Alte Pfarrey, Neuleiningen (geschlossen)

Sommerurlaub 2023: Planung und Route stehen bereits seit Wochen, bis mir in den Sinn kam, dass man ja eigentlich auch schon einen Tag früher losfahren könnte. Also für die erste Station noch schnell nach einem Restaurant auf halber Strecke gesucht und Verfügbarkeiten gecheckt. Die „Alte Pfarrey“ in Neuleiningen, einem Ort in der nördlichen Pfalz nahe Bad Dürkheim, erfüllte alle Kriterien.

Das Hotel und Restaurant ist eingebettet in ein historisches Ensemble, das sich über mehrere alte Gebäude erstreckt. Silvio Lange und seine Frau Bettina Kissling-Lange, ebenfalls ausgebildete Köchin, waren bereits in 2006 in Neuleiningen, wechselten dann 2013 noch einmal in den Norden, um 2015 erneut in die „Alte Pfarrey“ zurückzukehren. Der Michelin-Stern, den man bereits 2008 erkocht hatte, ließ auch nach der Wiederkehr an den bekannten Ort nicht lange auf sich warten.

An diesem hochsommerlichen Abend ist auf der Terrasse mit wunderschönem Blick auf den Pfälzer Wald eingedeckt. Die Regentropfen, die sich zu den ersten Apéros auf dem Tisch breit machen und für kurzfristige Nervosität sorgen, verziehen sich schnell.

Das Tatar im Teigkörbchen ist würzig und kräftig abgeschmeckt, während das vegetarische Sushi arg weich und recht neutral ausfällt. Das wiederum macht der marinierte Kabeljau wett, der hart an der Salzgrenze, aber noch auf der akzeptablen Seite spielt.

Ausgezeichnet gerät das Amuse Bouche in Form von mariniertem Sellerie in Nudelform mit einer Pfälzer Praline. Beim Anschnitt offenbart sich, dass es sich hierbei wohl um Blutwurst und Saumagen in geschichteter Form handelt. Das ist handwerklich toll gemacht und gleichzeitig so kräftig wie lecker.

Der erste Gang präsentiert eine Variation von Gänseleber, wie ich sie in dieser Form schon lange nicht mehr auf dem Teller hatte. Gebraten auf Aprikosenkompott, eine als Diamant angekündigte Mousse, eine weitere Mousse ummantelt von weißer Schokolade sowie eine Crème brûlée. Abgesehen von der gebratenen Version ist mir das von den Konsistenzen alles sehr ähnlich, wenngleich durchaus schmackhaft. Den stärksten Eindruck hinterlässt hier auf jeden Fall die Crème brûlée. Wenn schon eine derartige Variation, die ja vor vielen, vielen Jahren sehr en vogue war, hätte ich mir durchaus noch eine klassische Terrine gewünscht.

Gänseleber | Aprikose | Vanillejus
Gänseleber | Aprikose | Vanillejus

Besonders neugierig bin ich auf die geeiste Hummersuppe. Kalte Suppen gehören ja vor allem im Sommer zu meinen absoluten Favorites, aber von Krustentieren hatte ich derartiges bisher noch nicht. Und in der Tat ist dies eine hoch aromatische und kräftige Bisque, die auch heiß große Freude gemacht hätte. Hier umspielt sie ein Tatar vom Hummer sowie kleine Melonenkügelchen. Getoppt wird das Ganze von einem Sorbet von Limelone, einer noch relativ jungen Honigmelonenart, die einen deutlichen Limettenton aufweist.

Für mich hätte die Suppe durchaus noch einen Tick kühler sein können. Ich glaube, die kräftige, reduzierte Bisque hätte das vertragen können, aber am Tisch gehen dazu die Meinungen auseinander. Nicht jedoch, dass dies fabelhaft schmeckt.

Geeiste Hummersuppe | marinierter Hummer | Estragon
Geeiste Hummersuppe | marinierter Hummer | Estragon

Die gut gebratene, mit feinen Röstaromen versehene Jakobsmuschel im folgenden Gang ist begleitet von Blumenkohl und Petersilie in Variationen. Der Blumenkohl gebraten und als Püree, die Petersilie ebenfalls als Creme, Staub und als Jus. Das ist stimmig und lecker.

