[aend], Wien
Am 11. August 2020 in Österreich | 3567 Aufrufe | 1 Kommentar
An guten Köchen mangelt es in Österreich und vor allem in Wien wahrlich nicht, aber speziell dort ist schon auffällig, wie sehr vor allem Deutsche in der Szene ihren Platz gefunden haben und für die Hauptstadt Sterne einsammeln. Ob Silvio Nickol, Juan Amador oder eben der gebürtige Erfurter Fabian Günzel, der seit Februar 2018 im 6. Bezirk sein stylishes Restaurant mit offener Küche betreibt.
Günzel läuft der Ruf eines Cholerikers voraus. Wir erleben an diesem Abend einen freundlichen, sehr konzentriert und kontrolliert arbeitenden Chef mit einer sehr eingespielten und fokussierten Brigade. Es gibt ein Menü, das in einer größeren und reduzierteren Version (139€ / 119€) zu bestellen ist. Aufgelistet werden pro Gang immer nur zwei Hauptzutaten, was auf eine sehr reduzierte Küche schließen lässt. Bilder im Internet lassen jedoch den Eindruck entstehen, dass es nicht ganz so minimalistisch zugehen wird. Lassen wir uns also überraschen.
Empfangen werden wir von Simon Schubert, den wir noch aus dem „Mraz + Sohn“ kennen und der auch dort bereits ein Garant für spannende Weinbegleitungen war. Im „aend“ gibt er den Gastgeber und Sommelier gleichermaßen und versieht dies mit Umsicht und offensivem Charme.
Auf die Weinbegleitung verzichten wir dieses Mal und entscheiden uns für einen unserer Lieblingsweine aus dem Burgenland vom Weingut Heinrich und gehen dann noch auf einen offenen Roten über.
Zügig startet der Abend mit einer Paprikasuppe mit Galgant. Die ist fruchtig und intensiv, lediglich für meinen Geschmack etwas zu heiß angesichts der schweißtreibenden Temperaturen. Aber handwerklich ist das makellos.
Zwei weitere Happen folgen in recht schneller Folge, zum einen ein differenziert abgeschmecktes Tatar im Tartelette mit Artischockenchips und eine Auster mit Minze, die ganz untypisch den prägnanten Meeresgeschmack vermissen lässt, dafür mit einem fülligen Umami-Sud zu überzeugen weiß.
Zum warmen Sauerteigbrot gibt es ausgezeichnete gesalzene Butter. Angesichts der noch folgenden 11 Gänge ist hier aber Zurückhaltung angesagt.
In das eigentliche Menü starten wir relativ klassisch mit einer Gänseleberterrine, die von dünn gehobeltem Fenchel bedeckt ist. Der scheint jedoch mehr für eine knackige Textur zu sorgen, denn der sonst so typische Eigengeschmack ist kaum präsent. Mit den dazu gereichten Mandeln ergibt sich trotzdem ein rundes und harmonisches Bild.
In Variation des italienischen Pastaklassikers Cacio e Pepe kommt mit dem nächsten Gang ein veritabler Kracher auf den Tisch. Fabian Günzel ersetzt die Pasta durch fein geschnittene Sepie, die zart gegart sind und in einer wunderbaren cremig-würzigen Pecorinosauce baden und von Buchenpilzen begleitet sind. Ein absolutes Highlight, das uns entgangen wäre, wenn wir die kleinere Menüversion gewählt hätten.
Etwas weniger spektakulär, aber sehr mild und rund präsentiert sich der Seeteufel auf Wasserspinat und mit Kichererbsen. Dazu gibt es Holunderblüte und einen passenden Schaum sowie eine dunkle Sauce. Aus zwei Komponenten wird hier dann doch eine recht vielschichtige Angelegenheit.
Weiter geht es mit einem saftig gegarten Seesaibling in einer fabelhaften Kräuterseitlings-Velouté. Dazu setzen Tannenwipfel und Öl daraus elegante Akzente. Etwas Crunch durch einen Chip und Nüsse runden diesen süffigen und intensiven Gang wunderbar ab. Erneut ein großartiges Gericht! Dazu gibt uns Simon Schubert den Wein zum Probieren, den er an dieser Stelle in der Begleitung vorgesehen hat, einen 2009 Meursault von Fichet, der im direkten Vergleich zum Chardonnay vom Leithaberg eine spannende Alternative durchaus mit Parallelen darstellt.
