.be/de/restaurant-la-source/

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Kommentare

  1. Carsten am 25. April, 2022 um 10:25 Uhr.

    Fein, unsere Karnevalsflucht führte uns in den Norden an die See. Aber eure in Richtung Westen ist wirklich eine gute Entscheidung gewesen. Alle Fisch und Meeresfrüchtegänge bitte auch für mich!

  2. Gero Kettler am 28. Mai, 2022 um 16:45 Uhr.

    Wie stets sehr freundlich und appetitmachend beschrieben. Eine Frage bleibt für mich offen: Wer ist denn dieser Karneval?

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