PURS, Andernach

Wie man eine betuliche Kleinstadt am Rande der Voreifel in einen veritablen kulinarischen Hotspot verwandelt, kann man derzeit in Andernach beobachten.
Eine Investorgruppe schickt sich an, den Ort nicht nur mit einer Vielzahl von hochklassigen, Michelin-besternten Restaurants zu pflastern, sondern gleichzeitig auch noch mit einem stilvollen Hotel, wie man es in dieser Form hier kaum erwarten würde.

Nahe des Marktplatzes hatten bereits das italienische Restaurant „Ai Pero“ mit Frank Seyfried (Stationen Gualtiero Marchesi, Alfons Schubeck und auf Schloss Elmau) sowie das asiatisch geprägte Restaurant „YOSO“ mit Sarah Henke (Stationen bei Dieter Müller, Sven Elverfeld und als Küchenchefin im „Spices“ auf Sylt) geöffnet und einen Michelin-Stern erkocht. Das „YOSO“ hatten wir bereits im vergangenen Jahr besucht und waren schwer angetan.

Besonders reizte uns aber natürlich die Küche von Sarah Henkes Mann, Christian Eckhardt, der für das Restaurant im Hotel „PURS“ verantwortlich zeichnet und der in seiner letzten Station, der Villa Rothschild in Königstein, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet war.
Die Eröffnung des Hotels in der ehemaligen Alten Kanzlei und des Restaurants indes verzögerte sich, wie dies bei Ausgrabungen auf historischem Grund häufiger der Fall ist.

Das Ergebnis kann sich jetzt allerdings sehen lassen, denn das von dem belgischen Designer und Antiquar Axel Vervoordt gestaltete Haus ist von einer Stilsicherheit, die das „PURS“ zu einer der aufregendsten Hotel-Eröffnungen des vergangenen Jahres machte. Die Verbindung von alten und modernen Elementen, gepaart mit einer stattlichen Sammlung von Kunstobjekten, ist überaus gelungen und strahlt in jedem Raum behagliche Gemütlichkeit aus.

Dass man sich als Gast im „PURS“ vom ersten Moment willkommen fühlt, hat auch damit zu tun, dass Service hier deutlich anders gelebt wird, als in vielen anderen Hotels. Man wickelt hier nicht die Anmeldeformalitäten an einer Rezeption ab, sondern wird erst mal in der Lobby, in der man auch abends seinen Apéritif einnimmt, empfangen, bekommt einen Begrüßungsdrink, erste Kleinigkeiten aus der Küche und unterschreibt nebenbei irgendwann den Meldeschein. Das Gepäck ist derweil bereits auf dem Zimmer, das Auto vom Personal geparkt. So entspannt bin ich schon lange nicht mehr irgendwo angekommen.

Das Restaurant selbst ist eines der Schönsten, das ich in letzter Zeit erleben durfte. Klare Linien, ausreichende Abstände zwischen den Tischen, wandhohe Sprossenfenster, Blick in die Küche und eine warme, ausgeklügelte Lichtregie sorgen dafür, dass man sich automatisch wohl fühlt.

Interieur
Interieur

Wir nehmen unseren Apéritif indes in der ebenso gemütlichen Bar, die am nächsten Tag auch als Frühstücksraum dient. Dazu serviert die Küche als erste Grüße quasi eine Reise durch die drei Restaurants der Gruppe.
Das italienische Restaurant „Ai Pero“ vertritt ein Cracker von Schüttelbrot mit marinierter und geflämmter Makrele mit Gremolata-Creme. Das „YOSO“ wird repräsentiert durch ein Tatar mit einer spicy Mayonnaise und das „PURS“ selbst präsentiert sich mit einem Windbeutel, der mit einer Quiche Lorraine-Crème gefüllt ist.
Die Idee selbst ist schon sehr originell und die Ausführung exzellent mit einem klaren Geschmacksbild, das jedes Haus tatsächlich sehr schön darstellt.

Apéros
Apéros

Zum sehr guten Sauerteigbrot und dem noch warmen Maronen-Plundergebäck gibt es hervorragende Salzbutter aus der Normandie und einen noch besseren Kürbisaufstrich.

Das erste Amuse Bouche kombiniert dünne Scheiben vom Kabeljau mit einem Salat von sehr cremig angemachtem Quinoa und einem Rote Bete-Kirsch-Sud. Um den Fisch nicht zu überdecken, hält sich hier die Würze noch zurück. Es dominiert eher ein leicht erdiger Unterton. Ein guter Auftakt.

