
Handwerk, Hannover
Am 7. November 2021 in Deutschland | 3568 Aufrufe | 3 Kommentare
Seit gut fünf Jahren gibt es mittlerweile das „Handwerk“ in Hannovers Südstadt und es hat sich nicht nur in der Stadt, sondern auch in unserer persönlichen Lieblingsliste, von Anfang an einen Stammplatz gesichert. Und das liegt nicht nur an dem Umstand, dass es auch weiterhin eigentlich die einzige Adresse für ein ausgiebiges Dinner am Sonntagabend ist.
Über die Zeit waren wir nicht nur regelmäßig in dem gemütlichen Restaurant mit offener Küche, sondern haben auch immer mal wieder die lohnenswerten Take Away-Menüs während der beiden Lockdowns zu Hause genossen.
Heute sind wir hier, um meinem Mann ein angemessenes Geburtstagsmenü zu gönnen.
Das Menü gibt es in fünf oder sechs Gängen (89/99 Euro), heute auch mit einem Upgradegang.
Von den drei ersten Grüßen zum Apéritif gefällt mir neben einem Rote Bete-Baiser mit Olivenölmayo und Tomatencreme sowie einer Tartelette mit Rindertatar und Eigelb vor allem die flüssig gefüllte Kürbiskernpraline.
Als Amuse Bouche schickt Thomas Wohlfeld auf Salz gebratenen Fenchel mit Stücken von Sardelle, einer Sardellencreme und Mandeln, die mit ihrer deutlichen Röstnote nicht nur in der Nase, sondern auch im Mund einen prägnanten Nachhall hinterlassen, der von dem cremigen Element gut ergänzt wird.

Zum selbst gebackenen Brot gibt es wie immer aufgeschlagene Butter, diesmal mit einem Rotkohlstaub.

Bereits die Vorspeise steht exemplarisch für Wohlfelds Stil, der in seiner optisch reduzierten und kompakten Art immer ein wenig von fast schon provokantem Unterstatement hat. Mit einer Jakobsmuschel unter eingelegten Kohlrabischeiben und einer Creme von Kohlrabi mit Dillöl ergibt sich ein süffiges Geschmacksbild, das mit etwas geröstetem Getreide zudem noch ein fein eingesetztes Knusperelement erhält.

Die folgende Bachforelle ist leicht abgeflämmt und von sehr schöner Qualität. Begleitet wird sie von Mizuna, japanischem Senfkohl, als Creme und einem Sud mit Kapernwasser, was einen säuerlichen Ton gibt, der aber gut durch die Creme aufgefangen wird.

Auch der nächste Gang kommt mit drei Hauptzutaten aus. Blumenkohl, angeröstet und als Schaum, in Öl konfiertes Eigelb, das wunderbar flüssig ist sowie Kaviar, der feine Salzigkeit beisteuert, sind eine Killer-Kombi, der sich wohl niemand entziehen kann. Erst recht nicht, wenn mit geröstetem Panko am Boden auch noch eine zusätzliche Textur im Spiel ist. Das ist handwerklich top gemacht und Löffel für Löffel unkompliziertes Vergnügen.

Als Extragang gibt es ein stattliches Langustenexemplar mit einer Liebstöckelcreme und mit Liebstöckel gewürzte Tempuraperlen. Die Yuzu-Beurre Blanc bringt eine deutliche Zitrusnote ins Spiel. Ein nicht nur optisch schönes Gericht.

Mit einer ungewöhnlichen Kombination geht es weiter. Zarte, aber dennoch feste Schweinebacke kommt gemeinsam mit Räucheraal in einem Rauchaalfond und Brunnenkresseöl sowie einem Chip, der in Gemüseasche gewälzt ist. Das Raucharoma ist sehr präsent, alles geht gut auf die Zwölf. Ein mutiger Gang, aber der Mut wird belohnt, denn was vermeintlich schwer zusammenpasst, geht überraschend gut auf.

Zur Tradition im „Handwerk“ gehört immer eine Erfrischung vor dem Hauptgang in Form eines geeisten Lollys, diesmal Grapefruit, mit einem Shiso-Espuma.

Recht klassisch wird es mit einem perfekt gebratenen Stück Rehrücken aus Göttingen. Begleitet von Moosbeeren, einmal kalt gerührt und einmal als Hollandaise, was eine angenehm säuerliche Note beisteuert und sautierten Rosenkohlblättern sowie einer guten Jus ist dies ein schöner herbstlicher, gut gemachter Gang.

Einen passenden Übergang vom herzhaften zum süßen Teil des Menüs schafft das Pré-Dessert mit einem Sauerrahmeis, getrockneter Olive und einem sehr intensiven Petersilienöl. Das Verhältnis von herber Note und dezenter Süße ist sehr ausgewogen. Einfach lecker.

Für das eigentliche Dessert muss man zunächst einen baiserartigen Chip aus Topinambur zerstören, um an die weiteren Komponenten zu kommen. Und auch hier versteht es Thomas Wohlfeld, mit wenigen Zutaten in verschiedenen Zubereitungen ein komplexes Gericht zu gestalten. Schokolade als Sorbet und als Crumble sowie Quitte als Kompott und Espuma bringen ein schönes Texturspiel und bilden in Summe ein sehr stimmiges Geschmackbild. Vielschichtig und erneut sehr schön zur Jahreszeit passend.
Ein Macaron mit Schokoladenganache und eine Praline mit Walnuss-Nougat, beide ausgezeichnet gemacht, schließen das Menü ab.

Beschränkte sich Thomas Wohlfeld immer schon auf wenige Komponenten in seinen Gerichten, hat sich daran zwar im Kern nichts geändert und doch erscheint mir vieles noch komplexer und von größerer Tiefe geprägt. Gleichwohl bleibt seine Küche immer leicht zugänglich und süffig. Mit Gängen wie der Schweinebacke mit Aal traut sich Wohlfeld auch an etwas unkonventionellere Kombinationen, die im Zweifel auch mal polarisieren können. Für mich darf er sich gerne auch in Zukunft so etwas trauen.
Der Service, der von Ann-Kristin Wohlfeld gewohnt charmant geleitet wird, trägt wie immer auch dazu bei, dass wir uns wohlfühlen. Uns gefällt die Atmosphäre und die persönliche Stimmung, meistens sogar die Musikuntermalung.
Vor allem aber das, was auf dem Teller passiert. Und das ist von so durchgehend überzeugendem Niveau, dass die Frage bleibt, wann es hier endlich den längst verdienten Stern gibt?
Details
Restaurant: | Handwerk |
Adresse: | Altenbekener Damm 17, 30173 Hannover |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Sonntag: ab 18.00 Uhr |
Website: | www.handwerk-hannover.com/ |
Schlagworte
Handwerk, Hannover, kreativ, neue deutsche Küche, regional, Thomas Wohlfeld
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Manches wieder erkannt, aber alles genauso empfunden. Vielleicht gibt es ja bald eine befriedigende Antwort auf die immer drängendere Frage.
Danke für den Beitrag! Wir fragen uns auch schon länger, wann es den Stern gibt. Verdient ist er längst!
Verdient hätte es das Team des Handwerk auf jeden Fall! Ich drücke die Daumen! und beim nächsten Mal möchte Carsten dabei sein! 🙂