intense, Wachenheim

Als wir 2019 das „Intense“ in Kallstadt besuchten, ging bereits das Gerücht um, dass man nach Wachenheim umziehen wolle und dort Besonderes plane. Die ersten Andeutungen und später auch Pläne ließen erahnen, an welchen Vorbildern man sich orientierte. Mehr als zwei Jahre sind dann doch ins Land gegangen, bis Benjamin Peifer und seine Frau Bettina das nach ihren Vorstellungen umgebaute Restaurant eröffnen konnten.

Ein Besuch dort beginnt in der „Guud Stubb“, einer Art Lounge mit kleiner Anrichteküche. Dort nimmt man seinen Apéritif und die ersten Grüße werden serviert.

 

Interieur "Guud Stubb"
Interieur "Guud Stubb"

Die sind zum Teil noch aus dem alten „Intense“ bekannt, wie der „Gequellde mit weißem Kees“, bei dem mir diesmal die Estragonnote deutlicher auffällt, wie überhaupt die Kräuter diesmal wesentlich präsenter sind.

Wunderbar gelingt auch die Kirsche mit Leber, Hühnerchip und Haselnuss. Das ist vollmundig, harmonisch und ausgesprochen lecker.

Rustikaler und mit einem deutlichem Augenzwinkern kommt das „Kesselfläsch“ in Form eines Schweineköpfchens mit Kraut und einem Brotchip daher.

Zu den Klassikern gehört auch die Dampfnudel mit Weinsauce, bei der mir die Sauce einen Tick runder vorkommt, als ich sie in Erinnerung hatte.

Danach geht es weiter in einen Zwischenraum mit Reifeschränken. Bei einem Snack mit Gelee aus Kartoffeln und Kaviar werden einige der Zutaten vorgestellt, die sich im heutigen Menü wiederfinden. Dass Warenkörbe vorgestellt werden, ist ja mittlerweile weiter verbreitet, aber hier ist das in ein sehr stimmiges Ambiente gebettet, das ganz Pfälzer Tradition und gleichzeitig Moderne atmet.

Erst jetzt geht es in den eigentlichen Restaurantbereich. Der ist dominiert von der großzügig angelegten offenen Küche, um die der Tresen gestaltet ist, an dem wir auf bequemen Drehsesseln Platz nehmen. Es gibt aber auch einige Tische und eine Nische, für etwas größere Gruppen. Ein charmanter Pop- und Soul-Musikmix beschallt den Raum in einer Lautstärke, die durchaus präsent, aber auch nicht zu dominant ist. Es fühlt sich sehr kosmopolitisch und gemütlich an.

Im ersten Gang des Menüs gibt es Lachsforelle auf zweierlei Art. In der ersten Schale gibt es sie als Tatar mit eingelegter Mirabelle, Yuzu Kosho und gerösteter Mandel. Die frische, aber charaktervolle Vinaigrette umspielt den Fisch gekonnt. Besonders gut gefällt mir der tolle Twist, den die Mandel beisteuert.

Das Sashimi im zweiten Teil ist insgesamt cremiger angelegt mit Petersilienöl und -creme. Die Qualität der Forelle ist ausgezeichnet und steht eindeutig im Vordergrund. Eine schöne Variation.

Nach diesem frischen Auftakt wird es mit dem marinierten Stör reichhaltiger. Die karamellisierten Schwarzwurzeln, Lauchstroh und eine mit dem Inneren des verbrannten Lauchs aufgemixte Beurre Blanc, angereichert mit Öl von der verbrannten Schale, lassen dies sehr füllig werden. Da setzt der Kaviar einen kühlen, jodigen Kontrapunkt, fügt sich aber stimmig in das Aromensprektrum. Das ist ausgesprochen köstlich.

