Bianc, Hamburg

Innerhalb relativ kurzer Zeit hat sich Matteo Ferrantino mit seinem „bianc“ in die absolute Spitzengruppe der Hamburger Restaurants gekocht, gekrönt im vergangenen Jahr mit dem zweiten Michelin-Stern, der Aufwertung auf 18 Punkte im Gault Millau und gleichzeitig dort auch mit der Auszeichnung als Aufsteiger des Jahres.

Mit seiner kreativ-mediterranen Küche, mit der er bereits an der Algarve zunächst als Sous-Chef und dann auch als Küchenchef über zehn Jahre an der Seite von Dieter Koschina die legendäre „Villa Joya“ gemeinsam in die Weltspitze gekocht hat, hat er auch das Publikum in der Hansestadt begeistern können.

Während der Lockdown-Zeit hat sich auch Ferrantino mit einem Take Away-Angebot auf die neuen Bedingungen eingestellt. Die Preisgestaltung hierfür wirkte auf mich jedoch nicht zwingend logisch, denn das Gourmet-Menü mit fünf Gängen, Olivenöl, Salz, Focaccia, Amuse Bouche und Petits Fours schlägt mit stolzen 150 Euro pro Person zu Buche, während die reduzierte Version mit drei Gängen und ebenfalls Focaccia, Öl und Salz für schlanke und in dieser Klasse vermutlich unschlagbare 50 Euro zu haben ist.

Ob die zusätzlichen zwei Gänge und Extras den Mehrpreis wert sind, kann ich nicht beurteilen. Aber das ergänzende Angebot eines Frühlingsmenüs mit vier Gängen, Amuse, Brot und Petit Fours für 100 Euro klang nicht nur verlockend, es machte auch einen preislich ausgewogenen und passenden Eindruck.

Schon die Aufmachung der Box ist liebevoll und hochwertig gestaltet. Die Komponenten sind farblich markiert, was sich in der Beschreibung wiederfindet. Bis auf die Jakobsmuscheln, die kurz gebraten werden müssen und das Brot, das im Ofen kurz erwärmt wird, sind entweder alle Zutaten bereits vorgegart und werden im Wasserbad erwärmt oder sind kalt und können direkt angerichtet werden. Der Aufwand ist mehr als überschaubar.

Zum Focaccia gibt es sehr gutes aromatisiertes Fleur de Sel und Ferrantinos Olivenöl in einer geschmackvollen Aludose, von dem wir auch die nächsten Tage noch gut haben werden.

Das Menü selbst startet mit einem Amuse Bouche in Form eines Cornets, das mit einer Brandade, also einem Püree vom Stockfisch, gefüllt wird. Nun kann der getrocknete und eingesalzene Fisch häufig etwas eigenwillig schmecken. Hier ist der Bacalao aber angenehm gewürzt und alles andere als penetrant. Ein halbes Wachtelei komplettiert diesen leckeren Happen. Die restliche Creme vertilgen wir sehr zufrieden zusammen mit dem Brot.

Für den ersten Gang werden Schwänze vom Atlantik Hummer sowie die Kartoffelvinaigrette im Wasserbad erwärmt. Die Kartoffeln hierfür stammen vom französischen Luxusproduzenten Maison Bayard, der in der Picardie diverse, größtenteils auch alte Sorten anbaut. Die Vinaigrette in diesem Gericht ist von samtiger Konsistenz, offensichtlich mit Olivenöl gebunden und hat nahezu den Charakter einer sehr leichten Suppe. In meinem Paket fand sich auch ein Schälchen mit feinst geschnittenem Schnittlauch, der offenbar für eine Champagnersauce im großen Gourmet-Menü vorgesehen war. Wenn auch nicht für dieses Gericht bestimmt, gebe ich davon etwas dazu, was definitiv nicht zum Nachteil ist. Abgerundet wird mit etwas Kaviar und fertig ist ein sehr elegantes und feines Gericht, das merklich von der ausgezeichneten Produktqualität sowohl des Hummers als auch der Kartoffeln lebt. Ein sehr starker Auftakt!

