Schorse, Hannover
Am 7. Februar 2023 in Deutschland | 2682 Aufrufe | 1 Kommentar
Neues Konzept im „Schorse“, neben dem besternten „Votum“ von Benjamin Gallein, das zweite Restaurant im Leineschloss, das auch den Landtag in Hannover beherbergt.
Es ist nicht so, dass nicht auch das bisherige muntere Crossover-Programm schlecht gewesen wäre oder es uns dort nicht gefallen hätte. Indes war das Angebot vielleicht etwas austauschbar und ohne die ganz klare Linie.
Die kommt jetzt mit Maik Neumann, einem Koch mit beachtlicher Laufbahn, die unter anderem so feine Adressen wie das Hamburger „Louis C. Jacob“, das legendäre Dreisterne-Restaurant „Waldhotel Sonnora“ oder das bestbewertete Restaurant Ostdeutschlands, das „Falco“ in Leipzig aufweist. Dort, beim hoch- und wild-kreativen Peter-Maria Schnurr kreuzten sich auch die Wege von Gallein und Neumann. Es folgten mehr als 10 Jahre, davon sieben Jahre als Küchenchef im mit einem Michelinstern ausgezeichneten „Bembergs Häuschen“ in Euskirchen.
Nun also Hannover, wo Maik Neumann eine Idee umsetzen kann, für die er schon lange brennt. Französische Küche mit englischem Service – will heißen, auch mit Gerichten, die vom Wagen kommen und am Tisch tranchiert oder vollendet werden. Eine Karte, die sich ausschließlich Brasserie-Klassikern widmet, gibt es in dieser Form in der Tat in der Stadt bisher nicht und es scheint, als würde das Publikum es annehmen. An den beiden Abenden, die wir das „Schorse“ besuchten, war das Restaurant nahezu ausgebucht.
Dieses neue Konzept bringt auch ein Wiedersehen mit sich, über das ich mich extrem freue, auch wenn es gleichzeitig mit einem weinenden Auge verbunden ist. Maik Neumann hat seine Lebensgefährtin Luise Volkert mit nach Hannover gebracht. Luise kennen wir seit vielen Jahren aus „Essers Gasthaus“ in Köln, was dort quasi unser zweites Wohnzimmer ist. Dort war sie an der Seite von Iris Giessauf als Gastgeberin und Sommelière die zweite Seele des Hauses und wird dort seitdem schmerzlich vermisst.
Was also hat die Küche nun zu bieten? Alleine die Tatsache, dass es klassische Pastete und Galantine vom Wagen gibt, also handwerklich anspruchsvolle Gerichte, begeistert mich schon mal.
Die Kalbfleischpastete mit Bries ist gut gewürzt, auch der Teig und das Gelee sind gut gelungen. Indes ist die Struktur etwas zu grob geraten. Maik Neumann nimmt das Feedback an und beim zweiten Besuch lässt bereits der Blick auf die Pastete eine deutlich feinere und homogenere Konsistenz erkennen. Hier wurde definitiv nachjustiert.
Als Begleitung, auch für die zweite Vorspeise vom Wagen, dient Endiviensalat, der mit einer cremigen Vinaigrette mit getrockneten Tomaten angemacht wird. Dazu passt auch die sehr gute, leicht säuerliche Cumberlandsauce.
Schön gearbeitet auch die Galantine vom Saibling mit Spinatmoussekern. Das ist leicht und frisch und passt ebenfalls sehr gut zur Salatbeilage.
Die Bouillabaisse nach eigener Art kommt ohne Einlage aus, bringt aber dafür einen typischen kräftig, würzigen Geschmack mit. Die Beilagen dazu sind ganz klassisch Rouille, die ausgesprochen gut gerät, Röstbrot und Käse. Mehr braucht es nicht für eine sehr gute Version.
Bei diesem ersten Besuch lassen wir die Hauptspeisen vom Wagen aus und widmen uns zwei Gerichten, die wie kaum andere für die französisch bürgerliche Küche stehen.
Das Boeuf Bourgignon überzeugt mit zartem Fleisch, kräftiger Sauce, gut gegarten Karotten und Schwarzwurzeln sowie lecker-luftigen Kartoffelplätzchen.
Für den Coq au Vin, eines meiner absoluten Lieblingsgerichte, muss ich zugeben, dass ich gerade auch in dieser Stadt eine persönliche Benchmark habe, die nur schwer zu erreichen sein dürfte. Kochlegende Dieter Biesler, der über lange Jahre bis zum Ruhestand „Bieslers Weinstube“ betrieb, bot immer und auch nur donnerstags diesen Klassiker an. Und obwohl es die Weinstube seit 2009 nicht mehr gibt, kann ich mich nicht erinnern, jemals wieder einen besseren Coq au Vin gegessen zu haben.
