Steinheuers Restaurant, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Lang ist’s her, dass wir zuletzt hier waren. Sehr lang sogar. Nach meiner Erinnerung und Recherche müssten es neun Jahre gewesen sein und der Besuch davor sicher noch mal ein paar Jahre mehr. Ob es nur an der Zeit liegt, dass ich keine besonderen Einzelheiten mehr erinnere, vermag ich nicht mehr zu sagen.

Viel ist seitdem passiert und das Hochwasserunglück an der Ahr ist mit Sicherheit das Sichtbarste, das noch überall, auch in Heppingen seine Spuren hinterlassen hat.

Das Restaurant der Steinheuers scheint hingegen Glück gehabt zu haben und strahlt weiterhin die gediegene Eleganz aus, die ich noch vage erinnere. Auch die Bewertungen sind konstant hoch und mit zwei Michelinsternen und 18 Gault Millau-Punkten zählt man immer noch zur bundesdeutschen Spitze. Da in der Küche mittlerweile Schwiegersohn Christian Binder das Zepter von Hans Stefan Steinheuer übernommen hat, ist auch hier der Generationenwechsel mittlerweile vollzogen, auch wenn am Ende des Abends beide Herren ihre Honneurs machen und nicht wirklich klar ist, wer hier welchen Anteil an der Küchenleistung hat.

Die Karte weist zwei Menüs zu je fünf Gängen aus, betitelt als „Wurzeln“ und „Blüten“. So ganz erschließen sich diese Bezeichnungen nicht, denn beide weisen Fisch- und Fleischgerichte auf, aber möglicherweise sollen die Zutaten im „Blüten“-Menü etwas leichtere Gerichte suggerieren. Die Preise liegen bei 210€ für vier Gänge, 235€ für fünf und 260€ für sechs Gänge. Erfreulich ist, dass Gänge nach Belieben zwischen den Menüs getauscht und ergänzt werden können.

Den Auftakt machen drei Apéros, von denen mir der Petersilien-Baiser mit Petersilienwurzel und Pomelo mit seinem kräutrig-frischen Charakter am besten gefällt. Der Tapiokachip mit Garnele ist nett, aber nicht prägnant.

Die Tartelette mit Rindertatar, Ochsenmark, Röstzwiebeln und Wachtelei verspricht mit seinen vielfältigen Zutaten eigentlich großen Genuss, ist für meinen Geschmack allerdings ziemlich neutral, recht weich und vor allem, und das ist der größte Makel, eindeutig zu warm.

Für das Amuse Bouche wird es mit Saibling, Blumenkohl-Panna Cotta, Kapern, Perlen von Frisch- oder Hüttenkäse deutlich komplexer. Der Fisch blättert fein auf und der Sud weist ein ausgeglichenes Verhältnis von Säure und Fülligkeit auf. Gut, wenngleich noch nicht überragend.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Für meinen Mann startet das Menü mit Scheiben vom Bluefin-Thunfisch, die mit Sesam ummantelt sind und damit einen angenehm knusprigen und gleichzeitig nussigen Rand aufweisen. Avocadocreme und marinierte Gemüse fügen sich mit Frische und Cremigkeit gut ein. Der würzige Chili-Reis-Sud weist erneut eine ausgewogene Säure auf und unterstreicht den asiatischen Charakter des Gerichtes sehr stimmig.

Bluefin-Thunfisch mit Wasabimousse, Avocado, eingelegten Gemüsen und Chili-Reis-Sud
Bluefin-Thunfisch mit Wasabimousse, Avocado, eingelegten Gemüsen und Chili-Reis-Sud

Ich starte mit der Gänseleber-Variation in Form eines perfekt gebratenen Stücks, einer Terrine, einer flüssig gefüllten Kugel und einer mit Trüffel gefüllten Rolle. Der Sud von Ratafia, den es auch als begleitendes Getränk gibt, ist mit seiner markanten Süße ebenso klassisch wie das ganze Arrangement. Handwerklich ist das alles makellos und für Gänseleber-Liebhaber wie mich auch ausgesprochen köstlich. Dass der Sellerie, offenbar gedacht als frischer Kontrapunkt, seine Wirkung kaum entfalten kann, geschenkt. Trotzdem mutet dieser Teller ein wenig wie aus der Zeit gefallen an. Dass Gänseleber klassisch, aber trotzdem zeitgemäß inszeniert werden kann, erlebt man sehr schön im „Bareiss“. Aber ich will nicht meckern. Das war dennoch sehr gut.

