Philipp, Sommerhausen
Am 14. August 2022 in Deutschland | 1947 Aufrufe
Unser diesjähriger Sommerurlaub führte uns nach Österreich. Da die erste Station allerdings im Saarland, und damit nicht wirklich auf dem direkten Weg lag, ging es von dort nach Franken. Der beschauliche Winzerort Sommerhausen am Main sollte das Zwischenziel sein. Aber 40 km vorher machten eine Warnleuchte und ein plötzlicher Antriebsverlust massive Probleme und so schlichen wir mit unserem Wagen auf der rechten Spur zu unserem Hotel. An einem Sonntag nicht wirklich ein Vergnügen, erst recht nicht, wenn der darauffolgende Tag in Bayern auch noch ein Feiertag ist. Notdienst, Abschlepper, Leihwagen – es folgt das volle Programm, aber das dafür sehr professionell abgewickelt. Später wird sich herausstellen, dass der Turbolader seinen Geist aufgegeben hat.
All das wissen wir noch nicht, als wir ins „Philipp“ gehen und den Abend wollen wir uns wegen solcher Unannehmlichkeiten ja auch nicht verderben lassen. Das „Philipp“ von Heike und Michael Philipp gehört zu den Jeunes Restaurateurs und hält seit fast 20 Jahren einen Michelin-Stern.
Das Restaurant befindet sich in einem schmucken Fachwerkhaus und atmet auch innen historischen Charme. Leider auch viel Wärme angesichts der sommerlichen Temperaturen, wogegen auch der schicke Standventilator hinter uns nicht viel ausrichten kann.
An diesem Abend gibt es nur das Standardmenü in vier oder sechs Gängen (135,-€ / 165€). Die Homepage verspricht eigentlich auch am Sonntagabend ein Carte Blanche-Menü in drei bis sechs Gängen zu deutlich günstigerem Kurs (69,-€ – 110€). Vielleicht ist es der Tatsache geschuldet, dass dies der letzte Tag vor der Urlaubspause ist, dass es nur das für mein Empfinden recht sportlich bepreiste Menü gibt. Auch, wenn das etwas unbefriedigend bleibt, wollen wir uns damit nicht lange aufhalten, erst recht nicht angesichts des uns mutmaßlich noch bevorstehenden Auto-Ärgers am nächsten Tag.
Den Auftakt bestreiten zwei Cornets mit Frischkäse und Forellenmousse, wobei mir letztere mit ihrem deutlichen Eigengeschmack noch etwas besser gefällt. Der Teig der Cornets hingegen ist recht hart und von eher rustikalem Charakter.
Als Amuse Bouche gibt es eine fruchtige Gazpacho, in der vor allem Melone mit stückiger Einlage präsent ist. Aber auch Gurke und Croutons setzen schöne Akzente. Das Ganze ist pikant abgeschmeckt und passt ausgezeichnet zum warmen Wetter. Dafür hätte sie durchaus auch noch etwas kälter sein dürfen.
Fruchtig eingefasst ist auch der Hamachi in der Vorspeise, der als Sashimi vor allem Papaya und Avocado als Begleiter erhält. Als kühles Element dient Yuzu-Eis, das allerdings etwas süß ausfällt. Die Togarashi-Vinaigrette wiederum ist auch eher von fruchtigem Charakter, zeigt aber nach hinten raus eine leichte Schärfe. Das ist alles durchaus gut, aber mir persönlich in Summe einfach einen Tick zu süß und fruchtbetont.
Herzhafter wird es mit den Ravioli, die mit einer Kalbfleischfarce gefüllt sind und mit sautierten Pfifferlingen und Mimolette stimmige Ergänzungen bekommen. Dagegen ist der 7-Pfeffer-Schaum gar nicht so prägnant wie erwartet. Dennoch ist das in Summe recht würzig und gefällt mir gut.
