Waldhotel Sonnora, Dreis

Viermal waren wir bisher im „Sonnora“. Gar nicht besonders häufig also, wenn man bedenkt, dass der erste Besuch Anfang der Neunziger Jahre gewesen sein muss. Vielleicht auch Ende der Achtziger. So genau erinnere ich das nicht mehr. Allerdings schon an das erste Ambiente, das noch etwas den Charme eines zwar vornehmen, aber doch rustikalen Hauses mit klassischen Perserteppichen auf groben Bodenfliesen atmete, bevor danach klassische Eleganz Einzug hielt, die dem Niveau der zu dem Zeitpunkt bereits hoch bewerteten Küche deutlich angemessener war.

Nach dem plötzlichen Tod von Helmuth Thieltges, der das Haus zu höchsten Ehren geführt hat, stand schnell die Entscheidung fest, dass Clemens Rambichler, sein langjähriger Sous-Chef, die Küche weiterführen würde. Mit seiner Partnerin Magdalena Brandstätter, mittlerweile sind beide auch verheiratet, fasste er dann im vergangenen Jahr die Entscheidung, das Haus komplett zu übernehmen und einer vollständigen Renovierung zu unterziehen. So erleben wir das „Waldhotel Sonnora“ im Februar 2022 bei allerbestem Sonnenschein nun runderneuert sowohl im Hotelzimmer als auch in den Restaurant- und Barräumen. Klassisch ist es noch immer, aber eben auch deutlich aufgehellt und frischer. Und in gewisser Weise steht das auch symptomatisch für das, was aus der Küche geschickt wird.

Interieur
Interieur

Wie schon zu Zeiten von Helmut Thieltges, erlaubt man sich auch weiterhin den Luxus zusätzlich zu einem gesetzten Menü eine umfangreiche À la Carte-Auswahl anzubieten. Das Menü, mit Aufpreis-Optionen bei Vorspeise und Hauptgang, ist übrigens bei acht Gängen mit 248 Euro mehr als fair kalkuliert. Erst recht, wenn man es im internationalen Vergleich betrachtet. Dass man mittlerweile auch die schon legendäre Torte vom Rindertatar mit Kaviar optional im Menü bestellen kann, war sicher eine der geschicktesten Entscheidungen, denn das Menü bietet noch immer die beste Möglichkeit, sich einen Überblick über die Küche zu machen und an feinsten Zutaten wird auch hier nicht gespart.

Als sollte bereits der erste Gruß den Soundtrack für das neue Ambiente spielen, begeistert die Stabmuschel mit Blumenkohlcreme und Zitrusvinaigrette mit Top-Frische und fein ausbalancierter Säure.

Apéro
Apéro

Auch das Kalbstatar mit Kaviar in der Tartelette kommt mit minimaler Senfschärfe, Kühle und feiner Eleganz.

Apéro
Apéro

Zu den unverrückbaren Traditionen im „Sonnora“ gehört ein dreiteiliges Amuse Bouche. Und ich kann mich nicht erinnern, es jemals überzeugender erlebt zu haben. Ob es die bereits vorgeschnittene Auster mit Osietra-Kaviar und Champagnervinaigrette, der Label Rouge Lachs mit Wasabi-Eis oder der Taschenkrebssalat mit grünem Apfel und Schmandmousse ist – es sind sowohl die fabelhaften Qualitäten als auch die subtil austarierten Aromen, die viel Spaß machen. Kühle, jodige Frische der Auster, elegant eingesetzte Schärfe im Wasabi-Eis und die pointiert bemessene Minze beim Taschenkrebs zeugen von viel Fingerspitzengefühl und großer Klasse.

Amuse Bouche Trilogie
Amuse Bouche Trilogie

Das Menü beginnt regulär mit einer Terrine von Gänseleber, in die mittig eine Schicht von Walnüssen gearbeitet ist. Zum perfekten Schmelz der Terrine bringt das zum einen natürlich einen schönen Crunch, aber auch eine aromatisch gut passende Erweiterung. Frische Kontraste bieten dazu Segmente von grünem Apfel sowie eine cremige Vinaigrette auf Basis von Apfel, Muskateller und Champagneressig. Auch das Eis von Apfel und Sellerie trägt dazu bei, dass dies ein von jeglicher Schwere befreites Foie Gras-Gericht ist, ausbalanciert und sehr elegant.

In Eiswein marinierte Gänseleber mit Walnüssen und geeistem Staudensellerie, auf Creme von Apfel, gelbem Muskateller und Champagneressig
In Eiswein marinierte Gänseleber mit Walnüssen und geeistem Staudensellerie, auf Creme von Apfel, gelbem Muskateller und Champagneressig

Optional gegen Aufpreis – oder eben auch zusätzlich – gibt es die Möglichkeit, die Torte von Rindertatar mit Kaviar auf Rösti zu wählen. Wir haben diesen Klassiker, der vermutlich häufiger abgelichtet wurde als die meisten anderen Gerichte, heute zum ersten Mal auf dem Teller. Sicher, zu Hause haben wir das schon ein paar Mal versucht, aber alleine die fluffige und dennoch knusprige Konsistenz des Rösti lassen mich im Nachhinein noch schamvoll erröten. Hier stimmt alles: die perfekten Proportionen, die feinen Aromen. Zu Recht ein Klassiker und in seiner zeitlosen Schönheit vielleicht noch vergleichbar mit Dieter Kaufmanns legendärem Störparfait mit Kaviar.

