
Rebstock, Vogtsburg-Oberbergen
Am 20. August 2023 in Deutschland | 2545 Aufrufe | 3 Kommentare
An guten Gasthäusern mangelt es in Süddeutschland sicher nicht, in Baden schon mal erst recht nicht. Dort, wo die Nähe zum Elsass und zur Schweiz auch Gäste aus dem benachbarten, genussfreudigen Ausland über die Grenze treibt, ist man gut beraten, dem dortigen Qualitätsanspruch auch gerecht zu werden. Denn sonst würde sich der Weg ja kaum lohnen.
Eine der verlässlichsten Adressen seit vielen Jahren ist der „Rebstock“ in Oberbergen. Über den „Schwarzen Adler“ von Fritz Keller auf der gegenüberliegenden Straßenseite muss man nicht viel sagen (obwohl ich mich in meinem nächsten Bericht genau daran nicht halten werde), aber auch der rustikale Gasthof verdient eine angemessene Würdigung. Denn auch hier wird feine Küche geboten, nur eben auf ganz anderem Terrain.
Sitzt man bei kälteren Temperaturen im stimmungsvollen Gastraum, der auch eine angemessene Ecke mit Devotionalien des SC Freiburg bereit hält, dessen Präsident Fritz Keller über viele Jahre war, wird im Sommer der überdachte Innenhof geöffnet. Nachmittags ist er mit reduzierter Karte auch Anlaufpunkt für Wanderer und Radler und bietet Flammkuchen sowie die ewigen Klassiker auf der „Rebstock“-Karte, das Mistkratzerle, also ein Stubenküken, sowie das Wiener Schnitzel.

Wir starten mit dem Kalbskopf, in dünnen Scheiben aufgeschnitten und ausgebacken als Praline. Dazu gibt es Salat mit einer schönen Vinaigrette und reichlich Pfifferlingen. Der Kalbskopf weist eine schöne gelatinöse Konsistenz auf und passt mit seinem herzhaften Geschmack ausgezeichnet zu den übrigen Zutaten.

Da ich bereits ahne, dass die Hauptgänge, die wir ins Auge gefasst haben, deftig ausfallen werden, entscheide ich mich für den Salat aus bunten Tomaten mit Melone, einer derzeit häufig anzutreffenden Kombination. Hier erfährt sie noch eine schöne Ergänzung durch eine gelierte, klare Tomatenessenz sowie Tupfen von Ziegenfrischkäse, die beide eine gute Säure beisteuern. Für die hochsommerlichen Temperaturen genau das passende Gericht.

Von den Tagesempfehlungen wählt mein Mann das gebackene Kotelett vom badischen Landschwein. Das hat eine stattliche Fettschicht, die nur Kostverächter wegschneiden würden. Durch das Backen hat sich eine angenehme, leicht knusprige Konsistenz ergeben und der Eigengeschmack des Fleisches steht ohnehin für sich. Einen tollen Effekt bringt die Auflage aus Preiselbeeren und vor allem Meerrettich, was für eine deutliche, aber nicht aufdringliche Schärfe sorgt. Der separat gereichte Kartoffelsalat ist ebenso vorzüglich mit wunderbar festen Kartoffeln und genau so schlotzig, wie er hier sein muss.

Ich bin ein großer Fan von Cordon Bleu. Obwohl mich auch das Mistkratzerle anlacht, lockt einfach der Vergleich zu meinem persönlichen Benchmark aus der „Brasserie Marie“ in Köln. Außerdem verheißt die Füllung aus Münsterkäse und luftgetrocknetem Schinken eine originelle elsässisch inspirierte Variation. Und in der Tat bringt vor allem der Käse einen ungewohnten, aber wunderbar kräftigen Akzent. Das Problem ist allerdings, dass der Käse beim Anschnitt nahezu vollständig aus dem Inneren läuft. Damit bleibt zwar ein würziger Saucensee auf dem Teller, in die man das Fleisch tunken kann. Aber schöner wäre es gewesen, wenn der Käse durchgehend im Fleisch gewesen wäre. Die Pommes Frites dazu sind super knusprig und die hausgemachte Senf-Mayonnaise ebenfalls sehr gut.

Da beide Hauptgerichte vom Ausmaß eher Bauarbeiterportionen sind, streichen wir für üppige Desserts die Segel. Ich schaffe lediglich noch eine Kugel Sorbet und entscheide mich für Kirsche. Die wird auch so annonciert serviert, aber schon die Farbe und die Tatsache, dass die Kugel von einer Brombeere gekrönt ist, macht klar, dass hier eine wundersame Genmanipulation stattgefunden hat. Aber die Kirsche, die eigentlich eine Brombeere ist, schmeckt auch.

Danach geht nur noch ein Obstbrand vom benachbarten Brenner, den ich mir lieber etwas gekühlt gewünscht hätte, wie es im Elsass häufig gehandhabt wird, denn hier ist er, vermutlich aufgrund der hohen Außentemperaturen deutlich zu warm und dadurch etwas zu sprittig. Dann noch ein letzter Schluck Wein aus der Weinkarte, die zwar nicht den Umfang vom Restaurant gegenüber hat, aber trotzdem Erstaunliches bietet. Oder wo bekommt man sonst eine mehr als akkurate Flasche Bourgogne Blanc für deutlich unter 40 Euro?
Dem gastfreundlichen Charakter des Hauses entspricht auch der jederzeit herzliche und aufmerksame Service. Ein Gasthaus also, wie es im Buche steht und in das wir jederzeit gerne wiederkommen.
Details
Restaurant: | Rebstock |
Adresse: | Badbergstrasse 22, 79235 Vogtsburg-Oberbergen |
Öffnungszeiten: | Mittwoch: 17.00 - 23.00 Uhr Donnerstag - Sonntag: 12.00 - 23.00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.franz-keller.de/winzerhaus-rebstock/restaurant |
Schlagworte
badisch, bürgerliche Küche, Franz Keller, Oberbergen, Rebstock, Wirtshaus
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Da muss ich als gebürtiger Freiburger doch kurz intervenieren. Es gibt den Freiburger FC und den SC Freiburg, dessen Präsident Fritz Keller war. Ansonsten ein weiterer, sehr lesenswerter Bericht – vielen Dank!
Danke für den Hinweis! Als nicht sonderlich Fußball-affiner Mensch bringe ich da schon mal was durcheinander… Ist korrigiert.
Sehr gerne und thematisch steht der Fußball, Gott sei dank, ja auch in keinster Weise im Mittelpunkt. Liebe Grüße