Mediterran wird es mit dem Wolfsbarsch auf einem Tomaten-Oliven-Fondue in Safransauce. Der Fisch ist knusprig auf der Haut gebraten und steht hier eindeutig im Mittelpunkt. Das ist ziemlich geradeaus und kommt ohne verspielten Schnickschnack aus. Nicht übermäßig überraschend, aber handwerklich tadellos gemacht und ein sehr solider Gang.
Auf den Hauptgang freue ich besonders, denn es gibt Taube, bekanntlich mein Lieblingsfleisch. Und auch hier bin ich sehr glücklich mit der leicht geräucherten Version, die auf den Punkt gegart ist. Gut gefällt mir, dass auch die Innereien, Herz und Leber, ihren Platz auf den Teller finden. Selleriepüree, eine kräftige Sauce sowie Brombeeren als fruchtig-säuerliche Komponente bilden den eher klassischen Rahmen. Anders als mein Mann schmecke ich Süßholz zwar nicht explizit heraus, vermisse das aber auch nicht. Mir gefällt das Gericht so, wie es ist.
Recht klassisch bleibt es auch beim Käsegang, der Fourme d’Ambert mit Feige und Nüssen kombiniert. Das könnte durchaus auch langweilig sein, aber hier besticht die außergewöhnlich gute Käsequalität von Jean-Yves Bordier. Dass von ihm hervorragende Butter stammt, war mir bewusst, aber mit Käse habe ich ihn bisher nicht in Verbindung gebracht, obwohl es ja naheliegend ist. Hier stimmt alles: Reifegrad, Temperatur, Geschmack und auch Präsentation, denn dadurch, dass auch die Feige cremig ist und mit den Nüssen vermischt am Boden platziert ist, lässt sich alles gut nach eigenem Gusto miteinander kombinieren. So schlicht und so gut. Das relativ trockene Früchtebrot, das ich eh nicht gebraucht hätte, ist an dieser Stelle für mich entbehrlich.
Setzt ein Dessert häufig noch mal ein kräftiges, kreatives Ausrufezeichen am Ende eines Menüs, bleibt der finale Gang hier recht unspektakulär. Einige Beeren, die mir sehr naturell und nicht, wie angekündigt, mariniert erscheinen, zweierlei Cremes, darunter eine leichte Dulcey-Schokoladencreme, etwas geschmacklich unauffälliges Gel sowie gutes Erdbeer- und Joghurteis – passt schon alles zusammen. Bleibt für mich allerdings auch hinter den Erwartungen zurück. Bei einem Menüpreis von 165 Euro hätte ich mir schon etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht.
Viererlei Petits Fours (Tonkabohne, Himbeere, Rum-Trüffel und Earl Grey) bilden den Abschluss.
Die Weinkarte hat ihren Schwerpunkt naturgemäß in Franken, bietet aber auch aus anderen Ländern ausreichende und in allen Preislagen gute Auswahl.
Der Service macht seine Sache professionell und freundlich, bleibt aber den Abend über auch etwas distanziert. Selbst ein Smalltalk will sich irgendwie einfach nicht einstellen.
So ist das irgendwie auch symptomatisch für den gesamten Abend. Das Menü war qualitativ in Ordnung mit Stärken beim Ravioli, der Taube und beim Käse. Alles durchaus souverän gekocht, aber, um beim Bild unseres Fahrzeugproblems zu bleiben, der Turbo wollte einfach nicht recht zünden. Nein, unzufrieden waren wir nicht. Nur erwartet hätten wir vielleicht etwas mehr.
Details
Restaurant: | Philipp |
Adresse: | Hauptstr. 12, 97286 Sommerhausen |
Öffnungszeiten: | Freitag: 18.30 - 23.00 Uhr Samstag + Sonntag: ab 12.00 Uhr + 18.30 - 23.00 Uhr Montag - Donnerstag: Ruhetag |
Website: | www.restaurant-philipp.de |
Schlagworte
Franken, Jeunes Restaurateurs, Michael Philipp, Michelin, moderne Klassik, Philipp, Sommerhausen
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