Le Clarence, Paris

Unweit der Champs-Élysée findet sich das „Le Clarence“, ein elegantes Stadthaus, das, hat man es erst einmal betreten, das Flair eines englischen Privatschlosses verströmt. Auch der Duft des Kamins, der sich durch das Treppenhaus zieht, unterstreicht diesen anheimelnden Charakter.

Außenansicht
Außenansicht

Besitzer des Hauses ist Prinz Robert von Luxemburg, Miteigentümer der weltberühmten Weingüter Châteaux Haut-Brion und La Mission Haut-Brion, deren Dachgesellschaft Domaine Clarence Dillon in diesem Haus auch ihr Headquarter unterhält.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass im rechten Teil des Gebäudes eine Weinhandlung untergebracht ist, in der wir die Zeit bis zur Öffnung des Restaurants verbringen. In diversen Räumen und vor allem im Kellergewölbe finden sich alle großen Namen, die Weinliebhaber unruhig werden lassen und das oft auch noch in Flaschengrößen, bei denen sich zwangsläufig die Frage nach dem Versicherungswert alleine dieses Raumes stellt.

Das Restaurant, das sich auf drei Räume aufteilt, befindet sich im ersten Stock, in das wir vom überaus herzlichen Herrn am Empfang begleitet werden, der gleich erkennt, dass wir Deutsche sind und in makelloses deutsch wechselt. Bei der Verabschiedung erzählt er uns, dass er in Frankfurt eine Weinhandlung betrieb, mit einer chinesischen Opernsängerin verheiratet ist und noch ein paar Sprachen mehr beherrscht. Selten haben wir eine so persönliche und freundliche Begrüßung und Verabschiedung erlebt. Bravo!

Das Interieur ist mit Stilmöbeln und einer beeindruckenden Bibliothek so aristokratisch, wie man es tatsächlich auch erwartet.

Chef de Cuisine ist Christophe Pelé, der seit 2017 im Haus ist. Seit dem Jahr ist man auch mit 2 Michelinsternen ausgezeichnet.

Ganz untypisch für ein Restaurant in diesem Rahmen ist die Tatsache, dass es keine Speisekarte gibt, sondern nur ein Carte Blanche-Menü in wahlweise in 3 Gängen (130€), 5 Gängen (190€) oder 7 Gängen (320€). Mittags kann man zwischen 3, 4 und 6 Gängen wählen. Wenn man schon mal da ist, entscheiden wir uns für das „Inspiration“-Menü in 7 Gängen.

Den ausgezeichneten Champagner, ein 100% Pinot Noir von der Domaine Petit & Bajan, begleiten erste feine Snacks, darunter eine Bulot-Schnecke, ein knusprig frittiertes monegassisches Teiggebäck mit Frischkäse und Zitrone sowie herzhafte Nuss-Gougères.

Leider ohne Bild folgte noch ein Amuse Bouche in Form von frittiertem Reis mit Scheiben von roher Jakobsmuschel und einer Brunnenkressecreme. Während der Reis für mich eine etwas gummiartige Konsistenz aufweist, hat die Muschel eine makellose Qualität und die Sauce ist ausgezeichnet. Abgerundet wird das Ganze von einer Blüte, die an Schnittlauch erinnert, aber eine ganz überraschende Aromatik in dieses Gericht bringt.

Im Anschluss serviert der Service ein noch warmes Blätterteig-Brioche, das sich als unfassbar buttrig üppige Angelegenheit erweist und zum Besten gehört, was ich an Blätterteig je gegessen habe.

Brioche feuilletée
Brioche feuilletée

Ab jetzt erhöhen Service und Küche deutlich die Schlagzahl. Zwar ist uns beim ersten Schälchen noch nicht klar, ob dies eventuell noch ein weiteres Amuse ist oder bereits der erste Gang sein soll. Ein Stück Langoustine, also Kaisergranat, mit Hummercorail ist unter den Kräutern kaum zu erkennen. Petersilienbutter aromatisiert das Krustentier sehr fein.

Dass es sich nicht um ein Amuse Bouche handelt, wird klar, als noch während wir essen bereits der zweite Teller gebracht wird, auf dem sich ebenfalls ein Stück Kaisergranat findet, jedoch diesmal mit einer milden Mozzarella-Creme und Champignons, was das Tier in einen gänzlich anderen Kontext setzt.