Amuse Bouche: Kabeljau mit Quinoa-Salat und Rote Bete-Kirsch-Sud
Amuse Bouche: Kabeljau mit Quinoa-Salat und Rote Bete-Kirsch-Sud

Als weiteren Gruß schickt die Küche eine sehr dekonstruierte Version des rheinischen Klassikers „Himmel un Ääd“, die auf den ersten Blick das Original kaum erkennen lässt. Die Flönz findet sich als knuspriger Rand, die Röstzwiebeln als Schaum. Das ist üppig, füllig, cremig und einfach toll gemacht.

Amuse Bouche: Himmel un Ääd
Amuse Bouche: Himmel un Ääd

Eine beeindruckende Variante des Vorspeisenklassikers Entenleberterrine präsentiert uns Christian Eckhardt mit seiner Version, der die Foie Gras mit Grünkohl als Creme und dehydriert sowie mit Haselnüssen in Szene setzt. Ein Sorbet von Williams Christ Birnen und ein kleines Kompott davon runden mit einer angenehm passenden fruchtigen Note und schönen Temperaturkontrasten das Gericht ab. In erster Linie gefällt mir aber diese Kombination aus klassischem Handwerk und ganz moderner Einbindung, denn Entenleber und Grünkohl hatte ich in dieser Zusammenstellung bisher tatsächlich noch nicht. Insgesamt ist hier viel Textur im Spiel. Das dazu servierte Croissant ist eine schöne Alternative zum ansonsten allgegenwärtigen Brioche.

Mit dem nächsten Gang wird es etwas frischer, aber erneut mit einem erdigen Unterton. Die Sardinenfilets fassen links und rechts eine Mischung aus Kürbis und Pilzen ein, eine Yuzu-Marinade sorgt für den Säure- und Frischekick. Auch dieser Gang ist erneut wunderschön angerichtet.

Sardine - Kürbis - Waldpilz - Calamansi
Sardine - Kürbis - Waldpilz - Calamansi

Das Prinzip im „PURS“ sieht vor, dass sich jeder Gast aus dem Angebot sein Menü selbst zusammenstellen kann. Wir haben ein Arrangement gebucht, das ein 5-Gänge-Menü vorsieht, aber wir erweitern dies um einen Gang und der liefert uns schon in der Beschreibung eine Killer-Kombi. Tortellini, die mit wunderbar cremigem Fontina-Käse gefüllt sind, Kalbsbries und Macadamia-Nüsse würden alleine schon prächtig funktionieren. Mit dem am Tisch über den Teller gehobelten Alba-Trüffel ist das nicht mehr zu toppen. Ein toller Gang!

Der St. Pierre im folgenden Gang ist auf den Punkt gebraten und mit Blumenkohl in diversen Texturen recht rustikal eingefasst. Lardo gibt Schmelz, schwarze Nuss ist als Püree verarbeitet. Das ist rund, harmonisch und sehr stimmig.

St. Pierre - Blumenkohl - Lardo - Schwarze Walnuß
St. Pierre - Blumenkohl - Lardo - Schwarze Walnuß

Perfekt zubereitet ist auch der Rehrücken im Hauptgang, der von Pastinaken in Strukturen, Rotkohl in kleinen Segmenten und Totentrompeten begleitet ist. Unter diesem Wintergemüse-Ensemble findet sich noch geschmorte Schulter, die super zart ist und geradezu auf der Gabel zerfällt. Die dazu servierte Gewürzjus ist sehr intensiv, ganz dicht und konzentriert und komplettiert ein hervorragendes Gericht.
Dankenswerterweise lässt der Service die Saucieren bei jedem Gang auf dem Tisch und auch dieses Mal geht kein Tropfen davon zurück in die Küche. Eckhardt präsentiert sich in diesem Menü als großer Saucenmeister.

Reh - Pastinake – Rotkohl – Gewürzjus
Reh - Pastinake – Rotkohl – Gewürzjus

Zum Vordessert serviert der Service neben dem eigentlichen Teller auch ein Schälchen mit Holzspänen. Es handelt sich um die Grundlage für das Hickory-Eis, das gemeinsam mit einem Ragout von saisonalen Früchten und einem Dörrobst-Chip das Pré-Dessert ausmacht. Der BBQ-Geschmack des Eises ist zwar recht dezent, aber doch spürbar. Die Grundidee gefällt mir, hätte aber durchaus eine mutigere Betonung des Raucharomas vertragen können.