Atlantik Hummer / Bayard Kartoffelvinaigrette / Imperial Kaviar
Atlantik Hummer / Bayard Kartoffelvinaigrette / Imperial Kaviar

Auch die Jakobsmuscheln sind von erstklassiger Qualität. Nach dem Anbraten werden sie mit dem Fleur de Sel gewürzt und kommen mit Spargelsalat, der noch ordentlichen Biss mitbringt in einer sehr aromatischen Vinaigrette mit deutlicher Limetten- und Minznote. Die abgezogenen Kirschtomaten sind würzig eingelegt und überraschend geschmacksintensiv, was zu dieser Jahreszeit alles andere als zu erwarten war. Erneut ein Gang, der mit wenig Zutaten auskommt, aber großen Geschmack bietet.

Jakobsmuschel / Weißer Spargel / Tomate / Limette / Minze
Jakobsmuschel / Weißer Spargel / Tomate / Limette / Minze

Beim Lesen des Menüs war ich etwas überrascht von Kalbsbacke und Bärlauch-Graupenrisotto, weil das nicht zwingend zum mediterranen Konzept passt, das man im „bianc“ erwarten würde. Aber erstens sind Lockdown-Zeiten nun mal keine normalen Zeiten und geschmorte Gerichte sind für Take Away-Menüs halt auch immer eine sichere Bank. Zum anderen schafft es Matteo Ferrantino, diesem Gang mit besten Oliven und Mini-Burrata doch noch eine unerwartete südländische Note zu geben, die auch noch ganz erstaunlich gut passt. Dass das Fleisch perfekt zart ist und das Graupenrisotto von intensivem Bärlauchgeschmack, versteht sich wohl von selbst. Ein zutiefst befriedigender Hauptgang.

Kalbsbacke / Bärlauch Graupenrisotto / Burrata / Olive
Kalbsbacke / Bärlauch Graupenrisotto / Burrata / Olive

Das Dessert ist eigentlich in zwei Teilen vorgesehen, wird von uns aber auf einem Teller angerichtet. Den Cheesecake-Macaron befördern wir noch recht einfach aus der Packung, bei der geschichteten Creme aus weißer Schokolade mit Rhabarber-Gelee und Himbeer-Streusel-Auflage ist das schon schwieriger. Die Plastikschale, in der dieser Teil bereits fertig vorbereitet ist, muss leider unter leichter Gewaltanwendung dran glauben. Zusammen mit der separaten Beerensauce hat sich der Einsatz aber gelohnt und bedient letztlich sowohl den Spaß an Cremigem, Süßem und Fruchtigem.

Cheesecake Macaron / Weiße Schokolade / Rhabarber / Himbeeren
Cheesecake Macaron / Weiße Schokolade / Rhabarber / Himbeeren

Noch mehr Süßes gibt es allerdings auch noch mit den farbenfrohen und köstlichen Pralinen sowie den ummantelten Mandeln. Das setzt den Schlusspunkt unter ein fabelhaftes Menü.

Petit Fours
Petit Fours

Kann man zwei Sterne auf dem Teller in einem Take Away-Menü schmecken? Ich denke schon. Matteo Ferrantino löst das Thema eines Menüs für Zuhause auf sehr geschickte Weise. Die Gerichte sind auf wenige Komponenten beschränkt, die aber ganz klar den „bianc“-Charakter widerspiegeln. Die Gerichte sind leicht, die Zutaten exzellent.

Erneut sind wir wieder erstaunt und begeistert von der Qualität und Kreativität, mit der sich auch Spitzenköche der Herausforderung Take Away stellen. Ferrantino kann sich hier ganz weit vorne einreihen.

Details

Restaurant: Bianc
Adresse: Am Sandtorkai 50, 20457 Hamburg
Öffnungszeiten: Dienstag-Samstag: ab 18:30 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.bianc.de

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Kommentare

  1. Carsten am 1. Juni, 2021 um 8:36 Uhr.

    Ein sehr schönes Menü! Und nun können wir auch bald wieder in HH in Restaurants einkehren!

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