Auch der dritte Teil der Inszenierung bleibt sehr konzentriert auf wenige Komponenten. Diesmal kommt der Kaisergranat nur mit etwas Rettich und einer Kaviarcreme. Im Gegensatz zu den ersten Tellern, die zum einen frischen und herben, zum anderen einen erdigeren Charakter präsentierten, ist die Kaviarcreme durchaus üppiger. Allerdings ist der Kaviar sehr mild, so dass er nur wenige jodige Töne beisteuert und dem Hauptdarsteller nicht die Schau stiehlt.

Langoustine - Kaviarcreme
Langoustine - Kaviarcreme

Da an dieser Stelle Brot und Butter serviert werden, gehen wir davon aus, dass damit der erste Gang erledigt ist und wir ahnen, dass dieser Abend nicht den klassischen Tellergerichten eines normalen Menüs folgt.

Brot & Butter
Brot & Butter

Aber wir liegen offensichtlich falsch, denn während ich noch ein kurzes Fazit zu diesem Dreierlei notiere, kommt der nächste Teller, der eine gegrillte halbe Langoustine relativ pur und nur mit einer kleinen Nocke von, ich würde mal sagen, Zwiebelchutney präsentiert. Hier sind natürlich die Röstaromen sehr präsent, aber wenn man ein Produkt in dieser Qualität hat, braucht es auch nicht mehr. Und während wir uns noch beim Essen über die sehr puristische Darbietung Gedanken machen, kommt auch schon der nächste Teil in Form einer Schere, die nur ganz minimal mit Oregano und japanischem Senf aromatisiert ist.

Alleine an diesem exakt gegarten Stück wird deutlich, dass es hier ganz offenbar vor allem um Präzision geht. Eine so minimalistische Präsentation kann nur dann funktionieren, wenn die Garzeit auf die Sekunde genau eingehalten wird und die Würze subtil, aber prägnant eingesetzt wird. Und das ist bei dieser Schere genau der Fall.

Wir beschließen, dass nun der erste Gang endgültig beendet ist, denn ganz offensichtlich ist das Thema Langoustine nun wirklich durch dekliniert.

Im nächsten Schälchen findet sich Red Snapper mit einer würzigen Creme und Schwarzwurzel. Auch hier lebt die Komposition von der ausgezeichneten Qualität des Fisches und einer feinen Abstimmung der übrigen Komponenten. Die Creme sorgt hier für eine süffige Verbindung.

Red Snapper - Schwarzwurzel - Condiments
Red Snapper - Schwarzwurzel - Condiments

Komplex und ungewöhnlich geht es weiter mit Rotbarbe, die begleitet ist von einem Taubenragout, Blutorange und Bottarga. Das Ragout lenkt das Gericht in eine etwas erdige Richtung, jedoch ohne den Fisch zu überdecken. Und auch Blutorange und Bottarga setzen spannende Akzente. Das ist ein wirklich unerwarteter und überzeugender Gang.

Rotbarbe - Taubenragout - Bottarga - Blutorange
Rotbarbe - Taubenragout - Bottarga - Blutorange

Unter einer Bohnensabayon findet sich eine schwarze Polenta, die die Bühne gibt für ein Stück zarten Pulpos.

Pulpo - Bohnensabayon - Polenta
Pulpo - Bohnensabayon - Polenta

Es folgt ein Stück Glattbutt auf einem cremigen Ragout mit grünem Spargel. Das alleine wäre fast zu gefällig. Daher sorgt hier eine korsische Wurst für markante Würze. Ebenfalls sehr gut.

Glattbutt - Korsische Wurst - Spargel
Glattbutt - Korsische Wurst - Spargel

Die Taktung bleibt zügig und schon haben wir eine Beef-Consommé auf dem Tisch, die ungeheuer dicht und aromatisch ist, fast schon leicht klebrig, was dafür spricht, dass man sich hier richtig viel Zeit für das Einkochen gelassen hat. Als Einlage dient eine Auster, die in erster Linie eine interessante Textur beisteuert. Geschmacklich geht sie in der hoch konzentrierten Brühe etwas unter.

