Döllerers Genießerrestaurant, Golling
Am 19. Mai 2018 in Österreich | 5265 Aufrufe | 2 Kommentare
Wenn wir in Österreich sind, und das sind wir eigentlich ziemlich regelmäßig, ist ein Aufenthalt in Golling mittlerweile ziemlich fest gesetzt. Nicht unbedingt, weil der Ort so besonders reizvoll ist. Im Gegenteil – viel zu viel Verkehr lässt die kleine Ortschaft erkennbar aufstöhnen. Die Landschaft hingegen hat schon ihre dramatischen Momente mit beeindruckenden Bergen, Seen und Wasserfällen. Die Nähe zu Salzburg ist ebenso reizvoll und dann gibt es ja auch noch Döllerers Genießerhotel, das sich zu einem Gesamtpaket entwickelt hat, das Feinschmecker von nah und fern anzieht. Mittlerweile vereint es neben einer Metzgerei (in der man sich morgens zum Frühstück nach Herzenslust aussucht, worauf man Lust hat) und einem Weinhandel auch eine Enoteca, ein Wirtshaus mit anspruchsvoller, moderat modernisierter bürgerlicher Küche sowie das Feinschmecker-Restaurant, das mittlerweile zu den besten des Landes gezählt wird.
Andreas Döllerers „Cuisine Alpine“ ist ein Bekenntnis zur Heimat. Exotische Zutaten findet man hier vergeblich. Bereits die Apéros werden rund um einen extra auf dem Tisch platzierten Kiefernstrauch effektvoll mit Moos, Steinen und Zweigen in Szene gesetzt.
Besonders in Erinnerung bleiben Saibling in Lardo, der auf einem heißen Stein gart, ein mit Pulled Pork gefülltes Sauerampferblatt, ein Holzkohlekissen mit Pilzfüllung und ein geröstetes Brot mit Forellentartar. Alles zusammen lässt Assoziationen an einen Spaziergang durch die Gegend aufkommen.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Menüs hier als Wanderung angelegt sind. Unsere beginnt mit dem marinierten Bluntausaibling, einer der Lieblingszutaten von Andreas Döllerer. Hier gibt er ihm mit einer Flusskrebsdashi eine schöne Tiefe. Einige eingelegte Wipferl setzen herbe Akzente. Eine schöne Version von „Asien trifft Salzburger Land“.
Der zweite Gang ist schlicht „Salat“ betitelt und es kommt: ein ganzer Romanasalat – nur begleitet von einer Kaperncreme und einem Pulver aus getrockneten Mairitterlingen. So ein Teller lässt einen, auch mich, erst mal staunen. Der erste Gedanke ist: „Der Mann traut sich was.“ Der zweite: „Ein bisschen arg viel Purismus“. Und dann schneide ich den Salat an und bin verblüfft. Der Salat ist gefüllt mit einer Creme von Mairitterlingen. Je nachdem, an welcher Stelle man schneidet, ergeben sich auch andere Geschmacksnuancen, weil hier offenbar auch noch mit anderen Dressings und Cremes gearbeitet wurde. Das ist überraschend und hoch originell. Lediglich mengenmäßig ist mir der Salat als einzelner Gang etwas zu groß dimensioniert.
Auf der Wanderung durch das Menü wird jetzt ein Roggenbrot serviert mit Pellkartoffeln und fabelhaftem Hirschschinken sowie Butter von Jersey-Kühen aus dem benachbarten Ort Kuchl.
Bei unserem letzten Besuch wurde das noch als eigener Gang im Menü aufgeführt. Das ist diesmal nicht der Fall, aber seinen angemessenen Auftritt bekommt das ausgezeichnete Brot, das man von einem Bäcker der Region bezieht, trotzdem. Und dankbar nehmen wir das Angebot an, den restlichen Laib mit nach Hause zu nehmen.
Erneut sehr eigenständig bereits in der Präsentation wird es mit Bauch vom Tauernlamm, das sich unter einem Bett von Kräutern und Mönchsbart befindet und von einem großen Klecks Joghurtschaum von den bereits erwähnten Jersey-Kühen begleitet ist. Das Lamm ist super zart, angenehm fettig und intensiv und wird von der säuerlichen Note des Joghurts schön kontrastiert.
Als Extragang schickt die Küche weißen und grünen Spargel mit Kaviar von Walter Grüll und einer abgeflämmten Kartoffel. Besonderer Clou ist allerdings das butterweiche Ochsenmark, das dem Gericht eine gehaltvolle Cremigkeit beisteuert. Angegossene Spargelsuppe und etwas Bärlauch runden dieses schöne Gericht ab.