Stör in Shio Koji mariniert, Lauchbutter und Imperialkaviar
Stör in Shio Koji mariniert, Lauchbutter und Imperialkaviar

Das nächste Gericht kommt quasi als Wundertüte, denn was sich im gedämpften und geschmorten Spitzkohlmantel verbirgt, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Es ist ein wunderbar weiches Fischklößchen aus Hecht, Barsch und Zander, gefüllt mit Chiliöl und -essig, was einen zusätzlichen Kick gibt zu der ohnehin schon mit guter Schärfe ausgestatteten Sauce. Hier verbindet sich auf tolle Weise klassisches, nahezu altmodisches Handwerk mit einer sehr fokussierten Präsentation und leicht exotischem Geschmack.

 

Gedämpfte Hechtklösschen, XOXO, Spitzkohl und Ra-Yu
Gedämpfte Hechtklösschen, XOXO, Spitzkohl und Ra-Yu

Benjamin Peifer ist gelernter Bäcker. Dass hier im Menü also auch Brot seinen angemessenen Auftritt bekommt, ist daher nur folgerichtig. Das Sauerteigbrot ist nicht nur ausgesprochen fluffig, sondern überzeugt auch mit würzigem Geschmack nach Kümmel und weiteren Gewürzen. Dazu gibt es mit Brotmiso angemachte Butter und eine kleine Rehterrine mit Shisogelee, was als Übergang zum Hauptgang verstanden werden kann. Aber auch so ist das gleichermaßen deftig und fein und einfach ein ausgezeichneter Brotgang.

Sauerteigbrot mit fermentiertem 5 Korn, aufgeschlagene Nussbutter mit Brotmiso und Honig
Sauerteigbrot mit fermentiertem 5 Korn, aufgeschlagene Nussbutter mit Brotmiso und Honig

Der falsche Marshmallow mit dem hauseigenen Gin gehört zu den Konstanten in Benjamin Peifers Küche. Allerdings kann man speziell an dieser Version deutlich erkennen, wie auch dieser Cleanser immer wieder neu variiert wird. Hier kommt er in einer ausgesprochen luftigen Form mit Zitrusgranité, Ingwer und Yuzumarmelade. Die leichten Bitter- und Schärfenoten sorgen dafür, dass der Gaumen tatsächlich noch mal gut aufgeräumt wird.

Falscher Marshmallow "Gintense Fizz"
Falscher Marshmallow "Gintense Fizz"

Bei der Ankündigung, dass es im Hauptgang Rehrücken gibt, kann ich eine gewisse Enttäuschung erst mal nicht verhehlen. So schön das Fleisch auch ist, so inflationär begegnet es uns mittlerweile in Menüs, dass sich auch bei noch so perfekter Zubereitung makelloser Rückenstücke eine gewisse Langeweile breitmacht. Diese Skepsis wird hier allerdings im Handumdrehen in Nichts aufgelöst, denn hier kommt es komplett anders als wir es bisher erlebt haben. Das Reh wird kurz gegrillt und als Tataki aufgeschnitten. Als Kontrast dazu gibt es gegrillten Unagi-Aal sowie zusätzlich Rotkohl mit Shiso und knusprige Flowersprouts von Grün- und Rosenkohl. Eine würzige Rehdashi rundet alles ab. Oh Mann, hier passiert unheimlich viel auf dem Teller. Fisch und Fleisch, knusprig und weich, bitter und süßlich – hier lässt sich nach Herzenslust kombinieren. Ein origineller Hauptgang, wie wir ihn lange nicht hatten.

Rehrücken aus dem Soonwald, Quitte, Unagi "à la minute" und Shiso-Rotkohl
Rehrücken aus dem Soonwald, Quitte, Unagi "à la minute" und Shiso-Rotkohl

Ähnlich, wie wir es häufig in Benelux erleben, folgt an dieser Stelle ein Gericht mit Entenleber in Form eines Pflaumenkompotts, auf dem sich lange eingekochte und karamellisierte Rote Bete befindet. Darauf wird dann nicht gestopfte Entenleber gehobelt. Mit diesem herben und doch süßlichen Touch gelingt der perfekte Übergang zu den Desserts.

