Sinne, Amsterdam
Am 11. Februar 2018 in Niederlande | 6381 Aufrufe | 1 Kommentar
Wenn wir unterwegs sind, mischen wir gerne neue Adressen mit Bekanntem. So haben wir es auch bei unserem letzten Amsterdam-Besuch gehalten. Im „Sinne“ waren wir bereits vor zwei Jahren und hatten dort einen sehr angenehmen und relaxten Abend, wozu neben der kreativen Küche des Schweden Alexander Ioannou seinerzeit auch der sympathische Service beigetragen hatte. Zudem hat das Restaurant den Vorteil, auch sonntags abends geöffnet zu haben. Man tut gut daran zu reservieren, denn wie beim letzten Mal ist es auch heute ausgebucht.
Die Preise sind für ein Michelin besterntes Haus weiterhin sehr günstig. Man wählt von 3 Gängen (39 Euro) bis zu 8 Gängen (88 Euro). Wir entscheiden uns heute für sechs Gänge.
Zu Beginn serviert die Küche zwei Grüße, einmal ein schwarzes Teigbällchen mit Pilzen und im Cocktailglas Kartoffelwürfel, die mit einem Schaum von BBQ Kastanie bedeckt sind. Das hat eine leichte Schärfe, ist würzig, erdig und lecker.
Im ersten Gang startet mein Mann mit einer marinierten Auster, die durch eine Zitrusvinaigrette, Rettich und Blutorange scharfe und säuerlich frische Noten bekommt. Das ist bereits sehr präzise abgestimmt, aber besonders gefällt mir an diesem Gang das Reisknusperblatt mit seiner etwas undefinierbaren Würzung. In meinen Notizen findet sich hierzu allerdings der Vermerk „sehr geil“…
Ich starte vegetarisch und freue mich darüber, wie kreativ hier Kohlrabi in Szene gesetzt wird. Auch hier stimmt wieder alles. Erdigkeit durch Pilze, Textur durch getrocknete Grünkohlblätter, eine geräucherte Jus gibt Tiefe und eine mit Raucharomen versetzte Mayonnaise steuert als verbindendes Element Süffigkeit bei. Abwechslungsreich und geschmackvoll.
Optisch beeindruckend präsentiert sich der zweite Gang – auch wenn ich aufgrund der Farbgebung des Gerichts die Befürchtung habe, dass die Foie Gras geschmacklich eher eindimensional sein könnte. Der erste Bissen belehrt mich schnell eines besseren. Die Foie Gras kommt als Terrine und darüber als Mousse, die in ihrer Leichtigkeit eher an ein Espuma erinnert. Macadamia liefert Crunch und am Boden, zunächst nicht sichtbar, kommen durch Kumquats bittere und fruchtige Akzente. Etwas Kaffeestaub rundet das Ganze ab – und ich denke nur: Wow! Was für eine originelle Komposition und Ausführung. In einem spontanen Anflug landet das Gericht bei mir in den Jahres Top 10. Es hat gute Chancen, dort auch zu bleiben.
Mit einem Signature Dish von Alexander Ioannou geht es weiter. Den Sellerie vom Grill mit Eigelb, einer Hollandaise als Espuma und am Tisch geriebenem Trüffel hatten wir auch bei unserem ersten Besuch. Und erneut ist dies eine Kombination, die einfach gut funktioniert und in der alle Komponenten harmonisch ineinander greifen. Das ist Soul- und Comfortfood vom Feinsten und zu Recht hat dieser Gang einen Dauerplatz auf der Speisekarte.
Danach hat es der Fischgang etwas schwer, aber der Skrei ist nicht schlecht. Perfekt gegart mit Topinambur in knuspriger Form und als Creme, dazu Bonitoflocken und eine süffig, schaumige Sauce auf Dashibasis. Etwas dominant empfinde ich die Kräuter, aber insgesamt ist auch dies ein guter Gang.
Das australische Short Rib ist butterweich gegart und erinnert in der Konsistenz fast an Pulled Beef. Schön dazu die Minicrumbles. Zusammen mit der intensiven Jus, die einen süßen Touch hat und mit der deutlichen Sternanisnote ist das ein durchaus winterliches Gericht. Dazu passen auch die Gemüsebeilagen aus Karotte, Chicoree, Grünkohl und Buchenpilzen.
Als Pré-Dessert folgt ein Schälchen mit Sticky Rice und Mango. Allerdings ist diese Version deutlich modernisierter. Der Reis kommt erneut als Espuma und in gepuffter Form. Ein deutlicher Ton von Zitronenblättern ist schmeckbar, das angekündigte Basilikumpuder hingegen nicht. Trotzdem ein schöner Übergang zu den Desserts, bei dem wir uns wieder für unterschiedliche Gerichte entscheiden.
Für mich wird es eher fruchtig. Vanillequark und ein Sorbet von Karotten und Orangen sind mit einer Aprikosenjus und getrocknetem Fenchel kombiniert. Das ist harmonisch und erfrischend. Gefällt mir sehr gut.
Für meinen Mann darf es gerne wieder schokoladig werden. Die Form mit dem Sinne-Logo ist mit Karamellmousse gefüllt, die Schokolade mit Nougat gefüllt, dazu ein Haselnuss-Pralineneis. Etwas Zitrusgel liefert Säure und sorgt dafür, dass etwas Leichtigkeit ins Gericht kommt.
Beim letzten Besuch hatte ich festgestellt, dass die meisten Gerichte zwar harmonisch komponiert waren und gut geschmeckt hatten, aber vor allem durch ein Übermaß an Komponenten auffielen. Das führte dazu, dass der Fischgang für mich seinerzeit massiv abfiel und komplett aus dem Gleichgewicht rutschte.
Auch dieses Mal waren die Teller alles andere als puristisch zu nennen, aber ich hatte den Eindruck, dass alles einen ganzen Tick fokussierter war und die Gerichte noch klarer strukturiert waren.
Das Menü war eindeutig auf Sterneniveau und hatte mit dem Sellerie, aber mehr noch mit der Foie Gras herausragende Gänge, die ich noch höher einstufen würde.
Es ist selten, dass ein Zweitbesuch mich noch mehr begeistern kann als der erste Besuch. Hier ist dies gelungen. Und damit haben wir ein Problem. Denn mittlerweile gibt es kaum noch ein Restaurant in Amsterdam, das wir nicht unbedingt wieder besuchen würden. Das „Sinne“ gehört nach diesem Abend eindeutig dazu.
Details
Restaurant: | Sinne |
Adresse: | Ceintuurbaan 342, 1072 GP Amsterdam |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag 18.00 - 21.00 Uhr Sonntag 12.00 - 15.00 Uhr und 18.00 - 21.00 Uhr Montag und Dienstag Ruhetag |
Website: | www.restaurantsinne.nl |
Schlagworte
Alexander Ioannou, Amsterdam, Casual Fine Dining, kreativ, Michelin, Sinne
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Wunderbar, wenn die Erwartung nicht enttäuscht, sondern gar übertroffen wird. Wieder sehr mollige Gänge, die aber gerade nicht schwer waren.