Die geflämmte Forelle, erneut aus dem Bluntautal, ist von ausgezeichneter Qualität und darf für sich glänzen, weil kaum Mitspieler hiervon ablenken. Fermentierter Rotkohlsaft und Sauerklee sorgen dafür, dass der Gesamteindruck schon recht sauer ist, aber vor allem durch das kontrastierende Nussbutterpüree, eben noch stimmig. Auch dieses ist ein Gang, ähnlich wie der Salat, den ich durch das Ausloten von Extremen und die unerwartete Reduziertheit, bemerkenswert mutig finde.
Der Trend zur alten Kuh ist natürlich auch in Österreich angekommen und so gibt es im Hauptgang die Backe von einem 9 Jahre alten Simmentaler Ochsen aus Oberösterreich. Das Fleisch ist super zart und weich, die Tropea-Zwiebel eine schöne Beilage und die Jus mit schöner Tiefe, auch wenn Schokolade und Chili nicht sehr präsent sind. Den Sinn der dünnen Scheibe des roh marinierten Delmonicosteaks, einem speziellen Rib Eye-Schnitt aus der Hochrippe auf der Backe kann ich nicht recht erkennen, weil sich der Geschmack kaum entwickeln kann in diesem intensiven Kontext. Es stört aber auch nicht und alles andere ist sehr überzeugend.
Den Abschluss des Menüs markiert ein Haselnusseis, das durch eine ungewohnte Konsistenz irgendwo zwischen Mousse und Eis, überrascht. Die Karamellblätter empfinde ich am Gaumen als etwas arg süß. Der Joghurtschaum wirkt dafür erfreulich erfrischend als Gegenpol. Insgesamt ein guter Abschluss.
Auch die Petits Fours zum Kaffee fallen nicht ab und markieren das hohe Niveau der Küche.
Das war eine sehr abwechslungsreiche Wanderung durch die Geschmackswelt und Heimat von Andreas Döllerer. Regionalität ist allerorten ein beherrschendes Thema. Dennoch habe ich das Gefühl, das sie selten so konsequent praktiziert wird wie hier.
Wir trafen die Döllerers im vergangenen Jahr zufällig in einem der besten deutschen Restaurants. Christel Döllerer erzählt uns, dass ihr bei aller bewundernswerten Kochkunst aufgefallen ist, dass sie bei Kollegen in Deutschland nahezu überall die gleichen Zutaten serviert bekamen. Und das hat mir dann doch eine Weile zu denken gegeben. In der Tat haben wir in diesem Jahr bei unseren sechs Besuchen in Österreich weder Gelbschwanzmakrele noch Hummer oder ähnliches serviert bekommen. In allen Restaurants war eine ganz klar lokale Ausrichtung zu spüren mit Zutaten, die ganz selbstverständlich zu der Region zu gehören schienen. All das macht, wenn man so will, den Charakter einer österreichischen Küche für mich aus. Und ich habe mich gefragt, ob ich ähnliches tatsächlich auch von deutschen Spitzenrestaurants sagen könnte, die sich doch häufig viel internationaler geben.
Andreas Döllerer hingegen hat uns erneut das Salzburger Land auf die Teller gebracht. Zugegeben in einer sehr modernisierten Form und, verglichen mit den vorherigen Menüs, an manchen Stellen erstaunlich radikal und reduziert. Und das hat mir ausgesprochen gut gefallen.
Details
Restaurant: | Döllerers Genießerrestaurant |
Adresse: | Markt 56, A-5440 Golling |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Freitag 18.00 - 21.30 Uhr Samstag 12.00 - 21.30 Uhr Sonntag und Montag: Ruhetag |
Website: | www.doellerer.at |
Schlagworte
Andreas Döllerer, Falstaff, Fine Dining, Gault Millau, Gourmet, Jeunes Restaurateurs, kreativ, Österreich, regional, Salzburger Land
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Hallo Thomas,
da google ich nach einem Rezept mit Fingerlimette, denn unsere erste eigene Fingerlimette konnten wir jetzt ernten, und worauf stoße ich: TISCHNOTIZEN!
Die Fingerlimette wird heute in irgendeiner Form den Ikarimilachs begleiten!
Herzliche Grüße,
Petra
Die Tischnotizen sind überall…;-) Ich bin sicher, dass der Ikarimi-Lachs mit der Fingerlimette besonders lecker wird!