Beeftea - Auster
Beeftea - Auster

Mit einem Ravioli mit Ricottafüllung geht es weiter. Der Teig ist für meinen Geschmack etwas zu dick geraten. Der Seeigel sorgt für eine leichte Meeresnote, bleibt aber ansonsten relativ zurückhaltend.

Ravioli - Ricotta - Seeigel
Ravioli - Ricotta - Seeigel

An dieser Stelle des Menüs haben wir längst aufgegeben, uns darüber Gedanken zu machen, was hier womöglich zusammen gehört und wann ein Gang endet und der nächste beginnt. Auch eine klassische Menüfolge lässt sich nicht wirklich erkennen.

Das bestätigt dann auch gleich der nächste Teller, der eine gegrillte Garnele mit Sauce Périgourdine präsentiert. Erneut wird es ganz puristisch und durchaus archaisch. Denn die Garnele ist nur teilweise geschält. Den Kopf auszusaugen ist dringend empfohlen, denn da steckt reichlich Geschmack drin. Die Sauce ist sowieso wunderbar und eine tolle Kombination zu den kräftigen Grillaromen.

Garnele - Trüffelsauce
Garnele - Trüffelsauce

Da wir jetzt bei einem klassischen Tellergericht mit Taube angekommen sind, haben wir die Orientierung im Menü wieder gefunden. Die Taubenbrust ist exzellent gegart und auf schwarzem japanischem Reis gebettet. Dazu gibt es ein Stück Aal, der mit Miso lackiert ist. Angegossen wird eine fabelhafte Taubenjus.

À part wird noch eine Kartoffelmousseline gereicht, der man eine üppige Portion Trüffel gegönnt hat.

So klassisch dieser Gang in der Präsentation anmutet, so ungewöhnlich und mutig finde ich die Kombination Taube und Aal sowie die japanische Akzentuierung.

Mit einem Teil gibt sich aber Christophe Pelé auch bei diesem Gericht nicht zufrieden. Und so wird im Anschluss ein Wagen an den Tisch gerollt, auf dem eine Artischockentarte darauf wartet, halbiert zu werden.

Sie bildet die Beilage zum kleinen Filet von der Taube und ist der eigentliche Star auf diesem Teller. Die Tarte ist auf sensationellem Blätterteig gebacken und von erneut großartiger Trüffelsauce bedeckt.

Waren bisher die Portionen recht übersichtlich, aber durchaus schon gut sättigend, ist spätestens mit den beiden Taubengerichten der Punkt erreicht, an dem es beginnt, etwas anstrengend zu werden, denn so köstlich die Tarte auch ist, aber sie füllt schon ganz erheblich.

Das hindert uns jedoch nicht, auch vom Käsewagen eine Auswahl zu nehmen. Dass der Service die Stücke jedoch derart großzügig portioniert, treibt die Sättigung zusätzlich voran.

Den Dessert-Reigen leiten zwei Pré-Desserts ein. Eine Zitronencreme mit Kumquats erinnert von der Konsistenz an eine ausgezeichnete Panna Cotta, durch die noch ein Hauch Ingwer durchschimmert.

Begeisternd finde ich aber vor allem das Granité von Sauerampfer, das ganz puren Kräutergeschmack liefert.

Pré-Dessert: Zitronencreme - Kumquat
Pré-Dessert: Zitronencreme - Kumquat
Pré-Dessert: Sauerampfer Granité
Pré-Dessert: Sauerampfer Granité

Im folgenden baut der Service Waffeln mit einer Tonkabohnen-Sahne und einem karamellisierten Tonkasud, ein Paris-Brest mit Pekannuss sowie ein Baiser mit Vanillesauce und Joghurteis auf.

Die Waffeln sind super locker, das Paris-Brest ebenfalls luftig und mit klassischer Sahne, aber ganz hervorragend ist der Baiser. In dessen Inneren sorgt fein abgeschmeckter Milchreis für Überraschung und eine weitere texturelle Ebene in diesem monochrom weißen Gericht.