St. Jakobsmuschel | Blumenkohl | Petersilie
St. Jakobsmuschel | Blumenkohl | Petersilie

Kräftig gerät der Saibling im Pak Choi-Blatt. Der Fisch selbst ist wunderbar saftig und glasig auf den Punkt gegart. Die Auflage vor allem aus Shiitake und Pak Choi ist würzig und wird von dem Umami-reichen Shiitake-Sud bestens unterstützt. Dazu gibt es Crumble von Pistazien, die einen gelungenen nussig-geschmackvollen Crunch beisteuern. Dass sich im Nachgang eine dezente Schärfe breitmacht, gefällt mir ebenfalls sehr gut.

Seesaibling | Shiitake | Pak Choi
Seesaibling | Shiitake | Pak Choi

Nach den letzten drei starken Gängen passiert, was wir häufig erleben – nämlich, dass der Fleischhauptgang eher schwach ausfällt. Das liegt nicht einmal an der Zubereitung. Das US-Beef ist akkurat gebraten, die Beilagen aus Süßkartoffel als Creme und Chip, Zwiebel und Babymais sind sorgfältig zubereitet. Aber das Fleisch ist eher von der charakterschwachen Sorte und die Mitspieler so konventionell, dass es insgesamt etwas langweilig ausfällt. Das mag auch daran liegen, dass ich Süßkartoffel ohnehin relativ wenig abgewinnen kann. Da gefällt mir die prägnante BBQ-Jus noch am besten.

US-Beef | BBQ | Zwiebel | Süßkartoffel
US-Beef | BBQ | Zwiebel | Süßkartoffel

Vom mit ungefähr 30 Sorten ausgezeichnet bestückten Käsewagen von Waltmann aus Erlangen wählen wir einige gut gereifte und originelle Sorten. Das Früchtebrot dazu bräuchte ich persönlich zwar nicht, dafür bin ich zu sehr Käsepurist. Aber ich probiere es dennoch und bin vom Geschmack und der weichen Konsistenz recht angetan.

Rohmilchkäseauswahl vom Wagen von Maître Affineur Waltmann aus Erlangen
Rohmilchkäseauswahl vom Wagen von Maître Affineur Waltmann aus Erlangen

Als Pré-Dessert gibt es einen Mule mit Wodka und Kirschsaft und -espuma. Das ist säuerlich, frisch, kühl und passt an dieser Stelle gut.

Pré-Dessert
Pré-Dessert

Der Jahreszeit angepasst gibt es ein gelungenes Dessert, dass das Thema Pina Colada in Form von marinierter Ananas und als mit Kokos ummantelte Mousse aufnimmt und zusammen mit einem Sorbet aus Passionsfrucht zu einem tropischen Allerlei verbindet. Fruchtig und säuerlich rutscht das noch gut weg und liegt nicht schwer im Magen.

Passionsfrucht | Kokos | Ananas
Passionsfrucht | Kokos | Ananas

Dass wir unseren ersten Urlaubstag tatsächlich auf einer Terrasse in derart lauschigem Ambiente und schöner Aussicht beginnen würden, hatten wir nicht erwartet. Kleine Empfehlung vielleicht an den Service, die Allerwelts-Popmusik etwas weniger laut zu beschallen und doch durch etwas stimmungsvolleres zu ersetzen. Vor allem zu Beginn des Abends war das stellenweise etwas irritierend, besserte sich aber später noch. Ansonsten gibt es am gut eingespielten und aufmerksamen Service von Tamás Szokolai und seinem kleinen Team nichts auszusetzen. 

Die Küche, von der ich tatsächlich vorab keine Idee hatte, konnte mich vor allem bei den Fisch- und Krustentiergerichten sehr überzeugen und abholen. Handwerklich war alles in Ordnung, teilweise vielleicht etwas konventionell. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Ein Sonderlob gibt es dafür, dass man einen vorzüglichen Käsewagen vorhält – ein mittlerweile selten gewordener Luxus.

Mit dem am Tisch servierten Frühstück am nächsten Morgen geht ein genussvoller Abstecher in die Pfalz zu Ende, der ein gelungener Auftakt für zwei kommende Urlaubswochen darstellt.

Details

Restaurant: Alte Pfarrey
Adresse: Untergasse 54, 67271 Neuleiningen
Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag: 18.30 - 20.30 Uhr
Freitag + Samstag: 12.00 - 13.30 Uhr und 18.30 - 20.30 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.altepfarrey.com/

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