Victor’s FINE DINING by Christian Bau, Perl-Nennig
Am 30. September 2018 in Deutschland | 6050 Aufrufe | 1 Kommentar
Im Grunde bin ich recht einfach gestrickt. Mit einem Restaurantbesuch kann man mich immer kriegen. Will ich mich belohnen sowieso, aber auch wenn ich nicht gut drauf bin, ist ein gutes Essen der sicherste Stimmungsaufheller für mich.
Und dann gibt es die besonderen Tage, für die es gerne die Besten sein dürfen. Die Restaurants mit der Glücklichmach-Garantie sozusagen. Wer meine Besprechungen schon etwas verfolgt, weiß, dass ich die Küche von Christian Bau zum Allerbesten zähle, das ich kenne. Jedes Menü auf Schloss Berg hat einen tief verwurzelten Platz in meiner Erinnerung. Dieser Ort soll es also heute wieder sein.
Und wie gewohnt fällt die Begrüßung ausgesprochen herzlich aus. Irgendwie fühlt es sich jedes Mal noch ein wenig vertrauter an. So wie auch die ersten Grüße zum festen Bestandteil gehören und bitte auch in Zukunft gehören mögen. Der Macaron mit Entenleber, Räucheraal und Granny Smith ist ebenso fein und elegant gearbeitet wie das Cornet mit Tartar vom Bio-Ochsen, Räucherfischcreme und Kaviar. Vor allem letzterer begeistert mich immer wieder auf’s Neue durch die perfekten Proportionen auf kleinstem Raum und den wundervollen Geschmacksakkord.
Der nächste Gruß kombiniert Leichtigkeit und Frische des Gurkenespumas mit dem Gehaltvollen der japanischen Holzmakrele, die sich grobstückig darunter verbirgt. Die Top-Qualität des Fisches springt einen förmlich an. Knusper steuert der geröstete Quinoa bei. Toll.
Ebenso toll und ähnlich angelegt präsentiert sich auch der Taschenkrebs mit Strukturen von Granny Smith. Auch hier ist die Frische sehr markant. Ein wunderbar schmelziges Gänselebereis fügt dem aber auch eine leichte Üppigkeit bei.
Nicht weniger begeisternd ist auch das abschließende Amuse, eine Ceviche vom Wolfsbarsch, das mit diversen Meeresfrüchten, darunter Shrimps und Stabmuscheln, und einer Ponzusauce die passenden Mitspieler erhält.
Eine mehrteilige Abfolge von Grüßen kann man ja in vielen Restaurants erleben, aber was Christian Bau hier bereits zu Beginn aus der Küche schickt, setzt immer wieder auf’s Neue Maßstäbe. Häufig sind es Miniaturen von Gerichten, die sich ansonsten auch in der regulären Menüfolge finden könnten. Aber auch wenn dies nicht so wäre, stehen sie in Aufwand und Detailliebe den großen Gängen in nichts nach.
Ich habe an anderer Stelle erwähnt, dass Christian Bau der Koch ist, dem ich blindlings Carte Blanche gebe. Und genau so ist es auch heute wieder. Das Menü steht bereits und es sieht viele Gänge vor! Brot und Butter sind in gewohnt hervorragender Qualität. Ich beschränke mich aber darauf, es vor allem zum Aufwischen der Saucen zu verwenden.
Die Japanese Raw Bar, eine Abfolge von diesmal vier kalten Gerichten, variiert Bau immer mal wieder. Heute startet sie mit einem Fingerhappen aus Tartar von Gamberoni auf einem Brioche mit einer üppigen Nocke Kaviar und geht weiter mit abgeflämmtem Bauch vom Lachs, rotem Reis, Edamame-Bohnen, die auch als Creme verarbeitet sind sowie einem Sake-Granité, das eine unglaublich schöne Frische beisteuert. Das ist komplex, mit viel Textur und absolut stimmig.
Ein Traum in grün die dann folgende Hamachi. Die Gelbflossenmakrele ist eingefasst von einer Variation von Gurke und weist eine ganz dezente Schärfe auf.