Kleine Torte vom Rindertatar mit N 25 Caviar-Selection Sonnora auf Kartoffelrösti
Kleine Torte vom Rindertatar mit N 25 Caviar-Selection Sonnora auf Kartoffelrösti

Ausgezeichnet auch die Medaillons vom bretonischen Hummer. Andere Qualitäten kämen Clemens Rambichler auch gar nicht ins Haus. Er gibt ihnen mit Flugmango von außergewöhnlicher Güte eine fruchtige Erweiterung und mit ganz zart angegartem und rohem Kopfsalat ein mild-säuerliches Element an die Seite. Umspielt wird das Ganze von einer Limonen-Butter-Sauce, die eine prägnante Säure mitbringt. Ganz fabelhaft.

Medaillons vom bretonischen Hummer mit Mango "Par Avion" auf Limonen-Butter-Sauce "Beurre Bordier"
Medaillons vom bretonischen Hummer mit Mango "Par Avion" auf Limonen-Butter-Sauce "Beurre Bordier"

Aromatisch legt die Küche mit der Wachtel einen deutlichen Gang zu. Während die Brust zart gegart ist wurde die Keule paniert. Alles ist mit Trüffel reichlich bedeckt und erhält eine cremige Sauce auf Basis von Vin Jaune, dazu Lauch, Buchenpilze und Topinamburcreme. Das vereint pure Opulenz mit süffiger Eleganz, ist kräftig, aber nicht dominierend. Erneut sehr überzeugend.

Suprême von der Wachtel aus den Vogesen mit Topinambur, Vin Jaune und schwarzem Trüffel aus dem Périgord
Suprême von der Wachtel aus den Vogesen mit Topinambur, Vin Jaune und schwarzem Trüffel aus dem Périgord

Nicht weniger üppig, aber aromatisch etwas leiser als die bisherigen Gänge, kommt der Steinbutt daher. Er ist mit Scheiben von Jakobsmuscheln und Imperial Gold Kaviar belegt. Mit Blattspinat und einer fülligen Sauce auf Basis von altem Riesling ergibt sich ein Gesamtbild, in dem sich alles harmonisch zusammenfügt.

Steinbutt aus La Rochelle und Scheiben von Jakobsmuschel, mariniert mit Sud aus kleinen Champignons und Petersilie mit Nage von alter Riesling Auslese "1992"
Steinbutt aus La Rochelle und Scheiben von Jakobsmuschel, mariniert mit Sud aus kleinen Champignons und Petersilie mit Nage von alter Riesling Auslese "1992"

Im Hauptgang gibt es Limousin-Lamm und als der Teller an den Tisch kommt, betört als erstes der Duft. Intensive mediterrane Aromen, zum einen vom fabelhaften Gemüse aus Artischocken, Spitzpaprika und Bohnenkernen, zum anderen von der vielschichtigen Jus aus Kalbskopf, Lammzunge und getrockneten Tomaten, aber natürlich auch vom exzellenten Karree mit seiner tollen Kruste umspielen die Nase. Beim Blick auf den Teller meines Mannes fange ich an zu stutzen, denn irgend etwas scheint anders und dann fällt mir auf, dass bei mir das Rückenstück fehlt.

Ich reklamiere das und Maik Treis, der Restaurantleiter, erkundigt sich in der Küche natürlich, wo sich der Fehler zwar nicht auflöst, dafür bietet er uns einen Nachschlag vom Karree an. Nicht, dass unsere Erscheinung oder die bisherigen Mengen darauf hindeuten würden, dass wir ausgehungert wären, nehmen wir das trotzdem gerne an. Dazu ist das Fleisch einfach zu ausgezeichnet. Das fehlende Stück lässt sich leicht verschmerzen, denn das Karree mit seiner feinen Fettschicht ist ohnehin das aromatischere und für mich schmackhaftere Stück vom Lamm.

In Summe bleibt ein ganz fabelhafter Hauptgang, der virtuos mit Mittelmeerassoziationen spielt.

Carrée und Rücken vom Limousin Lamm auf Jus von Kalbskopf, Lammzunge und getrockneten Tomaten mit Gartenkräuter-Hollandaise
Carrée und Rücken vom Limousin Lamm auf Jus von Kalbskopf, Lammzunge und getrockneten Tomaten mit Gartenkräuter-Hollandaise

Ein Essen im „Sonnora“ ohne Käsewagen? Undenkbar. Gerade die Granden der Spitzengastronomie, ob hier in der Eifel oder in Baiersbronn, halten unbeirrt daran fest, dass Käsekultur untrennbar mit einem ausgezeichneten Menü verbunden ist. Und wir als Gäste lieben und wertschätzen das. Hier stammt die umfangreiche Auswahl von der Erlanger Käseinstitution Waltmann und ist selbstverständlich perfekt gepflegt und gereift.