Gänseleber mit Trüffel, Sellerie und Ratafia de Champagne
Gänseleber mit Trüffel, Sellerie und Ratafia de Champagne

Die folgenden Jakobsmuscheln sind top gebraten mit guten Röstaromen und innen noch schön glasig. Gebettet sind sie auf feinst gewürfeltem Kohlrabi, so dass sich eine Textur wie Risotto ergibt. Das Gemüse findet sich auch gestiftelt auf den Muscheln. Dazu gibt es eine nicht zu konzentrierte, aber dennoch prägnante Hummersauce. Ein eher leiser, eleganter, aber überzeugender Gang.

Jakobsmuschel mit Kohlrabi, Kerbel und Hummerschaum
Jakobsmuschel mit Kohlrabi, Kerbel und Hummerschaum

Im „Blüten“-Menü meines Mannes geht es weiter mit einem vegetarischen Gang. Die Spitzkohlröllchen mit Mandeln und Zwiebeln sind scharf angebraten und bekommen eine leicht gebundene Spitzkohlsauce. Abgesehen davon, dass mir der Gang zu lauwarm wirkt, habe ich den Eindruck, dass das relativ schnell ziemlich eindimensional wird. Wir sind zu dritt am Tisch und auch unsere Begleitung, die den Gang ebenfalls auf dem Teller hat, hat sich da deutlich mehr versprochen.

Spitzkohl mit Mandeln und Zwiebeln
Spitzkohl mit Mandeln und Zwiebeln

Rochen ist ein Fisch, den man leider nicht allzu häufig auf hiesigen Speisekarten findet. Gerade erst jüngst im „Ludwig’s“ in Bonn in asiatischem Kontext und mit schönen Röstaromen gebraten genossen, setzt ihn Christian Binder sehr klassisch in Szene. Gedämpft und mit Kapern in einer Sauce, die zwar an eine Beurre Blanc erinnert, aber in erster Linie auf Kapernwasser basiert. Das relativ große Stück Lauch bringt für mich keinen nennenswerten Mehrwert. Das ist gut zubereitet, aber ohne große Überraschungen.

Rochen mit Kapern, Zitrone und Lauch
Rochen mit Kapern, Zitrone und Lauch

Auf den folgenden Gang, den ich mir aus dem „Blüten“-Menü zusätzlich gewählt habe, freue ich mich am meisten. Die Kombination mit roter Garnele, Pulpo und Paella-Sud verspricht intensiven mediterranen Genuss. Einlösen kann das am ehesten die Rotbarbe, die mit frittierten Schuppen schön kross zubereitet wurde. Garnele kann ich überhaupt nicht ausmachen und die Stücke vom Pulpo sind für meinen Geschmack zu trocken geraten. Dafür kann der kräftige Paella-Sud wieder überzeugen. In Summe trotz der Einschränkungen ein schöner Gang.

Rotbarbe mit roter Garnele, Pulpo und Paella-Sud
Rotbarbe mit roter Garnele, Pulpo und Paella-Sud

Beim Hauptgang trennen sich bei meinem Mann und mir wieder die Wege. In seinem Menü gibt es sehr knusprig gebratene Bresse Poularde, die zugleich sehr saftig ist. Schwarzwurzeln, Rosenkohl und Knollenziest sind jahreszeitlich passende Mitspieler und auch die sehr kräftige Madeira-Trüffeljus fügt sich hier fabelhaft ein. Zudem zeugt sie von ausgezeichnetem Saucen-Handwerk.

Bresse Poularde mit Schwarzwurzel, Rosenkohl und Madeira-Trüffeljus
Bresse Poularde mit Schwarzwurzel, Rosenkohl und Madeira-Trüffeljus

Für mich folgen Lammrücken und Lammbauch, beides gut gebraten und der Bauch mit knuspriger Haut, die mit Bohnenkernen, Artischocke und Mönchsbart stimmig begleitet sind. Auch die Jus ist gut gemacht. Wie bei der Poularde ein grundsolider, sehr klassischer Gang.

Lammrücken und Lammbauch mit Poweraden, Bohnenkernen und Senf
Lammrücken und Lammbauch mit Poweraden, Bohnenkernen und Senf

Das „Blüten“-Menü schließt mit Käse vom großartig bestückten Wagen. Mehr als 30 Sorten von den Affineur-Großmeistern Antony und Waltmann lassen für Käseliebhaber kaum Wünsche offen.