Pré-Dessert: Hickory-Eis mit Salat von saisonalen Früchten und Dörrobst
Pré-Dessert: Hickory-Eis mit Salat von saisonalen Früchten und Dörrobst

Schokoladig wird es im Dessert, vor allem in Form einer sehr cremigen Ganache, die sich schlangenförmig über den Teller räkelt und in Form von Luftschokolade. Dass es aber nicht zu süß wird, ist vor allem den eingelegten Schlehen und dem Schlehensorbet zu verdanken, die eine säuerliche Note als Kontrapunkt beisteuern. Rote Bete und Kräutertee sind als dünne Knusperblätter geschickt eingearbeitet und sorgen wieder für einen dezent erdigen Touch. Das ist originell und sehr gut gemacht. Der dazu servierte Kirschwein aus Dänemark ist übrigens eine überraschend passende Begleitung.

Schokolade Cru Virunga - Schlehe - Rote Bete - Kräutertee
Schokolade Cru Virunga - Schlehe - Rote Bete - Kräutertee

Für den endgültigen Abschluss dieses Menüs wechseln wir erneut in die Bar, wo bereits ein Teller mit Pinsel und Spachtel bereit steht. Der Sinn hierzu wird sich uns bald erschließen. Die Petits Fours werden im „PURS“ nämlich in höchst origineller Form von den Köchen selbst präsentiert. Neben einem Schälchen mit Roibusch-Vanille-Sorbet wird eine große Zuckerkugel unvermittelt auf den vorbereiteten Teller fallen gelassen. Aus dem Inneren verteilen sich unter anderem Goldmünzen mit einer Kalamansicreme sowie gefüllte Steine und Schokoladenkrümel.
Zwar ist alles essbar, aber wenn man nicht auf purem Zucker knabbern möchte, empfiehlt es sich, den Pinsel zu Hilfe zu nehmen und die Hülle auszusortieren.

Diese Präsentation, so erklärt uns der Koch, ist ihre augenzwinkernde Aufarbeitung des Umstandes, dass Ausgrabungen beim Hotelum- und Neubau die Fertigstellung um ein dreiviertel Jahr verzögerten.

Nicht nur die Hotel-Eröffnung des „PURS“ darf getrost als spektakulär bezeichnet werden, auf das Restaurant und die Küche von Christian Eckhardt trifft dies ebenso zu.
Sein Stil lässt sich schwer in irgendeine Schublade packen und das will er selbst auch gar nicht, wie er im Gespräch erklärt. Dennoch ist unübersehbar, dass Eckhardt über ein grundsolides klassisches Fundament verfügt, was auch nicht verwunderlich ist, wenn zu den prägendsten Stationen in seiner Vita unter anderem seine Zeit bei Claus-Peter Lumpp im „Bareiss“ gehört.
Das großartige Saucenhandwerk oder die perfekte Entenleberterrine geben Zeugnis davon. Gerade die Terrine jedoch ist ein perfektes Beispiel dafür, wie auch ein vermeintlich ausgereiztes, traditionelles Thema mit mutigen Kombinationen und einer bestechend schönen Präsentation in die Jetztzeit katapultiert werden kann und absolut modern erscheint.

Dass wir von diesem Abend komplett begeistert waren, liegt nicht nur am wunderschönen Ambiente, dem stets aufmerksamen und herzlichen Service oder der ausgezeichneten Weinbegleitung, sondern in erster Linie natürlich am hervorragenden Menü, das sich ohne Schwäche zeigte. Die Gerichte sind mit großer Detailliebe angerichtet, häufig originell komponiert, aber durchweg stimmig. Handwerklich ist das alles sowieso auf Top-Niveau.

Weinbegleitung
Weinbegleitung

Für mich ist das eine Leistung auf glasklarem Zweisterne-Niveau gewesen. Ob sich der Michelin durchringen kann, dieser Neueröffnung gleich aus dem Stand diese Auszeichnung zu verleihen, bleibt abzuwarten. Verdient wäre es für Christian Eckhardt und sein Team.
In jedem Fall hat er mit dem „PURS“ Andernach ganz weit nach vorne auf die kulinarische Landkarte gesetzt.

Details

Restaurant: PURS
Adresse: Steinweg 30-32, 56626 Andernach
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag: 18:30 - 20:30 Uhr
Sonntag, Montag, Dienstag: Ruhetag
Website: www.purs.com/restaurant/

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