The Jane, Antwerpen

Zu den Restauranterlebnissen, die sich nachhaltig in meiner kulinarischen Erinnerung eingebrannt haben, gehört mit Sicherheit unser erster Besuch im „The Jane“ in Antwerpen.
Dieses Projekt, das Sergio Herman nach dem Ende des legendären „Oud Sluis“ gemeinsam mit Nick Bril in einer ehemaligen Militärkapelle verwirklichte, war von Anbeginn konzeptionell so einmalig, dass es weit über die Landesgrenzen hinweg Scharen von Gästen anzog. Für Reservierungen empfahl es sich, exakt drei Monate vor dem gewünschten Termin morgens um 8 Uhr an möglichst vielen Geräten online zu sein. Auch heute kann das nicht schaden, aber ein wenig einfacher scheint es mir geworden zu sein, einen Tisch zu ergattern.
Mittlerweile ist Sergio Herman zwar noch der Mastermind hinter „The Jane“, aber die Handschrift ist eindeutig die von Nick Bril, der die Küche komplett alleine verantwortet. 2 Sterne im Michelin und 18 Punkte im Gault Millau darf er sich getrost auf seine Fahne schreiben.

Außenansicht
Außenansicht

Bei unserem damaligen Besuch zum Mittagessen waren wir jedenfalls vom Zusammenspiel aus hinreißendem Essen, beeindruckender Innenarchitektur, Mode, Musik und begeisterndem Service so angetan, dass uns kaum auffiel, dass unser Essen 5 ½ Stunden dauerte, denn keine einzige Minute davon war langweilig.

Heute sind wir wieder zum Lunch hier und sind um 12 Uhr die ersten Gäste. Das wird nicht so bleiben und auch an diesem Tag sind wieder alle Tische belegt. Die Einrichtung mit dem überdimensionalem Leuchter als zentralem Blickfang übt auch nach 2 Jahren und beim dritten Besuch die gleiche Faszination aus wie die offen einsehbare Küche in einem Glaskubus im früheren Altarraum. Wer sich nichts zu sagen hätte, bekäme jedenfalls genug Beschäftigung für die Augen.

Innenansicht
Innenansicht
Interieur
Interieur

Es gibt weiterhin nur ein gesetztes Menü mit 10 Gängen (160 Euro), das um einige Alternativen erweitert werden kann, so ein Signature Dish mit Steinbutt und Hummer von der Oosterschelde (45 Euro) oder Kaviar als Supplément zum Austerngang. Und eine Käseauswahl ist natürlich ebenfalls zu bekommen.
Wir entscheiden uns heute für den Signature Dish als Extra und freuen uns auf die kommenden 11 Gänge.

Los geht es mit einer ironischen Anspielung auf einen eher traurigen Sachverhalt. Denn den Gang mit dem Titel“We got burnt“ muss man in zweierlei Hinsicht wörtlich nehmen. Am Tisch wird Wolfsbarsch von Gran Canaria mit einem kräftigen Bunsenbrenner abgeflämmt. Angesichts der Tatsache, dass „The Jane“ vor einigen Wochen ungeplant wegen eines Küchenbrandes wegen Renovierungsarbeiten schließen musste, durchaus ironisch zu interpretieren, wie auch der Zusatz auf der mitgelieferten Karte „We got burnt – but we are happy to have you back at our table“.

Der gesamte Gang spielt mit dem Rauch- und Feuerthema, denn neben dem geflämmten Fisch spielen auch noch Pulver von gebrannter Zwiebel, Gel von BBQ Zwiebeln und Zitronen, eine Dashi mit getoastetem Kombu und Heu sowie geräuchertem Bonito, Öl von gebrannten Zwiebeln und Stickstoffperlen von geräucherter Sour Cream eine Rolle. Konsequenter hätte man sich des Themas Brand nicht annehmen können – überzeugender auch nicht!

"We got burnt"
"We got burnt"

Der folgende Gang wird in zwei Schalen präsentiert. Zum einen gibt es als recht grobes Tatar marinierten Blue Fin Thunfisch, ebenfalls aus Gran Canaria, der offenbar gechipt und dann geangelt wurde mit etwas Rührei, das im ersten Moment gar nicht als solches erkennbar ist sowie einigen Nori-Streifen. Das ist sehr geschmackvoll, aber eher auf der leichten und frischen Seite.
Kräftiger machen sich die Spaghetti, die aufgrund ihrer größeren Dicke auch einen guten Kontrast in Bezug auf die Konsistenz zum eher weichen Thunfisch-Part bieten. Pulpo und Forellenkaviar gestalten diese Schale zusätzlich intensiver.

Noch einmal kommt der Bunsenbrenner beherzt zum Einsatz und zwar beim halbierten Carabinero, der am Tisch noch mit Tomaten-Butter bestrichen wird. Das hinterlässt markante Röstaromen, die hervorragend als Gegenstück zu dem sehr feinen Tatar aus dem Carabinero funktioniert, das von Quinoa begleitet und mit Vadouvan aromatisiert ist.