Nun weiß Maik Neumann das alles zum Glück nicht und kann ganz unbelastet seine eigene Version präsentieren, bei der die Keule geschmort und die Brust gebraten wird. Eine kluge Entscheidung, die den unterschiedlichen Gargraden besser gerecht wird, als wenn alles in einem Topf geschmort wird. Perlzwiebeln, Champignons und Speck komplettieren ganz typisch dieses Gericht, das auch eine schöne Estragonnote aufweist. Das kommt nicht an die Feinheit der Biesler-Version heran, ist aber auch köstlich, deftig und reichhaltig.
Und genau deshalb reicht es an diesem Abend auch nur noch für zwei Kugeln Eis. Sowohl das cremige Quittensorbet mit ausgeprägt fruchtigem Geschmack als auch das sehr schmelzige Nussbuttereis mit schöner Note von brauner Butter sind dafür von ausgesuchter Qualität.
Beim Zweitbesuch wählen wir zwei weitere Klassiker aus dem Vorspeisenprogramm. Das Rindertatar kommt gut gewürzt auf Röstbrot mit gratiniertem Knochenmark. Mein Kardiologe springt jetzt vermutlich zwar im Karree, aber es hilft nichts: Das Mark auf gutem Brot, das es hier ohnehin gibt, ist jede Sünde wert und passt einfach prima zum Tatar.
Findet man heute überhaupt noch Schnecken auf Karten, wirken sie wie ein Relikt aus den Achtziger Jahren mit ihrer dominant prägnanten Knoblauchnote. Maik Neumann löst sie bereits aus und gratiniert sie mit einer deutlich zurückhaltenderen Café de Paris-Butter. Das gibt ihnen immer noch genug Geschmack, hat aber nicht mehr so eine penetrante Note wie oft erlebt.
Heute Abend entscheiden wir uns auch für eines der Gerichte für zwei Personen, das dann vom Service am Wagen komplettiert wird. Das Chateaubriand ist durchgehend medium gegart, hätte allerdings etwas mehr Ruhezeit vertragen können, denn auf dem Teller breitet sich schnell etwas Fleischsaft aus. Das ist aber nur ein minimaler Makel, denn das Fleisch ist ansonsten auf den Punkt, das begleitende Schwarzwurzelgemüse cremig und ausgesprochen köstlich, wie es auch die etwas rustikale Schalottenrotweinsauce ist. Besonders hervorheben möchte ich aber vor allem das separat servierte Kartoffelgratin. Das ist einfach nur top und komplettiert ein durch und durch gut gelungenes klassisches Gericht.
Da wir uns heute auf drei Gänge beschränken, ist auch noch genug Platz für ein Dessert. Die Baba au Rhum ist unglaublich saftig und köstlich getränkt, allerdings nicht alkohollastig. Die Sahne ist ebenfalls aromatisiert und macht dies zu einem perfekten Löffelvergnügen.
Ich habe mehr Lust auf Käse und freue mich über die zwar überschaubare, aber mit Sorten vom Erlanger Meister-Affineur Waltmann kenntnisreich zusammengestellte und perfekt gereifte Auswahl.
Es freut mich zu sehen, dass das neue Konzept in Hannover offenbar angenommen wird. Die französischen Klassiker in guter Ausführung zu erleben, macht Spaß und auch die Aktion am Gast ist für Hannover eine schöne Bereicherung. Erfreulich ist zu sehen, wie schnell auch in kurzer Zeit an Stellschrauben gedreht wurde, um kleine Mängel, die so kurz nach Beginn vielleicht normal sind, abzustellen. Maik Neumann hat hier auf Feedback sehr souverän reagiert und das zeichnet einen guten Koch eben auch aus.
Mit Luise Volkert hat Hannover eine Gastgeberin gewonnen, die Service mit unaufdringlichem, aber präsentem Charme versieht. Der Weinkarte hat sie bereits ihren Stempel aufgedrückt, indem sie den Anteil biologisch und naturnah hergestellter Weine ausgebaut hat. Aber auch für konventionelle Trinker, wie wir es sind, hält sie ausreichend Optionen bereit.
Wir freuen uns jedenfalls, dass sie jetzt in Hannover ist. Aber dass wir aufgrund unserer langjährigen Freundschaft ohnehin etwas befangen sind, habe ich ja bereits angedeutet.
Unabhängig davon hat das „Schorse“ mit dem neuen Konzept an Profil gewonnen. Als Liebhaber klassisch französischer Küche haben wir nun eine neue feste Adresse.
Details
Restaurant: | Schorse |
Adresse: | Hannah-Arendt-Platz 1, 30159 Hannover |
Öffnungszeiten: | Montag: 12:00 – 14:30 Uhr Dienstag – Samstag: 12:00 – 14:30 Uhr und 17:30 – 21:30 Uhr Sonntag: Ruhetag |
Website: | www.schorse-im-leineschloss.de/ |
Schlagworte
Brasserie, französisch, Hannover, klassisch, Landtag, Luise Volkert, Maik Neumann, Schorse
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Großartig! Und ich kenne eine Frau, die da jetzt unbedingt hinwill! Galantine und Pastete alleine würden mich dahin locken! Und der Markknochen…und, und, und… 🙂