Über dem Feuer kandierte Rote Bete, Latwerge, Fro Faux Foie Gras und PX
Über dem Feuer kandierte Rote Bete, Latwerge, Fro Faux Foie Gras und PX

Allerdings überrascht auch hier der erste süße Gang mit ungewöhnlichen Zutaten, denn zum Teig auf Basis von Erbsen, der mit sehr typischem Eigengeschmack überzeugt, gesellen sich Creme und Gel von der Meyer-Zitrone und Kügelchen von Wasabieis. Den eigentlich überraschenden Kick gibt allerdings der karamellisierte Speck. Geschmacklich ist das eine tolle Kombi, allerdings ist der Speck für meinen Geschmack dann doch zu süß und zu klebrig, was letztlich zu einem eher unangenehmen Mundgefühl führt. Aber vielleicht geht das nur mir so. In jedem Fall denke ich, dass hier mit wenig Nachjustieren das Ergebnis noch besser ausfallen könnte, denn die Idee ist klasse.

Grüne Frühlingsaromen, Meyer Lemon und Candybacon
Grüne Frühlingsaromen, Meyer Lemon und Candybacon

Mit einem Stück selbstgemachten Weichkäse nach Art eines Camemberts geht es weiter. Der ist leicht gegrillt und bekommt mit Spinat, Selleriecreme, Champignonscheiben sowie einer Jus von Speck und Pilzen eine herzhafte und vielschichtige Begleitung.

"Ein Stück Käse"
"Ein Stück Käse"

Den finalen Schlusspunkt setzt dann aber doch noch mal ein süßes Gericht, das sicherlich bei vielen Kindheitserinnerungen wecken dürfte. Denn wer hat als Kind nicht Milchreis mit Zucker und Zimt genossen? Dass so ein Klassiker hier aber anders interpretiert wird, liegt auf der Hand. Für den Reis bedient man sich beim edlen Koshihikarireis. Apfel und Zimt finden sich als Schaum, Apfel dazu als Sorbet. Sehr schön, wie ein bekanntes Geschmacksbild hier neu interpretiert wird.  Allerdings ist das auch noch mal reichhaltig und wer bis hierher noch nicht satt geworden sein sollte, was eigentlich kaum vorstellbar ist, dürfte spätestens jetzt nichts mehr auszustehen haben.

Milchreis mit Apfel und Zimt "fast wie bei Muttern"
Milchreis mit Apfel und Zimt "fast wie bei Muttern"

Das neue „Intense“ hat nicht nur mit der Restaurantgestaltung und wie man Gäste durch den Abend führt, Assoziationen an das „Frantzén“ aufkommen lassen. Dass es trotzdem nicht als pure Kopie daherkommt, sondern seinen eigenen in der Region verwurzelten Charakter behält, ist der sehr konsequenten Planung und Umsetzung von Bettina Thiel und Benjamin Peifer zu verdanken.

Aber ohne eine überzeugende Küchenleistung würde das alles nicht funktionieren. Und auch die hat gegenüber dem, was wir noch aus dem alten „Intense“ in Erinnerung haben, einen großen Schritt nach vorne gemacht. Dass an neuer Stelle nahezu alles über offenem Feuer zubereitet wird, ist zum einen natürlich eine Herausforderung, bringt aber auch einen sehr starken Grundcharakter in viele Gerichte. Die Kombination von regional verwurzelten Pfälzer Gerichten und Zutaten mit japanischen Einflüssen hat Peifers Küche schon vorher einzigartig gemacht, jetzt aber nach meinem Gefühl noch mal weitergetrieben. Dabei ist vieles aromatisch komplex, strahlt aber gleichzeitig eine große Souveränität aus, die nicht forciert wirkt, sondern demonstriert, dass hier jemand seinen Weg konsequent geht und die Richtung klar im Blick hat.  Das steht der Küche sehr gut.

Dass der Michelin das bereits ein halbes Jahr nach Eröffnung wieder mit einem Stern ausgezeichnet hat, ist keine Überraschung. Ich bin zuversichtlich, dass das noch nicht das letzte Wort war.

Details

Restaurant: intense
Adresse: Weinstraße 31, 67157 Wachenheim
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: abends
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.restaurant-inten.se

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