SaQuaNa, Honfleur

Honfleur ist eine pittoreske Hafenstadt in der Normandie, unweit von Le Havre und über die beeindruckende Pont de Normandie, die größte Schrägseilbrücke Europas, zu erreichen. Im Ort selbst bietet das alte Hafenbecken eines der malerischsten Fotomotive und ist sicherlich auch ein Grund für die zahlreichen Besucher, die regelmäßig in das kleine Städtchen einfallen. Wo sich ein Lokal an das andere reiht, um die Massen zu bespeisen, muss man schon mutig sein, einen kulinarischen Leuchtturm zu setzen.

Alexandre Bourdas, der nach Stationen unter anderem bei Michel Bras und Michel Guérard sowie einem Aufenthalt in Japan, wo er für Bras ein Restaurant geführt hat, ist mit seiner Frau Delphine eben dieses Wagnis eingegangen und hat in Honfleur an ziemlich zentraler Stelle das „SaQuaNa“ eröffnet. Hinter dieser Wortschöpfung verbirgt sich eine Mehrdeutigkeit, denn zum einen stehen die Silben für Saveur (Geschmack), Qualité und Nature. Gleichermaßen steht das Wort sakana im japanischen aber auch für Fisch im Allgemeinen. Und das trifft dann auch bereits ganz gut die sehr meeresfrüchtebetonte Küche von Bourdas.

Ich bin vor einigen Jahren nur durch einen Beitrag in einem Foodblog auf dieses Restaurant aufmerksam geworden und seitdem hatte mich die Sehnsucht gepackt, hier zu essen. Vor zwei Jahren war es soweit und es hatte meine Erwartungen voll erfüllt. Viele Gerichte habe ich seitdem sehr genau abgespeichert. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Nicht am Küchenstil, so viel sei vorweg verraten, aber am Ambiente.

Im Januar 2016 schloss Bourdas die Türen des „SaQuaNa“ für eine Komplettrenovierung des gesamten Hauses. Nach Kernsanierung konnte er es erst im Oktober des gleichen Jahres wieder eröffnen. Die Kritiker des Michelin haben ihm seine zwei Sterne aber auch trotz der kurzen Testperiode weiterhin verliehen.
In der, zugegeben etwas subjektiv erstellten Liste von OAD (Opinionated about food), wird das „SaQuaNa“ im Ranking der besten europäischen Restaurants immerhin auf Platz 23 geführt.

Der auch vorher bereits klare und helle Innenraum bekam durch die großen Glasfronten und das freigelegte Mauerwerk eine noch größere Transparenz und einen Hauch Urbanität.

Interieur
Interieur

Im „SaQuaNa“ gibt es nur ein Menü mit wahlweise fünf oder acht Gängen. Sympathisch, dass auch ein spezielles Kindermenü für Kinder unter 10 Jahren angeboten wird.

Es startet wie immer mit einigen Amuses Bouches, darunter eine Meringue mit Kaffee, ein recht farbloses Beignet, das allerdings durch den Jakobsmuschel-Corail etwas Würze erhält. Deutlich prägnanter dann der Flan mit Kabeljau und Shiso und noch besser und kräftiger die Sushireisrolle mit Sardine und Sansho-Pfeffer.

Amuses Bouches
Amuses Bouches

Zu den festen Ritualen im „SaQuaNa“ gehört immer auch, dass es am Tisch Gerichte zum Teilen gibt. Alexandre Bourdas, dessen Vater aus der Normandie und die Mutter aus dem Aveyron stammt, pflegt so die Traditionen seiner Heimat. Deshalb startet jedes Menü hier mit einer Pascade, einem Eierkuchen, der mit Schnittlauch und Öl vom weißen Trüffel aromatisiert ist. Was zunächst befremdlich wirkt, ist die deutliche Süße des karamellisierten Zuckers, aber dennoch gehen diese Geschmäcker gut zusammen. Bourdas hat der Pascade übrigens ein eigenes Restaurant in Paris mit gleichem Namen gewidmet, in der auf durchaus kreative Weise und mit Gastköchen dieser Eierspeise gehuldigt wird.

Pascade mit Schnittlauch und Trüffelöl
Pascade mit Schnittlauch und Trüffelöl

Zum sehr guten, kompakten Weißbrot gibt es ausgezeichnete Butter. Mehr wäre hier auch definitiv zu viel.

