Die Insel, Hannover (geschlossen)

Norbert Schu hat geschafft, was vermutlich nicht vielen Gastronomen gelingt, in Hannover schon mal gar nicht. Er gehört zu der Riege von Köchen, die vor sehr langer Zeit die Landeshauptstadt mit Michelin-Sternen krönten, bevor sie in einen tiefen und bis vor kurzem andauernden sternenlosen Dauerschlaf verfiel.

Doch auch vom Verlust des Sterns hat sich Norbert Schu seinerzeit nicht irritieren lassen, statt dessen eine spannende, wenn auch etwas abgelegene Immobilie am Südufer des Maschsees übernommen und konsequent weiter am Image des Promi-Kochs gearbeitet. Noch heute ziert den Aufgang zum Restaurant in der Belétage des Gebäudes eine illustre Fotogalerie, die Schu mit allerlei Prominenz aus Politik und Kultur zeigt. Mich interessieren mehr die im Eingangsbereich präsentierten Jeroboam- und Imperialflaschen großer Bordeaux, die einen Vorgeschmack auf die opulente Weinkarte mit nahezu 2.000 Positionen geben.

Dass „Die Insel“ auch jenseits dieses Starkults seit Jahrzehnten zur lokalen Spitze zählt, geht dabei fast etwas unter. Aber zumindest im Gault Millau rangiert das Haus regelmäßig um die 17 Punkte. Zeit also, nach langer Zeit mal wieder einen Besuch zum Lunch abzustatten, denn „Die Insel“ gehört erfreulicherweise zu den Häusern, die keinen Ruhetag haben und mittags wie abends geöffnet sind.

Das Interieur
Das Interieur

Das Angebot am Mittag unterscheidet sich deutlich vom Abendprogramm und bewegt sich mehr im anspruchsvollen Bistrostil. Aus verschiedenen Vorspeisen, Suppen, Hauptgängen und Desserts kann man sich sein Menü selbst zusammenstellen (1 Gang 17 € – 2 Gänge 28 € – 3 Gänge 36 € – 4 Gänge 48 €). Dafür wird auf Amuse Bouche und aufwändige Petits Fours verzichtet, nicht aber auf ausgezeichnetes Brot von Jochen Gaues. Wer es opulenter mag, kann aus den Tagesempfehlungen wählen, die neben diversen Gerichten für 2 oder mehr Personen, die klassisch am Tisch tranchiert werden, auch allerlei mit Trüffel enthalten.

Unser Menü startet mit einigen Scheiben vom weißen und Big Eye Thunfisch. Separat die Beilagen wie beim Japaner, Wasabicreme, Sojasauce, eingelegter Ingwer und Sweet Chili Sauce. Dazu noch etwas asiatisch angemachter Gemüsesalat – nicht besonders originell, aber von guter Qualität und als Einstieg angenehm leicht.

Ich starte mit gebeiztem Rinderfilet und lande gleich einen Haupttreffer. Die dünnen Scheiben sind zwischen Rotweinschalotten geschichtet. Tupfen von geräuchertem Frischkäse sorgen für Cremigkeit, ein Schnee von Essig steuert ganz dezente Säure bei. Das ist sehr gut und durchaus auf Sterneniveau.

Gebeiztes Rinderfilet mit geräuchertem Frischkäse und Rotweinschalotte
Gebeiztes Rinderfilet mit geräuchertem Frischkäse und Rotweinschalotte

Weiter geht es mit geschmorten Spanferkelbäckchen, die ungemein zart sind und dazu getrüffelter Schwarzwurzelsalat, dem einige Chips von der Schwarzwurzel zusätzlichen Crunch verleihen.

Geschmorte Spanferkelbäckchen mit getrüffeltem Schwarzwurzelsalat
Geschmorte Spanferkelbäckchen mit getrüffeltem Schwarzwurzelsalat

Auf meinem Teller finden sich zwei schön gebratene Wachtel-Suprêmes mit Wachtelei, dazu knackige Bohnenstreifen als Salat und eine mit Trüffel abgeschmeckte Jus. Wieder habe ich den Eindruck, dass ich um eine gute Kopflänge vorne liege.

Gebratene Wachtel mit breiten Bohnen und Trüffelcrème
Gebratene Wachtel mit breiten Bohnen und Trüffelcrème

Im Hauptgang wählen wir beide Fisch, mein Gemahl den seit Urzeiten auf der Karte stehenden „J.P.’s Fischteller mit Ratatouile und Zitronengras-Curry-Sauce“ und ich den Rücken vom Angel-Kabeljau mit Blattspinat und Stampfkartoffeln. Dazu gibt es dreierlei Senfcreme, aber ich vermute, dass es eher eine Creme aus dreierlei Senf ist, denn irgendwelche Unterscheidungen kann ich auf dem Teller nicht ausmachen.
Beide Gänge sind akkurat zubereitet und bieten exakt das, was die Karte verspricht. Wir sind zufrieden.

J.P.'s Fischteller mit provencalischer Ratatouille und Zitronengras-Curry-Soße
J.P.'s Fischteller mit provencalischer Ratatouille und Zitronengras-Curry-Soße
Rücken vom Angel-Kabeljau mit dreierlei Senfcrème, Blattspinat und Stampfkartoffeln
Rücken vom Angel-Kabeljau mit dreierlei Senfcrème, Blattspinat und Stampfkartoffeln

Mittags gibt es nur zwei Desserts und eine Käseauswahl. Also findet sich auf der einen Seite eine Crème Brûlée von der Passionsfrucht mit Schokoladensorbet und exotischen Früchten und bei mir die Pavlova mit Zitrusfrüchten, Buttermilchcreme und Polentarahmeis. Das ist beides erneut sehr gefällig und gut gemacht.

Die Speisekarte listet eine kleinere Auswahl etwas preisgünstigerer Weine, darunter auch etliche des elterlichen Moselweinguts. Spannender, wenn auch preislich durchaus ambitionierter ist ein Blick in die üppige Weinkarte, aus der wir einen schönen, etwas kräftigeren Chardonnay vom Badener Weingut Achim Jähnisch finden, der uns mit 42 Euro zumindest nicht ruiniert und die einzelnen Gänge gut begleitet.

So geht ein entspannter Mittag zuende mit gutem, teilweise sehr gutem Essen und einem freundlichen, aufmerksamen Service. Die schöne Aussicht über den See gibt’s obendrein dazu. Uns ist bewusst, dass es abends hier sowohl vom Anspruch der Gerichte als auch von der Preisgestaltung her anders zugeht. Hätte „Die Insel“ ein Zweitrestaurant, wäre dies wohl auch abends dort das perfekte Programm. So aber ist es ein sehr gutes Mittagessen in einem der besten Restaurants in Hannover, klassisch fundiert, mit sehr guten Zutaten und zu sehr fairem Kurs. Anstelle des Besuchs im nebenan gelegenen Edel-Fitnessclub bevorzugen wir den Fußweg entlang des Maschsees Richtung Innenstadt. Den gibt’s gratis.

Details

Restaurant: Die Insel
Adresse: Rudolf-von-Bennigsen Ufer 81, 30519 Hannover
Öffnungszeiten: Täglich:
11.30 Uhr bis 14.00 Uhr Küche
18.30 Uhr bis 21.30 Uhr Küche
Sonntag:
15.00 Uhr bis 17.00 Uhr Kaffee und Kuchen
Website: www.dieinsel.com/

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