Der folgende, in Stücken servierte Langostino ist für meinen Geschmack einen Tick zu weich gegart, was aber nicht allzu dramatisch ist. Allerdings fällt mir dieser Gang mit Miesmuscheln, Kirschtomaten und Shiso einfach etwas zu süßlich aus, um mich wirklich überzeugen zu können.
Optisch beeindruckend macht sich der folgende Gang mit ausgestochenen Kürbisscheiben auf Gnocchi. Ist der Kürbis etwas zu hart und geschmacksarm, sind mir die Gnocchi zu weich und laff. Der Ossietrakaviar ist gut, die angegossene Sauce angenehm zitrisch. Trotzdem will sich das nicht recht zusammenfügen. Im Vergleich zu den vorherigen, sehr starken Gängen fällt dies für mich etwas ab.
Viel Licht und ein wenig Schatten kennzeichnen auch den Fleischgang. Die Challans-Ente ist von ausgezeichneter Qualität und perfekt gegart, die Sauce dazu konzentriert und das Powidlpüree, also von Pflaumen, gut passend. Polarisierend hingegen das Aloe Vera-Gelee, das geschmacklich nicht viel beizusteuern hat und mit einer eher unangenehmen Konsistenz von uns fast als störend empfunden wird. Hier wäre ich mit einer anderen Komponente glücklicher gewesen.
Originell auch der Käsegang, der im „aend“ in Form eines Steam Buns, also eines gedämpften chinesischen Brötchens kommt, der mit Gorgonzola und recht dominanten Kirschen gefüllt ist.
Sehr erfrischend der Übergang zur süßen Abteilung mit einem Erdbeereis auf einem Kokosespuma und Kokosgranité.
Mit der Kombination aus Schokolade und süßlich eingekochter Rote Bete wird es naturgemäß etwas fülliger und herber. Das dazu gereichte Sauerrahmeis mit Mohn bringt viel Frische ins unkomplizierte Ensemble. Sehr gut.
Den Abschluss bildet eine Kombination aus aufgeschlagenem, gesüßten Eiweißschaum in der Eierschale sowie einem Käsekuchen mit üppiger Baiserhaube. Das ist zwar lecker, aber an dieser Stelle einfach zu großzügig portioniert, so dass wir auf halber Strecke kapitulieren.
Fabian Günzels Küche hat uns durch die Bank viel Spaß gemacht. Auch wenn es zwar einzelne Komponenten gab, die unseres Erachtens nicht hundertprozentig stimmig waren, war das Menü doch geprägt von einer sehr überzeugenden Stilistik, die sich klug reduziert und trotzdem komplex präsentierte. Dazu gab es mit dem Sepia- und dem Saiblingsgang zwei absolut prachtvolle Gerichte, die uns nachhaltig begeistert haben.
„aend“ bezeichnet zwar das verbindende Element zwischen zwei Komponenten. Dass dies trotzdem ein deutliches Understatement ist angesichts der Vielschichtigkeit in den Gerichten, macht einen Gutteil des Vergnügens aus. Denn was gibt es Schöneres, als sich regelmäßig überraschen zu lassen, weil die Erwartungshaltung eigentlich eine geringere ist?
Dazu gesellt sich eine durchgehend entspannte und lockere Atmosphäre, in der man sich als Gast ausgesprochen wohl fühlt. Zu der langen Liste von Restaurants in Wien, die wir immer gerne besuchen, hat sich auf jeden Fall mit dem „aend“ eine weitere Adresse gesellt.
Details
Restaurant: | [aend] |
Adresse: | Mollardgasse 76, 1060 Wien |
Öffnungszeiten: | Montag - Freitag: 12.00 - 15.00 Uhr & 19.00 - 23.00 Uhr Samstag, Sonntag, Feiertage: Ruhetag |
Website: | www.aend.at |
Schlagworte
aend, Fabian Günzel, kreativ, Michelin, Simon Schubert, Wien
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Na, da hast du aber eine feine Rezi serviert! Sepia wäre mein Favorit gewesen!