The Jane, Antwerpen
Am 5. Dezember 2021 in Belgien | 2260 Aufrufe
Eines der schönsten Komplimente für mich ist, wenn meine Berichte andere zum Besuch eines Restaurants animieren. Noch schöner ist es dann natürlich, wenn dies nicht in einer Enttäuschung endet, sondern im besten Fall meine Begeisterung geteilt wird.
Dass das „The Jane“ zu meinen absoluten Lieblingsrestaurants gehört, ist mittlerweile wohl kein Geheimnis mehr. Die Faszination über diesen Ort, den ich am liebsten mittags besuche, weil mir da das Lichtspiel und die Atmosphäre in der ehemaligen Militärkapelle noch mehr gefällt, ist seit dem ersten Besuch ungebrochen.
Eine Arbeitskollegin hat sich für ihr erstes Fine Dining Erlebnis und aufgrund meiner enthusiastischen Beschreibungen nun genau diesen Platz ausgesucht und war – soviel kann ich vorwegnehmen – mit dieser Wahl mehr als glücklich. Ambiente und Musik konnten sie ebenso begeistern wie der herausragend herzliche Service. Die natürliche Art, mit der man hier auf Gäste zugeht und sie anspricht, lässt aber Hemmschwellen von Anfang an auch gar nicht erst aufkommen.
Und dann ist da natürlich die Küche von Nick Bril, die in einem gesetzten Menü zu 230 Euro, angeboten wird. Käse kann zusätzlich geordert werden. Die Weinbegleitung schlägt mit 135 Euro zu Buche.
Nachdem Gianluca Di Taranto das „The Jane“ mittlerweile verlassen hat, hat Trésor Vets, den wir bereits von früheren Besuchen kennen, dessen Aufgabe übernommen. Und er macht das mit dem gleichen Charme und ebensolcher Kenntnis, dass man sich keinen reibungsloseren Übergang hätte vorstellen können. Am Ende des Menüs werden wir 11 verschiedene Weine von sehr individuellem Charakter und jenseits des Mainstreams probiert haben, zu denen Trésor Vets viel Wissenswertes zu erzählen hat. All das ist eines der vielen Elemente, die einen Besuch im „The Jane“ zu so einem großen Vergnügen machen.
Ein Essen im „The Jane“ feiert immer vor allem die Produkte Zeelands und der Nordsee, häufig gepaart mit Aromen und Gewürzen aus aller Welt. Schon der erste Gang rund um Muscheln, Plankton und Meerwasser umfängt einen wie eine leichte Meeresbrise mit feiner Salzigkeit.
Eine dünne und sehr knusprige Tartelette ist mit Krabben, Tomaten und einem Espuma von Old Groendal-Käse gefüllt. Das ist bei aller Feinabstimmung der einzelnen Komponenten leicht zugänglich, schlotzig und lecker.
Ähnlich typisch für die Gerichte im „The Jane“ ist auch der folgende Hamachi in kleinen Stücken auf einer Creme von Foie Gras mit japanischer Pflaume und Sanbaizu, einer japanischen Essigsauce. Das verbindet sehr gekonnt die Erdigkeit der Leber mit den trotz der Trockenreifung immer noch frischen Noten des Fisches und einer weltläufigen japanischen Aromatik. Klingt komplex, ist es auch, aber gleichzeitig eben auch sehr unkompliziert.
Der folgende Gang wird von einem Koch serviert, der uns erzählt, dass Nick Bril ihn schon seit langem drängt, ein Gericht mit Einflüssen aus seiner peruanischen Heimat zu kreieren. Das Ergebnis kann voll überzeugen. Tiradito ist ein traditionelles Gericht um rohen Fisch in einer Sauce, durchaus nicht unähnlich einem Ceviche. Hier ist es roh marinierter Wolfsbarsch in einer leicht milchigen Limettensauce. Damit es aber den typischen „Jane“-Touch erhält, gesellen sich noch Tapiokasalat, Rettich und geeiste Späne von Blutorange dazu. Die ausgeprägte Kühle des Gerichts unterstützt den sehr frischen Charakter dadurch noch mehr.
An Zutaten nicht gerade arm ist auch der nächste Teller. Auf einem Tatar von der alten Milchkuh gibt es eine Flat Oyster, verschiedene Algenzubereitungen, gepickelte Kohlrabi, Buttermilch und eine Sauce auf Basis von Brot-Miso. Das Tatar ist nur sehr mild gewürzt, so dass es den Austerngeschmack nicht überlagert. Insgesamt herrscht hier ein herb-säuerlicher Ton vor, es ist ungemein intensiv und geschmackvoll. Einfach top!
Unter dem Namen „FLUX“ präsentiert Nick Bril ein Dreierlei an Gerichten auf einem eigens designten Geschirr. Es gibt Rote Garnele mit einem Dumpling und Alge, einem Hauch von Zitronengras, Crunch und einer wunderbaren Süße.
Ein Chawanmushi mit Taschenkrebs, Edamame und Ingwer Dashi ist füllig, warm und im besten Sinne mollig, während Thunfisch auf Koshihikari-Reis und Shiro Kombu eher intensiv und frisch sind.
Ich weiß gar nicht, was mich mehr fasziniert. Dass jede Schale für sich ein Hochgenuss ist, dass das Hin- und Herprobieren das aromatische Spektrum noch zu erweitern scheint oder die drei parallel von Trévor Vets gereichten Weine, darunter ein Sake, ein sizilianischer Orangewein, der mir ausgezeichnet gefällt sowie ein gereifter Riesling von der Wehlener Sonnenuhr unfassbar viel Spaß zum Essen macht. All das ist einfach nur toll, toll und noch mal toll.
