Titus im Röhrbein, Hannover
Am 7. April 2022 in Deutschland | 2391 Aufrufe | 1 Kommentar
Mehr als ein Vierteljahrhundert konnte Dieter Grubert sein kleines, aber feines Restaurant im Hannoverschen Stadtteil Döhren seine Heimat nennen. Auch davor war es bereits Pilgerziel für Feinschmecker, als es Joachim Sterns „Etoile“ beherbergte. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass dieser Ort über lange Zeit eine Institution in der Landeshauptstadt war.
Mittlerweile hat der Bagger das Haus dem Erdboden gleich gemacht und Dieter Grubert, mittlerweile immerhin auch schon 65 Jahre alt, hat mit dem „Röhrbein“, unweit des Hauptbahnhofs und damit in ungleich zentralerer Lage, eine neue Location gefunden und sich voller Elan dem Neustart gestellt. Obwohl an neuer Stelle auch die Anzahl der Plätze gestiegen ist, steht Grubert weiterhin alleine in der Küche. Von Altersmüdigkeit keine Spur.
Im Service unterstützen ihn seit langem souverän Pascalé Pietruschka und Hanno Lattwesen, der heute alleine zuständig ist.
Konzeptionell hat sich nichts verändert. Es gibt zwei Menüs in vier bzw. sechs Gängen (78€ / 108€), die sich in der Vorspeise und einen Käsegang unterscheiden.
Schon mit dem Gruß aus der Küche zeigt Dieter Grubert, was seine Küche auszeichnet.
Die pochierte Auster kriegt gleich einen ganzen Strauß von Begleitern. Safrangelee, Lachskaviar, Papaya, ein hauchdünner Kartoffelpuffer und Blumenkohlpüree sorgen für eine wilde Karussellfahrt im Mund. Vor allem das Blumenkohlpüree ist mir schlichtweg zu massig und zu viel. Mit angepassteren Proportionen hätte dies besser gepasst. Und eigentlich hätte es das Püree für mich nicht zwingend gebraucht, weil auch die übrigen Komponenten alleine ausreichend fruchtige und säuerliche Akzente gesetzt hätten.
Mit der im Tässchen servierten Tom Ka Ghai gibt es quasi das Kontrastprogramm, denn das Süppchen kommt ganz pur aus, dafür mit fein austarierter Würze und mit angenehmer Schärfe.
Den Auftakt im Menü macht die gebratene Gänsestopfleber. Sie gehört in unterschiedlichen Kombinationen zu den Konstanten in Grubers Küche. Heute kommt sie in einem relativ süßen Kontext mit Vanilleapfel und einer Schmandtorte. Meine Leber ist zwar etwas sehnig, aber noch im Rahmen und auf jeden Fall ausgezeichnet gebraten. Purple Curry-Schmelze gibt einen dezenten Twist in einem stimmigen und klassischen Gesamtbild.
Mit exzellent gegartem Skrei auf Fregola geht es weiter. Der Fisch blättert wunderbar auf, Spargelscheibchen und Stücke vom Kaisergranat umschmeicheln den Fisch zusammen mit einer leichten, nicht zu intensiven Langustinenvelouté. Einen schönen Effekt gibt der fein gehobelte, rohe Spargel auf dem Fisch.
Das ist sehr konzentriert und auf den Punkt konzipiert, nicht überladen und ausgesprochen geschmackvoll.
Im Gegensatz zu diesem sehr harmonisch angelegten Gang präsentiert sich der folgende Teller deutlich ungewöhnlicher. Die Jakobsmuschel, die Dieter Grubert zusammen mit dem Corail serviert, ist eingefasst von zwei Stücken knusprig gebratenem Kalbsbries. Schnippelbohnen und Lauch geben diesen feinen Zutaten ein fast schon aufreizend rustikal-bürgerliches Fundament, während Physalis den fruchtigen Akzent beisteuert, der allerdings eher zurückhaltend bleibt. Dafür überrascht die prägnante Rote Curry-Sauce mit einem unerwartet säuerlichen Touch. In Summe ein durchaus forderndes Gericht.
Von den Zutaten wieder deutlich reduzierter wird es im Hauptgang und doch versteht es Grubert, auch hier zu verblüffen. Denn statt eines Stücks Fleisch, wie man es erwarten könnte, präsentiert er eine stattliche Praline vom Milchzicklein mit Foie Gras-Kern. Die Farce aus der Schulter und dem Rücken ist mit Schafskäse abgestimmt und bringt eine Menge Geschmack mit. Kohlrabi-Spaghetti, Bärlauch-Kartoffelpüree und eine feine Morchelsauce bringen den nahenden Frühling auf den Teller. Gut, dass der Saucenlöffel noch rechtzeitig kam. Es wäre schade drum gewesen. Ein starker, aromatischer Gang.
Die Käseauswahl stammt vom Rheingau Affineur und braucht keine weiteren Bearbeitungen, denn die Sorten sind bereits originell und außergewöhnlich genug. Frischkäse mit Pistazien, zweierlei Allgäuer Bergkäse mit Trester und Apfelwein affiniert und vor allem der Blauschimmel mit Kakao und Lakritz sind für sich genommen so überzeugend, dass sie eigentlich keine Begleiter bräuchten. Grubert gibt ihnen dennoch ein Dattel-Feigen-Kompott zur Seite, das auch gut passt.
Das Menü endet mit einer sehr freien Interpretation des Pfirsich Melba. Unter einer abgeflämmten Baiserhaube findet sich Grünteeeis, das nicht zu dominant ist und gut mit Rhabarber, Himbeeren und Knusperschichten harmoniert. Schlicht und einfach gut und lecker.
Dieter Grubert macht auch an neuem Standort da weiter, wo er an alter Wirkungsstätte aufgehört hatte. Seine Gerichte sind ideenreich, mitunter von überbordender Kreativität. Das kann dann auch einfach mal zu viel des Guten sein und vom Kern einer an sich guten Idee ablenken. Wirklich überzeugend ist seine Küche vor allem immer dann, wenn sie sich eher etwas zurücknimmt. Der Skrei, für mich der überzeugendste Gang des Abends, ist hierfür ein gutes Beispiel. Klassik beherrscht Grubert aus dem Effeff. Ob Stopfleber oder Soufflé – hier macht dem Altmeister niemand etwas vor. Und es ist wohl auch genau diese Mischung aus Tradition und kreativen Ideen, die die Gäste hier so schätzen. Dieter Grubert bedient Beliebtes, steht aber auch nicht still.
Die Weinkarte, mittlerweile überwiegend mit deutschem Schwerpunkt, bietet eine erfreuliche Anzahl zwar einfacherer, aber dafür auch günstiger Qualitäten. Im Mittelbereich dürfte die Auswahl etwas größer sein, aber man wird auch so fündig.
Der Umzug in die Innenstadt ist Dieter Grubert offensichtlich gut bekommen. Das Restaurant ist häufig ausgebucht, so dass es für uns einige Anläufe brauchte, bis es endlich mal wieder mit einem Besuch klappte. Das freut uns sehr, denn auch, wenn sich in der Stadt mittlerweile einiges kulinarisch tut, würde uns etwas fehlen, wenn es das „Titus“ nicht gäbe.
Details
Restaurant: | Titus im Röhrbein |
Adresse: | Joachimstraße 6, 30159 Hannover |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: ab 18.00 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.restaurant-titus.com |
Schlagworte
Dieter Grubert, Hannover, kreativ, neue deutsche Küche, Röhrbein, Titus
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