Den Abschluss in diesem Gang bildet ein Gericht, das Christian Bau im Rahmen des Sternefresser-Cooktanks zum Thema „Asien – Reduktion auf das Wesentliche“ präsentierte. Angesichts der offensichtlichen Vielzahl an Komponenten wird das Thema Reduktion zwar ein klitzekleines bisschen ad absurdum geführt, aber das ändert ja nichts daran, dass auch hier der Geschmack über jeden Zweifel erhaben ist. Zweierlei vom Blauflossen-Thunfisch, Rücken (Akami) und Bauch (Torro), jeweils in Variationen, ist von einer hinreißenden Kojyu-Vinaigrette begleitet, die wir in ähnlicher Form bereits von seinem Signature Dish, dem Bar de Ligne mit BBQ-Aal in Erinnerung haben. Vor allem der Bauch des Thunfisches ist von sensationeller Qualität und schmilzt förmlich im Mund. Die Cremigkeit der Avocado unterstützt das noch zusätzlich. Gut – Reduktion sieht für mich jetzt zwar anders aus, aber das Ergebnis ist klasse.
Einen gänzlich anderen Charakter zeigt das folgende Gericht. Artischocke in Texturen und Trüffel, pur und in der Sauce, sind per se schon mal eine Kombination, die gut funktioniert. Der australische Trüffel ist intensiv und schmiegt sich schön an die Artischocke an. Damit es aber nicht allzu gefällig wird, sorgt der Wildkräutersalat mit seiner prägnanten Würze für den nötigen Kontrapunkt.
Weiter geht es mit Kampachi, dem Rücken von der Gelbflossenmakrele und Kaluga-Kaviar. Die üppige Ingwer-Schnittlauchbutter steuert zwar hart an der Salzgrenze, verträgt aber gut den von Nina Mann hervorragend dazu ausgesuchten Riesling vom blauen Schiefer von Heymann-Löwenstein mit seiner ausgeprägten Säure.
Man merkt, dass die Küche die Intensität der Gänge nun merklich steigert. Nach den eher leichten und frischen ersten Gerichten kommt jetzt eine angenehme Fülle und Üppigkeit mit ins Spiel. Dass trotzdem kein Gefühl von Schwere aufkommt, ist auch einem ausgewogenen Säurespiel zu verdanken. Wie bei der jetzt servierten Langoustine, die selbstverständlich von großartiger, fleischiger Qualität ist. Ich beneide ja nie diejenigen, die es vorbereiten müssen, aber halbierte Erbsen haben optisch schon was. Dazu gibt es einige schöne Knusperelemente, weißen Misoschaum und eine intensive Krustentierjus.
Den Abschluss der Fischgänge bildet Seezunge mit Pilzen und Lauch. Was verhältnismäßig unspektakulär klingt, bereitet uns einen der erinnerungswürdigsten Gänge überhaupt. Abgesehen von der – natürlich – fabelhaften Produktqualität, ist es die – pardon – grenzgeile Sauce auf Basis von Vin Jaune. Die ist zum Augen schließen und Abtauchen. Ein Traum. Und absolute Referenz.
Auch der Fleischgang lebt von der herausragenden Qualität. Das Lamm vom Hofgut Polting gehört in der Spitzengastronomie seit einiger Zeit zu den beliebtesten Produkten. Hier setzt Christian Bau den Rücken mit ganz feiner, krosser Kruste und die geschmorte Schulter in einen Kontext von japanischer Aubergine, Pimientos und schwarzen Knoblauch. Erneut ist die Sauce, neben dem Fleisch, der eigentliche Star. Ein sehr schöner Hauptgang.
Das erste Dessert, von einem Pré-Dessert zu sprechen, wäre wohl maßlos untertrieben, kommt sehr erfrischend daher, indem es exotische Früchte, Kokos-Eis, Guavensorbet und eine Pandan-Creme kombiniert. So wunderschön es anzusehen ist, so schmeckt es auch.