Käsewagen
Käsewagen

Mein Dessert rund um Mandarine und Pekannuss als Eis, Mousse und gefüllte Kugel weiß mit Abwechslungsreichtum und gutem Handwerk zu überzeugen. Außerdem bin ich froh, dass es sich um einen recht leichten, erfrischenden Gang handelt, der nicht, wie es durchaus häufig passiert, zum Schluss noch mal doppelt sättigt.

Mandarine mit Pekannuss und Whiskey
Mandarine mit Pekannuss und Whiskey

Die Petits Fours spielen noch einmal mit asiatischen Aromen, fügen sich aber ebenso ins klassische Repertoire ein und sind überwiegend gut gearbeitet. Lediglich der Matcha-Macaron ist viel zu trocken geraten und lässt jegliche Saftigkeit vermissen.

Petits Fours
Petits Fours

Man kann es sich denken – dieses Menü war nur bedingt überzeugend. Christian Binder führt die klassische Linie von Hans Stefan Steinheuer weiter. Seine Gerichte sind sorgfältig zubereitet, vermeiden aber Ecken und Kanten. Das muss kein Makel sein, aber den ein oder anderen Überraschungseffekt würde ich mir schon wünschen. So bleibt schon nach kurzer Zeit wenig in Erinnerung.

Unsere Tischrunde hatte dennoch einen erfreulichen Abend. Das lag zum einen an der imposanten Weinkarte, die uns einige schöne Flaschen bot, mit denen wir unsere Menüs begleiteten. Aber natürlich hatte auch der Service hier einen großen Anteil. Neben Désirée und Gabriele Steinheuer, die sehr präsent sind, hat uns an diesem Abend ein junger Kollege, der auch die Weinberatung sehr kompetent übernommen hat, ausgezeichnet durch den Abend geführt.

Natürlich hat man gewisse Erwartungen, wenn man ein Restaurant mit diesem großen Ruf und seinen Auszeichnungen besucht. Auch angesichts des sehr ambitionierten Menüpreises muss ich konstatieren, dass diese Erwartungen nicht erfüllt wurden. Bei vielen Gerichten konnte ich das Zweisterne-Niveau nicht erkennen. Es wird also interessant sein zu beobachten, wie sich Christian Binders Küchenstil weiter entwickeln wird und ob er es versteht, eine eigene klare Charakteristik zu entwickeln, die die Bewertungen auch dauerhaft rechtfertigt.

P.S. Freundlicher Hinweis: Natürlich macht man sich im Internet vorab kundig, bevor man ein Restaurant besucht und in der Beziehung ist die Homepage auf dem aktuellen Stand. Vor Ort würde ich dennoch im Schaufenster die Menükarte austauschen, wenn dort noch ein Menü ausgewiesen wird, dessen Preis gut 40 Euro niedriger ist als der aktuelle.

Details

Restaurant: Steinheuers Restaurant
Adresse: Landskroner Straße 110, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
Öffnungszeiten: Donnerstag - Samstag: 18.30 - 21.30 Uhr
Sonntag: 12.00 - 13.30 Uhr und 18.30 - 21.30 Uhr
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.steinheuers.de/

Schlagworte

, , , , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. Carsten am 11. April, 2024 um 20:15 Uhr.

    Lieber Thomas, deinem Fazit schließe ich mich vorbehaltlos an. Und auch deinem Lob für den Service. Der Käse Wagens bringt mich immer noch zum schwelgen und mit euch beiden einen Abend zu verbringen, ist
    ist immer ein Genuss.

  2. Thomas Pfüller am 15. April, 2024 um 15:27 Uhr.

    Die Bemerkung, dass oftmals Desserts zu sättigend sind nach all dem Vorausgegangenen steht bisschen im Gegensatz zum (freiwilligen) Griff nach dem dicksten Petit four – dem Macaron.
    Doch ich schreibe aus anderem Grund: Die Könnerschaft der Herren Steinheuer und Binder steht außer Frage (siehe Gänseleber, Thunfisch), es irritiert mich jedoch, dass mir beim Anblick der Teller mit Lamm, Perlhuhn, spanische Fisch-Kombi, Rochen und besonders der drei uniformen Kohlröllchen auf viel Kohlsauce nicht das Wasser im Munde zusammenläuft. Unzeitgemäß bieder – Rosenkohl/Schwarzwurzel oder gar die Lauchstange! Warum muss ich an Haeberlin denken? Die Zeit kennt kein Erbarmen.
    PS: Trotz aller Großartigkeit: Macht es wirklich Sinn, nach all den Gängen einschl. dreier Apéros noch über dreißig Käsesorten bereitzuhalten?

Dein Kommentar