Feine Rohmilch-Käse-Auswahl vom Wagen, Maître Affineur Waltmann
Feine Rohmilch-Käse-Auswahl vom Wagen, Maître Affineur Waltmann

Den Einstieg in den süßen Teil des Menüs markiert, in einer ausgehöhlten Blutorange serviert, Sorbet von eben jener sowie mit Sternanis aromatisierter Salat von der Orange. Vanilleeis und Schaum von der Tahiti-Vanille sowie noch diverse texturelle Elemente machen dies zu einem super erfrischenden Dessert mit wunderbar abgestimmter leicht exotischer Note.

Erfrischende Tarocco Blutorange mit Sternanis aromatisiert "Miniature"
Erfrischende Tarocco Blutorange mit Sternanis aromatisiert "Miniature"

Und exotisch wird es auch mit dem Hauptdessert, in dessen Mittelpunkt ein Topfensoufflé steht. Begleitet ist es von diversen Früchten, darunter Ananas, Mango und Kokos, in diversen Strukturen. Das ist so aufwändig gearbeitet wie der Gewürzsud von geschmacklicher Tiefe.

Als kühle Ergänzung  gibt es separat auf Mangostücken ein Eis von Kokos und Mango mit einem Schaum von Pina Colada.

Ein perfektes Spiel mit Exotik, klasse Patisserie-Handwerk und ein erfreulich leichter Abschluss nach einem durchaus üppigen Menü.

Doch damit gibt sich die Patisserie natürlich nicht zufrieden und schickt neben einem Nachdessert um Kaffee noch eine Parade von feinst gearbeiteten Petit Fours, Pralinen, Beignets, vor denen wir dann aber doch auf halber Strecke die Segel streichen müssen. Ein Teil wird uns dafür am nächsten Tag noch Freude machen.

Petit Fours
Petit Fours

Zugegeben, unser letzter Besuch im „Waldhotel Sonnora“ ist lange her gewesen, noch zu Zeiten von Helmut Thieltges. Auch seinerzeit war das Essen nicht schlecht, aber ich war ein wenig enttäuscht vom gefühlten Stillstand der Küche auf hohem Niveau. Eine Makkaroni-Charlotte, die zwar perfekt gearbeitet war, die wir aber genau so auch schon Ewigkeiten vorher hatten, war sinnbildlich für eine verharrende Entwicklung, die sich auch den leisesten Modernisierungen konsequent verweigerte. Auch die Patisserie entsprach seinerzeit nicht dem, was ich von drei Sternen erwartet hätte.

Meine Besprechung hatte seinerzeit einige durchaus heftige Reaktionen zur Folge und mit Sicherheit war es nicht meine Absicht, das Denkmal Helmut Thieltges anzukratzen. Zu sehr sprachen der Erfolg und die einhellig begeisterten Kritiken für sich. Es war nur einfach, bei aller Begeisterung auch für klassischen Küchenstil, nicht mehr wirklich meiner.

Heute jedoch erleben wir eine traditionelle Küche, die offenbar nicht nur in den Räumlichkeiten eine Auffrischung erhalten hat, ohne den eigentlichen Charakter zu verleugnen.

Natürlich gibt es auch weiterhin die allgegenwärtigen Luxuszutaten, die man hier erwartet. Und Clemens Rambichler folgt auch weiter dem Credo seines Lehrmeisters, der seinerzeit sagte: „Ein Spitzenrestaurant muss ein Schlaraffenland sein. Wer mehrere Hundert Kilometer für ein Essen fährt, der soll auch etwas geboten kriegen“

Aber er hat es geschafft, den klassischen Gerichten, die die Gäste hier natürlich weiterhin erwarten, ein sehr zeitgemäßes Gewand zu geben, das Tradition und Moderne perfekt zusammenführt. Auch die Patisserie, selbst wenn viele Jahre her, für mich seinerzeit ein Schwachpunkt, hält das hohe Niveau mühelos. Eine durch und durch makellose Leistung, die gar nichts anderes als drei Sterne zulässt.

Das gilt auch für den Service, den Maik Treis souverän leitet und in dem auch Ulrike Thieltges noch eine entscheidende Rolle mitspielt, was eine schöne Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit schlägt. Magdalena Rambichler steht die Rolle als Gastgeberin ausgesprochen gut. Der Generationenwechsel im „Sonnora“ hätte erfolgreicher nicht verlaufen können.

Und auch wir sind wieder angekommen. Angekommen, um wiederzukommen.

Details

Restaurant: Waldhotel Sonnora
Adresse: Auf'm Eichelfeld 1, 54518 Dreis
Öffnungszeiten: Donnerstag: ab 19.00 Uhr
Freitag - Sonntag: mittags ab 12.00 Uhr, abends ab 19.00 Uhr
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.hotel-sonnora.de/

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Kommentare

  1. Carsten am 12. Mai, 2022 um 14:25 Uhr.

    Der liebe Thomas futtert sich durch die Klassiker von Herrn Thieltges und fühlt sich doch „modernisiert“ 🙂 Die Torte ist immer wieder eine absolute Augenweide!

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