Carabinero, Quinoa, Karotte, Vadouvan
Carabinero, Quinoa, Karotte, Vadouvan

Sehr elegant und überraschend leicht interpretiert Nick Bril den Foie Gras-Gang. Die Leber kommt hier als Ring von lockerer Mousse, Rhabarber als Granité und auch die knallrote Kugel enthält eine luftige Mousse, die indes etwas Eigengeschmack vermissen lässt. Haselnuss und Sud von japanischer Pflaume geben dem Gericht einen fruchtigen Rahmen, der sich sehr gut mit der ausgewählten alkoholfreien Begleitung verträgt, die auf Basis von Gamay und diversen Trauben und Kräutern. aber eben dem Alkohol entzogen, auch einen fruchtigen Charakter liefert.

Foie Gras, Rhabarber, Haselnuss, Nanko-Hoshiko
Foie Gras, Rhabarber, Haselnuss, Nanko-Hoshiko

Üppig füllig wird es mit der in Verbene-Butter pochierten Stange Spargel, die anschließend gegrillt wurde. Mit der Hollandaise wird es noch verhältnismäßig klassisch, aber den Clou liefert das am Tisch zugegebene Ragout von Erbsen und Räucheraal. Das ist sahnig, samtig, dezent rauchig und einfach nur zum Niederknien gut. Eine der besten Saucen, die ich seit langer Zeit genossen habe.

Weißer Spargel, geräucherter Aal, Erbsen
Weißer Spargel, geräucherter Aal, Erbsen

Bei der folgenden Perle Blanche Auster handelt es sich um eine Sommersorte, die besonders groß und fleischig ausfällt. Sie findet sich wieder in einem mit Kaffirlimette und Ingwer asiatisch eingebundenen Sud, der eine prägnante Schärfe mitbringt. In der Weinbegleitung empfiehlt der
fabelhafte Sommelier Gianluca di Taranto einen neun Jahre alten knochentrockenen Sherry. Das ist gewagt, ergänzt sich aber erstaunlich gut.

Perle Blanche von Bourcefranc-Le-Chapus, Plankton, Kaffir
Perle Blanche von Bourcefranc-Le-Chapus, Plankton, Kaffir

Der als Zusatzgang gewählte Signature Dish präsentiert sich erstaunlich traditionell. Hummer und Steinbutt von der Oosterschelde in Zeeland sind von vorzüglicher Qualität und ohne Exalthierheiten kombiniert. Spinat, Kartoffelpüree und Sauce Béarnaise sind alleine für sich genommen genau richtig und köstlich, aber den Vogel schießt die exorbitant gute Krustentierjus ab, die erneut allerbestes Saucenhandwerk demonstriert. Dass in der Sauciere nicht ein Gramm zurück in die Küche geht, versteht sich von selbst.

Steinbutt, Hummer aus der Oosterschelde, Spinat, Buttermilch, Krebstierjus
Steinbutt, Hummer aus der Oosterschelde, Spinat, Buttermilch, Krebstierjus

Mit einem rund geformten Stück Merlan schließt der Reigen der Fischgänge. Getoppt mit gebratenem Chicoree und Krabben sowie einem dünnen, intensiven Plättchen, das ich nicht genau verstanden habe, das meiner Meinung nach aber Hühnerhaut gewesen sein kann. In jedem Fall fügt es einen kräftigen Akzent bei. Die Sauce auf Basis von Vin Jauce beweist einmal mehr, welch wichtige Rolle Saucen in Nick Brils Küche spielen.

Flachs Wittling, Graue Nordseegarnele,Château-Chalon
Flachs Wittling, Graue Nordseegarnele,Château-Chalon

Die 10 Tage trocken gereifte Taube wird im gebratenen Zustand bereits vor dem letzten Fischgang präsentiert und sie sieht wirklich exzellent aus. Später wird sie aufgeschnitten auf einem Teller zum Teilen serviert und nur von einer Cassis- und einer Bratensauce begleitet. Lediglich ein paar kleine Kohlelemente und etwas belangloser Tapiokachip dürfen sich noch dazu gesellen. Diese sehr puristische Darbietung ist bewusst so gewollt, damit das vorzügliche Fleisch voll glänzen kann. Und das gelingt auch, wenn auch der Flügel etwas schwer zu essen ist. Bei dieser Art der Präsentation, die im Rahmen der ansonsten sehr eleganten Anrichteweise nahzu archaisch anmutet, müssen eben auch die Hände zu Hilfe genommen werden. Aber das geschmackvolle Fleisch entschädigt vollkommen.

Den süßen Teil des Menüs leitet ein wunderschönes Ensemble rund um Burrata und Garriguette-Erdbeeren ein, beides jeweils in unterschiedlichen Konsistenzen. Das grüne Eis ist nicht explizit erkennbar und vermutlich habe ich es bei der Aufzählung der zahlreichen Komponenten auch einfach nur wieder vergessen, aber in Summe bleibt ein rundes Geschmacksbild, das nach der rustikalen Taube eine schöne Erfrischung darstellt und wieder den Faden zu den bekannt elaborierten Präsentationen aufnimmt.