Brot & Butter
Brot & Butter

Das Menü beginnt mit einem Klassiker aus Bourdas‘ Küche: dem pochierten Seeteufel, der in einem schweren, mörserähnlichen Gefäß serviert wird und mit einer klaren Kokosnussbrühe aufgegossen wird. Die ist ungemein intensiv und ergänzt sich perfekt mit dem Kombava-Öl, dem Limetten- und Liebstöckelaroma. Unter dem Fisch machen wir noch etwas Spinat und Koriander aus und so liegt ein leicht asiatischer, aber auch sehr kosmpolitischer Ton über dem Gericht. Hatten wir 2015 auch bereits, gefällt uns heute wieder genau so gut und würde ich auch beim nächsten Mal wieder nehmen.

Seeteufel, Limette, Liebstöckel, Koriander, klare Kokosnussbouillon, Kombava-Öl
Seeteufel, Limette, Liebstöckel, Koriander, klare Kokosnussbouillon, Kombava-Öl

In Frankreich ist es ja nicht unüblich, dass die Menübeschreibungen bereits auf der Karte äußerst detailliert sind, damit der Gast auch ja weiß, was ihn zu erwarten hat. Und so ist es auch hier. Beim nächsten Gang findet sich alles wieder, was die Karte verheißt: eine recht scharf angebratene, aber auch nicht allzu große Jakobsmuschel, Pakchoi, einige kleine Segmente von Navetten, Gurke und noch allerlei mehr. Das ist auch alles für sich sehr schön, aber irgend etwas fehlt mir trotzdem. Der Sansho-Pfeffer ist sehr offensiv, weil in ganzen Körnern, eingesetzt. Das setzt noch die markantesten Akzente. Durch den weitgehenden Verzicht auf klassische Saucen muss Bourdas dies mit Cremes und dem ein oder anderen Schaum wettmachen. Aber auch die bleiben in diesem Fall eher zurückhaltend. In Summe gut, aber nicht begeisternd.

Jakobsmuschel, Pakchoi, Navetten, Sansho-Pfeffer, Nori & Gurke, Cremige Knoblauch-Brühe, Soja, Ingwer
Jakobsmuschel, Pakchoi, Navetten, Sansho-Pfeffer, Nori & Gurke, Cremige Knoblauch-Brühe, Soja, Ingwer

Das wird es aber mit einem fabelhaften Stück Seelachs. Diesen eher schlichten Fisch überhaupt in der Spitzengastronomie zu finden, ist schon beachtlich genug. Aber in dieser Qualität und Kombination ist er schlicht sensationell. Eine cremig-luftige Geflügelcreme und Nussbutter sorgen für Reichhaltigkeit, Steinpilzgnocchi und Pfifferlinge liefern etwas Erdigkeit. Der Fisch ist kräftig gewürzt und Bergamotte steuert eine frische Note bei. Ganz großartig!

Seelachs, Steinpilzgnocchi & Pfifferlinge, Geflügelcreme, Nussbutter, Bergamotte
Seelachs, Steinpilzgnocchi & Pfifferlinge, Geflügelcreme, Nussbutter, Bergamotte

Ebenso beeindruckend der abschließende Fischgang, bei dem ein Tatar vom Kaisergranat, markant gewürzt mit den Zitrusnoten der Sudachi und Piment, auf gelierter Ziegenmilch, ähnlich einer Panna Cotta, serviert wird. Ein Kartoffelchip bekommt etwas zusätzliche Leichtigkeit durch den Tempurateig. Auf diese Kombination muss man erst mal kommen, aber sie funktioniert blendend und die Ziegenmilchcreme ist gleichermaßen milder wie auffälliger Kontrapunkt zum frischen Krustentier.

Kaisergranat, gelierte Ziegenmilch, Kartoffelchip-Tempura, Sudachi & Piment
Kaisergranat, gelierte Ziegenmilch, Kartoffelchip-Tempura, Sudachi & Piment

Die überwiegend puristische Stilistik verlässt Bourdas auch nicht beim Hauptgang. Das exzellent gegarte Stück Lamm erhält als Mitspieler nur ein Selleriepüree, Kichererbsen und ein Knusper aus Kichererbsenmehl. Zum ersten und einzigen Mal gibt es so etwas wie eine klassische Sauce, platziert als Mandeljus mit leicht orientalischem Einschlag im Püree. Das ist aber alles so fein portioniert, dass es die Einzelkomponenten, und hier vor allem das hervorragende Fleisch voll zur Geltung kommen lässt.

In Tradition seiner Heimat gehört zu jedem Menü im „SaQuaNa“ immer auch ein Salat, der zum Ende des Hauptgangs serviert wird. Auch dieser ist zum Teilen gedacht. Ob man ihn noch zum oder nach dem Hauptgang isst oder sich für den Käse aufheben mag, wird dem Gast überlassen.