Doch auch hiermit ist es noch nicht getan. Denn ein zweites Dessert-Dreierlei rund um das Thema Schokolade muss auch noch sein. Das Soufflé betört zwar mit einem hervorragenden Geschmack, ist aber nicht durchgebacken und im Inneren noch sehr flüssig. Vielleicht soll das so sein. Mir hätten ein paar Minuten mehr Backzeit allerdings nichts ausgemacht.

Nichts zu meckern gibt es hingegen am perfekten Vanilleeis auf Schokobröseln und am Parfait, das ein wenig an Luftschokolade erinnert.

Schokoladensoufflé - Parfait - Vanilleeis
Schokoladensoufflé - Parfait - Vanilleeis

Nach dieser ausufernden Süßspeisen-Orgie braucht es keine große Batterie an Petits Fours mehr und so beschränkt sich die Küche auch auf nur noch ein Gebäck mit Sahnefüllung. An dieser Stelle müssen wir jedoch leider streiken. Der Sättigungsgrad war schon vor mehr als einer Stunde überschritten.

Petits Fours
Petits Fours

Selten gehen wir in ein Restaurant, ohne eine wirkliche Vorstellung davon zu haben, was uns erwartet. Natürlich hatte ich im Vorfeld die ein oder andere Kritik gelesen, aber dennoch war es überraschend zu sehen, wie unkonventionell, puristisch und modern Christophe Pelé in diesem aristokratischen Rahmen aufkocht. Das steht durchaus in einem gewissen Widerspruch, weil man hier eher eine klassische Menüfolge mit auskomponierten Tellergerichten erwarten würde.

Statt dessen wird hier eine Abfolge von Miniaturen abgefeuert, die manchmal ein Thema durchdeklinieren, manchmal für sich stehen und die Grenzen zwischen den Gängen verschwimmen lassen. Pelé kombiniert gerne Fisch und Fleisch, was zu erstaunlichen Ergebnissen führt, wenn man alleine an die Rotbarbe mit Taubenragout denkt oder die Taube mit Aal.

Wer stellenweise so minimalistisch und durchaus auch intuitiv kocht, muss sich seiner Sache und seines Handwerks sehr sicher sein. Denn gerade, wenn nicht unzählige Komponenten ein Gericht zudecken, würde jeder Fehler gnadenlos sichtbar. Präzision in der Würzung und bei der Garzeit sind hier essentiell und die beherrscht Pelé scheinbar schlafwandlerisch.

Die Küche im „Le Clarence“ präsentiert sich in ihrer Reduzierung aufs Wesentliche ganz zeitgemäß, selbst wenn es bei den Desserts dann doch noch mal traditionell wird. Auch wenn die Portionen teilweise recht überschaubar wirken, sind wir am Ende derart gut gesättigt, wie selten zuvor nach einem derartigen Menü. Aber auch sehr zufrieden.

Während wir das Essen noch resümieren, widmen wir uns den Resten unseres Weins. Angesichts der bestens bestückten Weinhandlung und des Eigentümers wundert es nicht, dass dem Gast hier gleich zwei Weinkarten präsentiert werden.

Während eine Karte ausschließlich den Weinen der eigenen Weingüter vorbehalten ist, widmet sich die zweite Karte vor allem den übrigen Regionen Frankreichs und listet für ein Restaurant dieser Klasse eine erfreulich große Zahl bezahlbarer Flaschen, oft auch im zweistelligen Bereich.

Der Service bleibt zwar den ganzen Abend über etwas distanziert, ist aber jederzeit formvollendet, aufmerksam und freundlich. Angesichts der zahlreichen Teller, die zu servieren sind, bleibt allerdings auch kaum Zeit für Smalltalks.

Aber auch so verbringen wir einen Abend, der mich kulinarisch noch eine ganze Weile beschäftigt und nachhaltig fasziniert.

Details

Restaurant: Le Clarence
Adresse: 31, avenue Franklin D. Roosevelt, 75008 Paris
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: abends
Mittwoch - Samstag: auch mittags
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.le-clarence.paris/restaurant/

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Kommentare

  1. Carsten am 18. Mai, 2020 um 11:16 Uhr.

    Ein sehr imponierendes Menü, der Schwerpunkt Meeresfrüchte und Fisch hätte mir gefallen, das Konzept Carte Blanche sowieso, allerdings sind die Menüpreise (für mich persönlich) auch ein wenig Atemberaubend…..

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