Burrata, Gariguette, Celina di Nardò, Mélange d'Hiver
Burrata, Gariguette, Celina di Nardò, Mélange d'Hiver

Das abschließende Dessert wird in zwei Teilen serviert. Im ersten Schälchen ist eine Kombination aus Guanaja-Schokolade, Malz und Pastinake geschichtet, die einen eher herb süßlichen Charakter hat. Daneben, im zweiten Schälchen, findet sich eine Sabayon von belgischem Bier mit einem Sorbet, das wir als Birne identifizieren (ohne uns darauf festlegen zu wollen). Das liefert den notwendigen Säuretouch, um das Dessert nichts ins zu Süße und Gefällige abgleiten zu lassen. Auch das ist einfach charmant und lecker.

Es ist 17 Uhr, fünf Stunden sind mittlerweile vergangen und ganz am Ende angekommen sind wir noch immer nicht. Denn mit einem kapitalen Macaron, der ein präzises Aroma von karamellisiertem Popcorn aufweist, einer Praline mit Macadamiacreme sowie einem hochfragil gearbeiteten Mille-Feuille mit gesalzener Pekannuss liefert die Patisserie auch noch extrem feine Mignardises als endgültigen Rausschmeißer.

Dass uns die mehr als fünf Stunden in keiner Minute langweilig geworden sind, ist neben einem perfekten Timing zwischen den Gängen und der Tatsache, dass das Auge im „The Jane“ ununterbrochen etwas geboten bekommt, auch und vor allem dem Service zu verdanken. Es gibt nur wenige Restaurants, die im Service auf nahezu allen Positionen eine natürliche Herzlichkeit und Begeisterung am Job vermitteln, die man nicht lernen kann, sondern einfach hat oder eben nicht. Allen voran ist Gianluca di Taranto zu nennen, der nicht nur Sommelier, sondern auch Gastgeber mit Witz und Charme ist.

Seine Weinbegleitungen, wahlweise als „Essentials“ (75 Euro) oder „Inimitables“ (95 Euro), sind immer spannend, gespickt mit vielen unbekannten oder raren Weinen, durchaus mit einem Fokus auf Naturals, aber nie zu reduktiv oder oxidativ. Gianluca, vom Gault & Millau zum Sommelier des Jahres 2018 ausgezeichnet, betont, dass es ihm immer wichtig ist, dass die Weine klar und sauber sind, egal ob sie konventionell, biologisch oder gänzlich ohne Eingriffe hergestellt sind. Und das zeigt sich auch in unserer heutigen Begleitung, bei der wir uns für die teurere Variante entscheiden, die aber angesichts des Servierten und der Menge ausgesprochen fair kalkuliert ist.

Weinbegleitung
Weinbegleitung

„The Jane“ hat uns auch beim dritten Besuch begeistert. Es ist ein Ort von spürbarer Energie, der man sich nicht entziehen kann. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei, wie bei allen von Sergio Herman konzipierten Restaurants, auch die Musik. Auf der Empore, die auch die „Upper Room Bar“ beherbergt, legt ein DJ pulsierende, animierende House-Music auf, die mich ununterbrochen mitwippen lässt. Dass auch im Keller neben dem Weinkeller ein paar Turntables stehen, verwundert daher nicht wirklich. Nick Bril ist nebenbei übrigens auch ein bekannter DJ, der auch schon mal vor mehreren Zehntausend Besuchern auflegt. Ein Typ mit Energie durch und durch.

Seine Küche ist bei aller Komplexität ganz leicht zugänglich und verständlich, überwiegend in Schalen serviert, die erlauben, die Gerichte ganz direkt und unkompliziert zu probieren. Und das Wichtigste: Alles schmeckt großartig. Unser Menü hatte keinen einzigen Durchhänger. Hervorragend die Produkte, bestechend die Präsentation, herausragend das Saucenhandwerk.
Ich kann gar nicht genau sagen warum, aber für mich entfaltet „The Jane“ seinen Zauber mittags fast noch etwas mehr als am Abend. Vielleicht liegt es daran, dass die Raumwirkung der Kirche und das Lichtspiel der Fenster mir noch etwas intensiver erscheint. In jedem Fall ist „The Jane“ weiterhin einer meiner absoluten Lieblingsplätze in Europa. Amen.

Details

Restaurant: The Jane
Adresse: Paradeplein 1, 2018 Antwerpen
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: abends
Freitag + Samstag: auch mittags
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.thejaneantwerp.com

Schlagworte

, , , , , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. Gero Kettler am 5. August, 2019 um 20:48 Uhr.

    So soll es sein, so soll es bleiben, so habt Ihr es Euch gewünscht.

Dein Kommentar