Als hätte die Küche es geahnt, denn insgeheim habe ich mir genau dieses Dessert für heute gewünscht, gibt es zum Schluss noch einen Klassiker aus der Bau’schen Dessertschmiede, den „Bau.Stein“ mit Tonkabohne und einem unglaublich cremigen Rotwein-Butter-Eis. Die Brombeeren, natur und in Nachbildung als Eis sowie Birne runden einen perfekten Teller ab.
Dass nach all diesen Gängen unser Sättigungsgrad mehr als erreicht ist, versteht sich vermutlich von selbst. Bei den Petits Fours müssen wir auf halber Strecke dann aber doch kapitulieren.
So wie Christian Bau uns erneut ein großartiges Menü serviert hat, das nicht nur in jedem Gang und Detail wunderschön anzuschauen war, sondern auch ebenso perfekt gearbeitet war und größtmöglichen Genuss bot, so hat Nina Mann mit der Weinbegleitung dem nicht nachgestanden. Wir kamen in den Genuss einiger Weine aus dem Jahrgang 1998, die eigentlich ein spezielles Menü begleiteten, um das 20 jährige Bestehen des Restaurants zu feiern. Ansonsten ist natürlich wieder viel regionaler Riesling mit im Spiel sowie ein Sake, was naturgemäß die hochkomplexen Kompositionen und japanischen Aromen hervorragend ergänzt.
Yildiz Bau als charmante Gastgeberin trägt wie immer, ebenso wie das übrige Team, zu einem absoluten Wohlfühlabend bei.
Schwer vorstellbar, dass in Deutschland etwas über Christian Bau geht. Seit Jahren kocht er auf schwindelerregendem Niveau, mit einem ganz eigenen Küchenstil, der hierzulande einmalig ist. Es ist schon verwunderlich, warum dies nicht auch in den einschlägigen, wenn auch manchmal kritisch zu hinterfragenden, Weltbestenlisten viel stärker Beachtung findet.
Es läuft trotzdem gut für Christian Bau. Koch des Jahres, in der „Opinionated about Dining“-Liste zumindest das am besten bewertete deutsche Restaurant in Europa, mit sehr authentischen Auftritten in den TV-Shows „Kitchen Impossible“ und „The Taste“ viel Anerkennung gewonnen und schlussendlich das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen als erster Koch für seine Kochkunst.
Was soll da eigentlich noch kommen?
In der ihm bescheidenen Art hat Christian Bau das Bundesverdienstkreuz nur stellvertretend für seine Branche angenommen. Dass es trotzdem seinen Grund hat, warum er ausgewählt wurde, sollte er nicht gänzlich ignorieren. Dazu gehört zum Beispiel auch, Haltung zu zeigen. Und das hat Bau in diesem Jahr einige Male deutlich demonstriert. Sei es, als er dem Kollegen Thomas Bühner kurz nach der überraschenden Schließung seines Restaurants „La Vie“ deutlich gegen hämische und geschmacklose Kommentare eines TV-bekannten Sternekochs zur Seite sprang oder er in einem viel beachteten Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Missachtung der Spitzengastronomie durch die Politik beklagt. All dies zeigt, dass – man möchte sagen endlich – jemand mit dem nötigen Renommée den Mut hat, sich für die Branche zu positionieren und für ihr Ansehen zu kämpfen. Sein eigenes Statement „…und wenn ich der sein soll oder darf, der als Fahnenträger voranschreitet, so bin ich das gerne…„ zeigt, dass er bereit ist, diese Rolle zu übernehmen. Auch dafür gebührt ihm Respekt.
Ich weiß nicht, was in 2019 für Christian Bau noch kommt. Solange er so weiter kocht wie bisher, macht er mich alleine damit schon glücklich. Und das ist nicht das Einfachste – auch wenn ich eigentlich recht einfach gestrickt bin.
Details
Restaurant: | Victor's FINE DINING by Christian Bau |
Adresse: | Schloßstr. 27-29, 66706 Perl-Nennig |
Öffnungszeiten: | Mittwoch bis Sonntag ab 19.00 Uhr Sonntags auch ab 12.00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.victors-fine-dining.de |
Schlagworte
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