Nick Bril ist nicht gerade ein Meister des Purismus. Und so ist auch der nächste Gang von nahezu überbordender Opulenz. Kabeljau trifft auf ein stattliches Exemplar isländischen Kaisergranats, einen mit Schweinshaxe gefüllten Tortellini, Spinat, Schwarzwurzel, Pfifferlinge, Krabben, Spinat und Trüffel. Das Ganze wird umschmeichelt und zusammengehalten von einer sehr buttrigen Sauce auf Sherrybasis. Das ist ein ungemein dekadentes, süffiges Vergnügen und trotz der Vielzahl von Komponenten extrem harmonisch.
Und die aromatische Schraube wird noch einmal etwas weiter angezogen mit Jakobsmuschel und Knollensellerie in Scheiben, zart gegart und als BBQ in der Sauce zusammen mit Guanciale, würzigem italienischem Schweinebauch. Trüffel und Pilze bringen zusätzlich Umami und Üppigkeit. Auch hier kann ich nicht viel mehr attestieren, als dass es einfach unglaublich köstlich ist.
Bis hierher war zwar in vielen Gerichten eine fleischige Komponente, aber die spielte oft nur eine Nebenrolle. Der amerikanische Ausdruck „supporting character“ im Film trifft es eigentlich viel besser. Im folgenden Gang nimmt das Fleisch nun eindeutig die Hauptrolle ein. Der Hirschrücken ist auf den Punkt gebraten. Crunch von Kakao, Kaffee und Pfeffer bringt eine gute Würze und leichte Schärfe ins Gericht. Die äußeren Wirsingblätter, oft eher verschmäht, sind hier knusprig gebraten, Topinambur kommt in verschiedenen Texturen, die Sauce mit fermentierten Cranberries und Pfifferlingen scheint kaum gebunden, aber so perfekt reduziert, dass sie leicht klebrig und konzentriert am Mund bleibt. Verglichen mit den vorherigen Gängen nimmt sich das fast schon klassisch aus, aber nicht weniger gut. Ganz im Gegenteil. Es ist perfekt ausgeführt und sehr stark.
Gut gesättigt sind wir zwar zu diesem Zeitpunkt schon, aber da uns beim letzten Mal die Käsepräsentation schon so viel Spaß gemacht hat, gönnen wir uns auch diesmal eine zum Teilen. Die Sorten, ein Querschnitt durch viele Länder von Frankreich, England, Schweden, Niederlande, die Schweiz bis nach Spanien werden vom Service schon vorbereitet und zusammen mit Salat und Aprikosensenf präsentiert, sind uns allesamt unbekannt und gerade deshalb erneut eine besondere Entdeckung.
Trésor Vets begleitet das mit einem Bier sowie einem Amarone-ähnlichen Wein, was ebenso spannend ist.
Den Dessertreigen leitet eine wild anmutende Kombination aus Mandarinensorbet, Creme von mildem Schafskäse, Granola, karamellisierten Mandeln, Sanddorn und nicht dominanten Algen. Das ist frisch, wenig süß, mit viel Crunch und erstaunlich stimmig.
Den regulären Abschluss des Menüs bildet ein nicht nur durch den effektvollen Teller wunderschön präsentiertes Mandeleis mit Biskuit von Schokolade und weihnachtlich anmutenden Gewürzen im Schokomantel und Verbenesauce. Das ist zwar relativ üppig, passt aber auch noch und ist – natürlich – auch köstlich.
Dass wir noch in den Genuss eines weiteren Desserts kommen, dessen Details ich mir zwar nicht gemerkt habe, aber das uns auch wunderbar schmeckte, ist vermutlich dem Umstand zu verdanken, dass wir im Gespräch mit Nick Bril unter anderem erwähnten, dass wir tags drauf unseren Jahrestag feiern würden. Eine unerwartete, aber schöne Geste.
Gut, dass nur noch vier kleine, aber feine Petit Fours folgen, denn mehr ginge jetzt dann doch nicht mehr.
Was für ein Menü, was für ein Ritt! Meine Kollegin erzählte mir nach ihrem Besuch, dass sie noch nie so aufmerksam gegessen habe. Ich verstehe gut, was sie meint, denn Nick Brils Gerichte sind mit so vielen Details gespickt, dass es hier unendlich viel zu entdecken gibt. Aber so vielschichtig die Kompositionen auch sein mögen, so harmonisch fügt sich immer alles zusammen. Noch nie musste ich hier überlegen, ob es mir schmeckt oder was sich die Küche bei diesem oder jenem Gang gedacht haben mag. Hier überrascht vieles, aber verstört nichts. Beste Produkte, ganz kosmopolitisch kombiniert, sorgen für uneingeschränkten Spaß.
Ich liebe „The Jane“. Und ein Ende dieser Liebe ist nicht in Sicht.
Details
Restaurant: | The Jane |
Adresse: | Paradeplein 1, 2018 Antwerpen |
Öffnungszeiten: | Donnerstag - Sonntag: 12.00 - 17.00 Uhr & 18.30 - 00.30 Uhr Montag - Mittwoch: Ruhetag |
Website: | www.thejaneantwerp.com/ |
Schlagworte
2 Michelin Stars, Antwerpen, kreativ, Nick Bril, The Jane, Trésor Vets
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