Salat zum Teilen
Salat zum Teilen

Die Käseauswahl ist nicht überbordend, aber dafür mit perfekt gereiften Stücken vor allem aus der Normandie, aber auch einem Hartkäse aus dem Aveyron bestückt. Alexandre Bourdas nimmt es mit den Heimatbezügen offensichtlich wirklich sehr ernst.

Vor zwei Jahren begeisterte mich Alexandre Bourdas mit einem geeisten Baklava als erstem Dessert. In dem Jahr zählte ich das zu einem der besten Nachtische, die ich genießen durfte. Auch dieses Mal ist ihm dieses Kunststück gelungen mit einem Dessert, das in der Konzeption durchaus ähnlich aufgebaut ist, wie er im anschließenden Gespäch auch bestätigt. Der Kürbis-Namandier, ein Kuchen auf Basis von Mandelmehl, ist per se schon sehr saftig. Im Zusammenspiel mit Orangensorbet, Creme und karamellisiertem Brikteig ergibt sich alleine schon ein breites Spektrum aller denkbaren Texturen, die auch geschmacklich in großer Harmonie zusammengehen. Dazu noch einige sehr geschickt eingestreute Kügelchen Zitronenkaviar für den entscheidenden Säurekick und fertig ist ein für mich perfekter Nachtisch, der nicht nur wunderbar schmeckt, sondern auch großartiges Handwerk demonstriert.

Kürbis-Namandier, Orangensorbet, karamellisierter Brickteig, Kurkumazucker, Creme, Zitronenkaviar
Kürbis-Namandier, Orangensorbet, karamellisierter Brickteig, Kurkumazucker, Creme, Zitronenkaviar

Gleiches gilt auch für das abschließende Dessert, das zuvorderst ein Hingucker ist, denn das schlicht in schwarz-weiß gehaltene Törtchen besticht durch kunstvoll drapierte Baisertupfen auf einer luftigen Kokoscreme, die auf einem Schokoladen-Kaffee-Sablé platziert ist. Darin wiederum ist etwas flüssige Gianduja-Creme eingearbeitet. Schlicht und doch so komplex und ein würdiger Abschluss eines hervorragenden Menüs.

Mürbeteig-Tartelette mit Kaffee, Giandujacreme, Kokoscreme, Baisers
Mürbeteig-Tartelette mit Kaffee, Giandujacreme, Kokoscreme, Baisers

Zum Kaffee noch einige Petits Fours, darunter ein geeister Cappucchino, die das hohe Niveau halten.

Petits Fours
Petits Fours

Das war erneut ein ganz starkes Menü von Alexandre Bourdas. Sein Stil lässt sich schwer in eine Schublade einsortieren. Die Gerichte kommen oft sehr puristisch daher, wissen aber durch pointierte Würzung und den Einsatz von Kräutern zu überzeugen. Ab und zu hätte ich mir zwar eine klassische Sauce vorstellen können, aber letztlich haben dies auch die übrigen Zutaten und unerwarteten Kombinationen geschmacklich ausgleichen können. Ganz weit vorne ist die Patisserie im „SaQuaNa“. Erneut gehören die Desserts zum Besten, das ich in diesem Jahr an Süßspeisen auf dem Teller hatte.

Delphine Bourdas, die den weiblichen Service überaus charmant und aufmerksam dirigiert, ist eine sympathische Gastgeberin. Der Sommelier fällt hier leider etwas ab. Bei der Beschreibung der Vorlieben wählt er zielsicher in einem Preissegment, das deutlich zu hoch ist und erst auf explizite Nachfrage nach einem günstigeren Wein empfiehlt er einen Wein, der sich letztlich stilistisch ganz anders präsentiert. Trotz Bitten, langsamer zu sprechen, rattert er stereotyp seine Erläuterungen ab, so dass wir irgendwann etwas entnervt zustimmen. Weinberatung stelle ich mir etwas anders vor, vor allem, wenn man der Sprache nur bedingt mächtig ist.

Das ist aber auch schon der einzige Wermutstropfen unter einem ansonsten tollen Abend, der bereits beim Verlassen des Restaurants den Wunsch nach einer Wiederholung in mir aufkommen lässt.

Details

Restaurant: SaQuaNa
Adresse: 22 place Hamelin, 14600 Honfleur
Öffnungszeiten: Donnerstag - Sonntag: Mittags und Abends
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.alexandre-bourdas.com

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